H.R. Giger - Schattenreise
Un document
Die Photobastei zeigt vom 12. Januar bis 12. März unter dem Titel „Schattenreise“ Meilensteine in Hansruedi Gigers (1940 – 2014) Werdegang mit Zeichnungen in Untergrundmagazinen und Variationen der für seinen erotisch-morbiden Stil charakteristischen Motive „Atomkinder“ (1963), „Biomechanoiden“ (1969) und „Passagen“ (1971-73). Die oft düsteren Positionen des Schweizer Visionärs sind gerade heute wieder von grosser Aktualität. In seinem Werkzyklus „Biomechanoiden“ nimmt er die Verschmelzung von Körper und Technik vorweg; in der Arbeit „Atomkinder“ die Angst vor der Auslöschung der Menschheit durch einen Atomkrieg. In „Passagen“ nimmt Giger Bezug auf das Geburtstrauma und schöpft daraus Bilderwelten, die weit über die individuelle Erfahrung hinaus auf die Abgründe und Gefahren der modernen Gesellschaft verweisen.
13. Januar bis 12. März 2023
3. Stock jeweils Mi & So, 12 - 18 h; Do - Sa, 12 - 21 h
Sihlquai 125, 8005 Zürich, photobastei.ch
Eintritt: 12/8 CHF
Eröffnung/Vernissage:
Donnerstag 12. Januar, ab 18 Uhr
Die Arbeit „Atomkinder“ beschwört in der kollektiven Angst vor Atomkrieg und Umweltzerstörung die mythologische Welt einer albtraumhaften Zukunft herauf. Die"Atomkinder" beleben als eine groteske Population von Mutanten eine dystopische Erde, die den Atomkrieg oder die Verwüstung der Natur durch radioaktive Abfälle überlebt haben. Es erstaunt nicht, dass er früh die Anti-Atombewegung mit Zeichungen und eigenen Statements unterstützte.
In seinem einzigartigen Stil der „Biomechanoiden“ verschmilzt er meisterhaft Mensch und Maschine, Elemente aus bedrohlichen mechanischen Vorrichtungen mit verschiedenen Teilen des menschlichen Körpers - mit Armen, Beinen, Gesichtern, Brüsten, Bäuchen und Genitalien. Über viele Jahre war dies das Leitmotiv in seinen Bildern, Zeichnungen und Skulpturen. Er nahm damit nicht nur die Bewegung der Cyborgs vorweg, sondern auch den aktuellen Diskurs des Transhumanismus.
In seiner künstlerischen Arbeit verarbeitete H.R. Giger oft auch eigene Traumata und Ängste. Der Werkzyklus „Passagen“ setzt sich intensiv mit Geburt, Sexualität und Tod auseinander und nimmt insbesondere Bezug auf das Geburtstrauma, bzw. den Schock der Geburt. Aus diesen Ängsten und Schatten schöpft er in Passagen indes Bilderwelten, die weit über die individuelle Erfahrung hinaus auf gesellschaftliche, kollektive und archetypische Kräfte verweisen. Kein anderer Künstler, so schrieb der Psychiater Stanislav Grof 2011, hat die Plagen, die unsere moderne Gesellschaft heimsuchen, mit einer solchen Kraft und Tiefe eingefangen – eine aus allen Fugen geratene Technologie, die unser menschliches Wesen überschattet, die selbstmörderische Zerstörung der Natur auf unserem Planeten, eine Gewaltbereitschaft, die apokalyptische Ausmasse annimmt, sexuelle Exzesse und der aus all dem resultierende Massenkonsum von Tranquilizern und narkotisierenden Drogen.
Giger experimentierte bei seiner Arbeit auch mit LSD und pflegte Freundschaften zu Koryphäen der LSD-Forschung wie Timothy Leary oder Stanislav Grof. Die Ausstellung zeigt auch Werke, die auf seinen wenigen LSD-Reisen entstanden sind.
Giger war ein Seismograph des Unbewussten. Er ging offen auf seine eigenen Ängste, Abgründe und Dämonen zu. Auf seiner Schattenreise besuchte er Orte, die wir meiden, verneinen oder verdrängen und bannte seine Visionen in seine Kunst. In seinem Werk kommen die Abgründe und Gefahren unserer Zeit - damals und heute- in einer Weise zum Ausdruck, dass auch wir Betrachter:innen sie nicht verleugnen können. Diese dystopischen Urkräfte, diese destruktiven, mythologischen und archetypischen Dämonen, welche er in seiner Kunst oftmals beklemmend und düster festhält, suchen uns scheinbar wieder und wieder heim. Gigers Kunst hat nichts von ihrer Aktualität eingebüsst, seine Visionen werden vielmehr immer deutlicher und beklemmender.
Giger selbst empfand seine Kunst dagegen als heilend. Er sah in ihr ein wichtiges Instrument, um geistig gesund zu bleiben. In der Auseinandersetzung mit dem Schatten fand er seine Heimat und seinen Frieden.
Biografie Hansruedi Giger
H.R. Giger - das bedeutet 40 Jahre phantastischer Kunst. Der Künstler wurde 1940 in Chur (Schweiz) geboren. 1962 zog er nach Zürich, wo er Architektur und Industriedesign studierte. Neben seinen surrealistischen Traumlandschaften ist er vor allem durch sein Design für Ridley Scotts Film "Alien" bekannt geworden. Für seine Mitarbeit an diesem Film erhielt HR Giger 1980 einen Oscar in der Kategorie "Best Achievement for Visual Effects". Im Laufe der Jahre folgten Filmprojekte wie "Poltergeist II" und "Alien III", an deren Realisierung Giger maßgeblich beteiligt war. Für den MGM-Film "Species" entwarf er eine außerirdische Schöne sowie eine phantastische Eisenbahn.
Gigers Entwürfe für Plattencover sind mehrfach ausgezeichnet worden. So wählte das Musikmagazin "Rolling Stone" die Cover für Debbie Harrys LP "Koo Koo" und für Emerson, Lake and Palmers "Brain Salad Surgery" unter die 100 besten der Musikgeschichte.
1998 erschien Gigers erster illustrierter Roman "The Mystery of San Gottardo", eine Mischung aus Filmscript, Comicbook und schwarzer Komödie. Im gleichen Jahr wurde das Museum HR Giger Chateau St. Germain im schweizerischen Gruyéres eröffnet, mit Werken der 60er und 70er Jahre sowie den Filmdesigns zu Alien I und III, Species und Poltergeist.
Durch einen tragischen häuslichen Unfall ist Hansruedi (H.R) Giger am Montag den
12 Mai 2014 plötzlich und vollkommen unerwartet verstorben.
Die Sammlung Czwikla
Die Ausstellung beruht im Kern auf der Sammlung von Caren und Jörg Czwikla. Seit 1987 und über die Jahre stellten die Czwiklas eine eindrucksvolle Sammlung zusammen, die einen Querschnitt der Entwicklung und Vielfältigkeit von Gigers Kunst liefert.
Die Ausstellung in der Photobastei wird ergänzt durch Leihgaben aus Zürcher Privatbesitz.
Medienkontakt: Romano Zerbini Verein PhotoCreatives / Photobastei Sihlquai 125 8005 Zürich email: romano.zerbini@photobastei.ch T +41 44 240 22 00 M +41 79 220 09 84