Kommentar zu Ägypten
Ausschreitungen
Osnabrück (ots)
Bewährungsprobe für die Revolutionäre
In den dramatischen Februartagen der ägyptischen Revolution kämpften Muslime und Christen auf dem Tahrir-Platz noch gemeinsam gegen das verhasste Regime von Präsident Mubarak. Die Religionszugehörigkeit war den vorwiegend jungen Demonstranten völlig egal, denn sie hatten ein gemeinsames Ziel: Es galt, nach dem Sturz des Diktators einen neuen Staat aufzubauen. Diese Zeit der Eintracht und des Aufbruchs scheint nach den jüngsten Straßenschlachten in Kairo verflogen zu sein.
Wer oder was die Gewalt ausgelöst hat, muss eine Untersuchung zeigen. Die koptische Minderheit im Lande war allerdings schon häufig Diskriminierungen ausgesetzt. Fanatiker zündeten ihre Kirchen an oder töteten Mitglieder der Glaubensgemeinschaft. Nach der Revolution hatten die Christen auf eine Besserung ihrer Lage gehofft. Stattdessen müssen sie erleben, dass sie nun als Sündenböcke herhalten könnten. Denn in Ägypten hat sich tiefer Frust über die wirtschaftliche und politische Stagnation breitgemacht. Für die meisten Menschen hat sich die persönliche Lage seit Mubaraks Sturz verschlechtert.
Die Revolutionäre haben somit ihre eigentliche Bewährungsprobe noch vor sich. Das Volk muss den Durchhaltewillen zeigen, dass es demokratiefähig ist. Von den für November geplanten freien Parlamentswahlen dürfen sich die Ägypter auf keinen Fall abbringen lassen. Zudem müssen sie ein deutliches Zeichen der Toleranz setzen.
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