Europäische Staatsmänner loben neues Wahlgesetz der Ukraine und drängen auf Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der EU
Österreich (ots/PRNewswire)
Der ehemalige österreichische Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und der ehemalige Präsident der Europäischen Kommission Romano Prodi haben das neue Wahlgesetz gelobt, das die Regierungs- und Oppositionsparteien der Ukraine gemeinsam verabschiedet haben, und fordern die zügige Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Ukraine.
Während seiner Rede auf einer internationalen Konferenz erklärte Gusenbauer, dass das Wahlgesetz unter Mitwirkung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates sowie der Venedig-Kommission zustande gekommen und von Regierungs- und Oppositionsparteien des ukrainischen Parlaments gemeinsam verabschiedet worden sei, darunter auch von der Partei der ehemaligen Premierministerin Julija Tymoschenko.
"Dies ist von grösster Bedeutung, denn die Tatsache, dass 80 Prozent des ukrainischen Parlaments dem neuen Gesetz zugestimmt haben, bedeutet in der Praxis, dass hinsichtlich der Voraussetzungen für Wahlen ein Konsens besteht und dass das neue Gesetz als gemeinsame Basis akzeptiert wird", so Gusenbauer. "Das ist eine gute Voraussetzung für die grundsätzliche Anerkennung von Wahlergebnissen", ergänzte er.
Gusenbauer hielt seine Rede im Rahmen einer Konferenz des Renner-Instituts und des Österreichischen Instituts für internationale Politik in Wien. Dem Treffen mit dem Titel "Ukraine on the Path to European Integration" wohnten neben den Gesetzgebern der Regierungs- und Oppositionsparteien auch offizielle Vertreter der Wahlkommission sowie Akademiker, Diplomaten, Wirtschaftswissenschaftler und Geschäftsleute bei.
Prodi, der als Präsident der Europäischen Kommission von 1999 bis 2004 entscheidend am EU-Erweiterungsprozess beteiligt war, betonte ausserdem die erzielten Fortschritte bei der Wahlreform und forderte die Europäische Union auf, sich intensiver mit der Ukraine auseinanderzusetzen und die gegenseitigen wirtschaftlichen und politischen Verbindungen zu vertiefen. "Wenn wir uns nicht mit der Ukraine befassen, werden wir auch keine Ergebnisse vorweisen können", sagte er.
Beide Staatsmänner machten sich für die rasche Unterzeichnung und Umsetzung eines Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Ukraine stark. Dieser Prozess begann bereits im vergangenen Frühling, zögerte sich dann aber hinaus, weil einige europäische Kritiker mit dem Gerichtsverfahren und der anschliessenden Verurteilung Tymoschenkos zu einer Haftstrafe nicht einverstanden waren. Im vergangenen Jahr befand sie ein ukrainisches Gericht für schuldig, Amtsmissbrauch betrieben und im Jahr 2009 einen umstrittenen Gasvertrag mit Russland über 10 Mrd. USD ohne vorherige Zustimmung des Kabinetts unterzeichnet zu haben. Daraufhin legte sie Berufung ein.
Prodi erklärte, der Fall Tymoschenko dürfe bei der Vertiefung der Beziehungen zwischen Brüssel und Kiew kein Hindernis darstellen.
"Wir müssen gezielt darauf hinarbeiten und alles dafür tun, damit die Ukraine zu einer Brücke zwischen Russland und der EU wird", sagte Prodi und merkte an, dass die Wahlreform ein Zeichen dafür sei, dass die Ukraine dem "europäischen Pfad" folgen wolle.
Prodi prophezeit, dass "die Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine irgendwann enger werden und Probleme wie der Fall Tymoschenko mit weniger Leidenschaft und Emotion angegangen werden." Ausserdem erklärte er, dass Geschichte, Geografie, potenzielle Schiefergasreserven, Landwirtschaft sowie die strategisch günstige Position für Energietransporte der Ukraine bedeuten würden, dass "es unsere Pflicht ist, auf eine engere Verbindung zwischen der EU und der Ukraine hinzuarbeiten."
Gusenbauer sagte: "Ich denke, dass die gegenwärtige Haltung vieler Menschen in der EU, die Ukraine ausschliesslich vor dem Hintergrund des Tymoschenko-Falls zu beurteilen, weder korrekt noch im Interesse der EU ist."
Zu Beginn der Woche veröffentlichten Gusenbauer und Prodi einen Leitartikel mit dem Titel "Engagement, not Containment", in dem ausführlich auf die Bedeutung einer europäischen Integration der Ukraine sowie auf die Tragweite ihrer zukünftigen EU-Mitgliedschaft eingegangen wird. Dabei bezogen sie klar Stellung gegen den Versuch, die Ukraine zu isolieren.
Am Donnerstag stimmte der ukrainische Aussenminister Kostjantyn Hryschtschenko dem Artikel im Zuge einer Podiumsdiskussion während der Wien-Konferenz zu und erklärte: "Die Leitidee des Artikels ist genau das, was viele europäische Politiker begreifen müssen."
Darüber hinaus wiederholte er, dass das Assoziierungsabkommen "ein Hilfsmittel zum Anstoss von Reformen und zur Unterstützung der Demokratie entsprechend bewährter europäischer Verfahrensweisen in der Ukraine" sei.
In seinem Bemühen, bei der Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Ukraine Fortschritte zu erzielen, bat Gusenbauer die EU und die Ukraine darum, von politischen Massnahmen abzusehen und sich stattdessen auf die Tragkraft des europäischen Rechtssystems zu verlassen. Dabei sei jedwede Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs der Menschenrechte (ECHR) im Berufungsverfahren zum Fall Tymoschenko zu akzeptieren, wie auch immer sie ausfallen möge.
Hryschtschenko bemerkte daraufhin, dass "die Ukraine den Europäischen Gerichtshof der Menschenrechte" akzeptiere.
Während des Treffens in Wien erklärten sowohl Prodi als auch Gusenbauer, dass sie die einhellige Zustimmung aller bei der Verabschiedung des Gesetzes anwesenden Politiker von Regierung und Opposition bezüglich der Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union sehr erstaunt habe.
Bestärkt wurde dies durch die regierungsfreundliche Abgeordnete Inna Bohoslovska (Partei der Regionen) sowie den Abgeordneten der Opposition Andrij Schewtschenko (Vereinte Opposition), der auch Mitglied von Tymoschenkos Partei ist: Beide brachten während des Treffens in Wien ihre Unterstützung für eine erweiterte europäische Integration und die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens zum Ausdruck.
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