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Bürger misstrauen Länderfusionen
Leitartikel von Jochim Stoltenberg

Berlin (ots)

Es geht doch: Die Bundesländer haben im ersten Halbjahr nach langer Zeit wieder einen Überschuss in ihren Haushalten erreicht. Noch nicht alle. Aber immerhin sieben von 16. Besonders überraschend und erfreulich zugleich: Nach Bayern und Sachsen hat Berlin am besten gewirtschaftet. Zugegeben, es handelt sich erst um eine Zwischenbilanz aus dem Bundesfinanzministerium. Aber dass dank einer wirtschaftsfreundlicheren Politik bei gleichzeitig strikter Sparsamkeit auch ein vergleichsweise armes Land wie Berlin seine Finanzen auf einen soliden Grund führen kann, stimmt hoffnungsvoll. Denn zu vergleichbaren Kraftanstrengungen sind alle gezwungen, wenn ab 2020 die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse greift. Und damit das Verbot, Ausgaben mit Krediten zu finanzieren.

Weil das Erreichen dieser Vorgabe selbst nach einem Kompromiss im neu auszuhandelnden Länderfinanzausgleich - der 2019 ausläuft - sehr ambitioniert bleibt und für manche schwer zu erreichen sein wird, ist eine Empfehlung wieder in der Diskussion, die einen Ausweg weisen soll: Länder-Fusionen. In der Erwartung, dass durch Zusammenschlüsse die Wirtschafts- und folglich die Finanzkraft gestärkt, gleichzeitig die Ausgaben durch Einsparungen im politischen Apparat wie in den Verwaltungen gesenkt werden. Was vom Verstand her plausibel erscheint, hat sich in der deutschen Praxis bislang als äußerst schwer durchsetzbar, in den letzten Jahrzehnten gar als unmöglich erwiesen. Denn über Fusionen entscheiden nach unserer Verfassung nicht die Politiker, sondern die betroffenen Bürger. Die glauben schon lange nicht mehr den Heilsversprechungen, mit denen Politiker Länderfusionen anpreisen, sondern bauen lieber auf ihre regionale Identität und landsmannschaftliche Verbundenheit.

Nur einmal ist eine Fusion gelungen: 1952 schlossen sich Württemberg-Baden, Baden und Württemberg-Hohenzollern zu Baden-Württemberg zusammen. Für die letzte große Niederlage bei einer geplanten Länderfusion sorgten 1996 die Brandenburger. Sie stimmten, anders als die Berliner, mehrheitlich gegen eine Vereinigung mit der Hauptstadt. In der Diskussion sind immer wieder auch Zusammenschlüsse zu einem Nordstaat (Hamburg, Schleswig Holstein und Mecklenburg- Vorpommern), Südweststaat (Saarland und Rheinland- Pfalz) oder im Osten von Thüringen und Sachsen.

Solange die Politiker, so sie denn überhaupt fusionswillig und damit zum Postenverzicht bereit sind, keine die Bürger überzeugenden Argumente liefern, können sich Nachbarländer auch anders stärken. Durch Kooperationen im wirtschaftlichen, wissenschaftlichen oder verwaltungstechnischen Bereich. Das spart Personal und Aufwand. Berlin und Brandenburg liefern dafür viele Beispiele. Ob es hier und anderswo reichen wird, erweist sich spätestens 2020, wenn alle Länder ausgeglichene Haushalt vorlegen müssen. Können sie es nicht, werden Fusionen unausweichlich. Aber Vorsicht: Aus zwei oder drei Schwächlingen wird vereint kein Starker. Letztlich verspricht allein solide Finanzpolitik Erfolg. Die neuen Zahlen belegen es.

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