Inlandspresse, Hamburger Abendblatt zu Guttenberg-Verzicht
Hamburg (ots)
Ein Kommentar von Christoph Rybarczyk
Es liest sich wie ein pathetisches Bekenntnis zu eigenen Fehlern, zur CSU und zu den Bürgern in Bayern. Karl-Theodor zu Guttenbergs Verzicht auf eine politische Betätigung in naher Zukunft ist allerdings zweierlei: eine vernünftige Einsicht und knallhartes Kalkül. Die Einsicht ist ihm hoch anzurechnen. Möglicherweise mit Blick auf schwelende Verfehlungen anderer Spitzenkräfte im Land hat der gescheiterte Ex-Minister sich mehr Zeit und Abstand verordnet, ehe er wieder die politische Arena betritt. Das ist vernünftig. Guttenberg war dumm genug, eine Doktorarbeit zu versuchen, obwohl ihm Zeit und Akribie fehlten; dumm genug, seine Professoren betrügen zu wollen und dumm genug, alles abzustreiten. Nun scheint er hinreichend geläutert, der Öffentlichkeit und dem Politikbetrieb eine Verschnaufpause von seinem Hubschrauberprinzip zu gewähren: einfliegen, Staub aufwirbeln, wieder ausfliegen. Jetzt sieht die Berechnung hinter seinem Verzicht auf ein Mandat so aus: Büßt die CSU mit Ministerpräsident Horst Seehofer bei der Landtagswahl 2013 erneut an Stimmen ein, wird der Sirenengesang nach einem Retter wie Guttenberg anschwellen. Schöner noch, als sich anzubieten, ist schließlich das Gerufen-Werden. Guttenbergs Koketterie mit einer neuen Partei war pure Selbstüberschätzung. Er hat der CSU mehr zu verdanken als die Partei ihm. Doch auch der benevolente Schachzug von Seehofer, ihn bald wieder einbinden zu wollen, war reine Gemeinheit. Sie sollte Partei und Wahlvolk signalisieren: Der Chef holt euch den populären Querkopf schon zurück. Guttenbergs vorläufiger Verzicht gewährt Seehofer eine Verschnaufpause. Eineinhalb Jahre bleiben ihm, in Bayern zuzulegen und auch nach Ersatz für die farblosen CSU-Minister in der Bundesregierung zu fahnden. Der Faustische Waffenstillstandspakt zwischen Seehofer und Guttenberg ist eine Kampfansage aus Bayern an die gesamte Union: Wir haben ein Ass im Ärmel, das auch nach der Bundestagswahl 2013 noch stechen kann. So ist das politische Buch Guttenberg vorerst geschlossen - doch ihm stehen nach wie vor alle Türen offen.
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