MEM-Industrie: Massiver Einbruch ab April 2020
Zürich (ots)
Im ersten Quartal 2020 gingen in der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM-Industrie) die Auftragseingänge gegenüber der Vorjahresperiode um -2,0 Prozent, die Umsätze um -5,7 Prozent und die Exporte um -8,4 Prozent zurück. Diese Zahlen widerspiegeln jedoch nicht die aktuelle Lage in der MEM-Industrie, sondern jene vor dem Corona-Lockdown. Die negativen Auswirkungen der Pandemie werden die MEM-Branche erst im zweiten und dritten Quartal 2020 voll treffen. Stornierungen von Aufträgen, ein weltweit historisch tiefer Einkaufsmanagerindex (PMI) und deutlich verschlechterte Erwartungen der Unternehmerinnen und Unternehmer lassen einen massiven Einbruch befürchten. Wichtig ist, dass der Bund per 11. Mai 2020 für EU/EFTA-Länder die Reisebestimmungen gelockert hat. Gleiches muss rasch auch für Drittstaaten erfolgen. Zudem muss die Frist für die Beantragung von Überbrückungskrediten verlängert, die Bezugsdauer für Kurzarbeit erhöht und die Innovationstätigkeit gefördert werden.
In der Schweizer MEM-Industrie sanken im ersten Quartal 2020 im Vergleich zur Vorjahresperiode sowohl die Auftragseingänge (-2,0%) wie auch die Umsätze (-5,7%). Damit setzte sich zu Beginn dieses Jahres der negative Trend fort, der schon Mitte 2018 eingesetzt hatte. Dessen Ursachen lagen in der schwachen Konjunktur in den MEM-Märkten sowie der weiteren Aufwertung des Schweizer Frankens gegenüber dem Euro. Entsprechend tief ist die Kapazitätsauslastung in den Betrieben. Sie erreichte gemäss KOF im ersten Quartal 83,6 Prozent, womit sie unter dem langjährigen Mittelwert von 86,4 Prozent lag. Im April fiel die Kapazitätsauslastung auf 80,9 Prozent - eine erste Konsequenz des Lockdowns.
Sinkende Exporte in sämtliche Absatzregionen
Die Güterausfuhren der MEM-Industrie reduzierten sich im ersten Quartal 2020 gegenüber dem Vorjahresquartal um hohe -8,4 Prozent und erreichten einen Wert von 15,8 Milliarden Franken. Dieser Exportrückgang ist primär die Folge der stark sinkenden Auftragseingänge im Vorjahr. Es sind darin auch erste Konsequenzen der Pandemie als Folge des Lockdowns in den Absatzmärkten erkennbar. Besonders ausgeprägt sind die Exportrückgänge in die EU (-10,4%). Aber auch nach Asien (-7,0%) und in die USA (-6,0%) waren sie rückläufig. Die negative Exportentwicklung betraf sämtliche Warengruppen. Im Maschinenbau betrug der Exportrückgang -12,1 Prozent, bei den Metallen -8,8 Prozent, im Bereich Elektrotechnik / Elektronik -4,3 Prozent und bei den Präzisionsinstrumenten -4,5 Prozent.
Düstere Aussichten für das Q2 und Q3
Die Geschäftszahlen der MEM-Industrie des ersten Quartals 2020 zeigen das Bild vor dem Lockdown. Dessen Konsequenzen werden die Industrie erst im zweiten und dritten Quartal 2020 voll treffen. Die aktuellen Werte des Einkaufsmanagerindex (PMI) deuten in den wichtigsten Absatzmärkten auf einen sehr starken Einbruch hin. So wies der PMI der Eurozone im Februar 2020 einen Wert von 49,2 auf und stürzte im April auf 33,4 ab (Werte unter 50 indizieren einen Rückgang). Auch die Ergebnisse der jüngsten Swissmem-Umfrage unter den Mitgliedfirmen weisen deutlich auf eine negative Entwicklung hin: - Die Erwartungen der MEM-Firmen für die kommenden zwölf Monate haben sich massiv verschlechtert. 70 Prozent gehen von einem Rückgang der Auftragseingänge aus dem Ausland aus. Ende 2019 waren es nur 28 Prozent gewesen. - Fast die Hälfte der MEM-Firmen (48%) erleiden durch die Pandemie Stornierungen von Aufträgen. Diese Umsätze werden in den kommenden Monaten wegfallen. - Stornierungen und wegbrechende Aufträge hatten zur Folge, dass 80 Prozent der MEM-Unternehmen gezwungen waren, Kurzarbeit zu beantragen.
Hans Hess, Präsident Swissmem, ist sehr besorgt: "Die Situation in den MEM-Firmen hat sich im April deutlich verschlechtert. Alle Frühindikatoren weisen auf einen massiven Umsatzrückgang ab dem zweiten Quartal 2020 hin. Ab wann es wieder aufwärts geht, ist im Moment völlig offen."
Reisebeschränkungen behindern die Industrie stark
Der Verkauf von Industriegüter ist oft ein aufwändiger Prozess. Verkaufs- und Projektmeetings, Demonstrationen und Probeläufe sind unerlässlich. Dasselbe gilt für die Abnahme der Güter ab Werk, die Installation im Zielbetrieb sowie für Reparatur- und Servicearbeiten. Für diese Tätigkeiten müssen die entsprechenden Spezialisten und auch die Kunden reisen können. Die aktuellen Reisebeschränkungen gehören für 67 Prozent der MEM-Firmen zu den drei wichtigsten Problemen des Lockdowns. Sie erschweren es extrem, neue Aufträge zu gewinnen, laufende abzuschiessen und diese zu verrechnen.
Auch die Politik ist gefordert
Um die negativen Auswirkungen der Corona-Epidemie in der Schweizer MEM-Industrie zu dämpfen, braucht es Verbesserungen der Rahmenbedingungen. Bereits am 12. Mai 2020 eröffnet sich der Finanzkommission des Ständerates die Chance, diesen Prozess in die Wege zu leiten. Sie wird an ihrer Sitzung über die Aufhebung der Industriezölle beraten. Der Wegfall dieser Zölle würde allein für die MEM-Industrie eine jährliche Kostenersparnis von rund 125 Millionen Franken sowie erhebliche administrative Erleichterungen bringen. "Die Aufhebung der Industriezölle wäre eine echte Verbesserung und ein starkes Zeichen der Unterstützung für die Industrie in der Schweiz", betont Hans Hess. Swissmem fordert, dass der National- und Ständerat diesen Vorschlag des Bundesrates in der Sommersession gutheissen, damit die Aufhebung der Industriezölle auf Anfang 2021 in Kraft treten kann.
Darüber hinaus stehen für Swissmem zurzeit folgende, kurzfristig wirkende Forderungen im Vordergrund:
- Lockerung der Reisebeschränkungen: Swissmem ist erfreut, dass der Bund die Einreisebeschränkungen für Spezialisten, Techniker und Kunden aus EU/EFTA-Länder gelockert hat. Gemäss Aussagen von Bundesrätin Keller-Sutter in der ausserordentlichen Session und des Rundschreibens des Staatssekretariats für Migration vom 8. Mai können die Kantone ab sofort auch neue Meldungen und Gesuche für eine kurzfristige Erwerbstätigkeit bzw. Einreise bearbeiten, die im Sinne eines zwingenden wirtschaftlichen Interesses unaufschiebbar sind. Dazu gehören Gesuche für die Kundenakquise, inklusive Verkaufsgespräche und für Spezialisten zur Abnahme von Maschinen, etc. Die Industrie setzt seit Wochen die BAG-Regeln konsequent um. Das Gesundheitsrisiko ist somit tief. Hingegen sind derzeit die wirtschaftlichen Probleme gross. Die Industrie setzt deshalb auf eine grosszügige kantonale Praxis. Eine analoge Lockerung soll zudem spätestens am dem 8. Juni auch für entsprechende Personen aus Drittstaaten erfolgen.
- Die Frist für die Einreichung von Gesuchen für Überbrückungskredite muss bis Ende 2020 verlängern werden. Weil Liquiditätsengpässe in vielen MEM-Firmen erst im zweiten und dritten Quartal aktuell werden, müssen die betroffenen Unternehmen auch nach dem 31. Juli 2020 die Möglichkeit haben, solche Kreditgesuche einzureichen.
- Die Bezugsdauer für Kurzarbeitsentschädigung muss auf 18 Monate erhöht werden. Gewisse Betriebe mussten aufgrund der schwachen Konjunktur in den Zielmärkten bereits 2019 Kurzarbeit einführen und erreichen bald das Ende der aktuell auf zwölf Monate beschränkten Bezugsdauer.
- Der Forschungsbetrieb an den Hochschulen muss wieder aufgenommen werden. Die Zusammenarbeit von Unternehmen mit den Hochschulen und Forschungsinstitutionen ist für die Innovations- und damit mittel- und langfristig für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz essenziell.
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