Inlandspresse, Hamburger Abendblatt zu Merkels Vorstellung von Röslers Biografie
Hamburg (ots)
Ein Kommentar von Egbert Nießler
US-Präsident Obama wettert über das zögerliche Krisenmanagement der Europäer, EU-Kommissionspräsident Barroso bekommt aus gleichem Grund Druck aus den eigenen Reihen, der griechische Chefpleitier Papandreou ist auf Beschwichtigungstour in Berlin, in der dortigen Koalition sind die Mehrheiten für die morgige Abstimmung über den Euro-Rettungsschirm unklar. Und Angela Merkel stellt die Biografie ihres Vizekanzlers, Wirtschaftsministers und Oberliberalen Philipp Rösler vor. Haben die keine anderen Sorgen an so einem Tag? Doch, haben sie zur Genüge. Allerdings sind Rösler und seine Partei untrennbar mit dem derzeitigen Berliner Problemknäuel verbunden. "Glaube. Heimat. FDP." lautet die Unterzeile der Lebensbeschreibung des liberalen Senkrechtstarters. "Glaube, Liebe, Hoffnung" wäre angesichts des ruinierten öffentlichen Ansehens der FDP auch nicht unpassend. Daran ist Rösler gewiss nicht allein schuld. Nur geändert hat sich seit seiner Übernahme des Parteivorsitzes vom noch glückloseren Außenminister Guido Westerwelle auch nichts, sodass er statt populistisch über eine geordnete Insolvenz Griechenlands genauso gut über den Bankrott der eigenen Partei öffentlich sinnieren könnte. Allgemeiner Zuspruch wäre ihm sicher. Doch Merkel und ihr Vize müssen zur Halbzeit der Legislaturperiode versuchen, die Stimmung im eigenen Laden und im Land zu heben. Irritationen, Pannen und Zerrüttung waren in der ersten Hälfte schon zur Genüge zu bewundern. Soll die Wahlperiode halbwegs in Würde zu Ende gebracht werden, ist ein Klimawechsel bei Schwarz-Gelb dringend erforderlich. Vielleicht war der Austausch von Nettigkeiten bei der Präsentation des röslerschen Lebenswerkes ja der Anfang. Und wer meint, dass eine Bilanz für einen 38-Jährigen viel zu früh kommt, sei nicht nur an den kanadischen Singezahn Justin Bieber erinnert, der seine gesammelten Weisheiten bereits im zarten Alter von 16 präsentierte, sondern auch daran, dass im Kabinett Merkel schon Minister schneller verschwunden sind, als sie für das Kopieren ihrer Dissertation gebraucht haben.
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