Tierversuche: Reizarme Laborhaltung macht Mäuse krank
Zürich (ots)
Rund eine Million von insgesamt 1,3 Millionen Schweizer Labortieren waren im Jahr 2021 Mäuse. Sie sind mit Abstand die häufigsten Labortiere und die grossen Verliererinnen der Tierversuchsindustrie. Sie müssen am meisten schwerstbelastende Experimente erdulden. Zudem beeinträchtigt die reizarme Laborhaltung die Gesundheit und führt zu mehr Todesfällen, wie eine neue Studie belegt. Der Zürcher Tierschutz fordert daher, dass konventionelle Laborhaltung als belastend eingestuft und schrittweise durch tiergerechtere Haltungsbedingungen ersetzt wird.
Hohe Belastung wird bagatellisiert
Offenbar wird Mäusen die Fähigkeit zu leiden nur eingeschränkt zugesprochen, denn ihre Belastung wird in Forschungskreisen systematisch verharmlost. Beispiel hierfür ist etwa die Vasektomie (Unterbindung), die vom Gesetz her bei Mäusen und Ratten als Schweregrad 1 gilt, bei allen anderen Tierarten wie Kaninchen oder Hamstern aber als Schweregrad 2. Umso bedenklicher ist, dass sich der Anteil der mittel- und hochgradigen Belastungen bei Mäusen seit 2002 mehr als verdoppelt hat und 2021 auf schockierende 46% anstieg (Graphik 1). Insgesamt litten 23'000 Mäuse 2021 in Versuchen mit höchstem Schweregrad 3 - ein neuer Rekord! Nadja Brodmann vom Zürcher Tierschutz kritisiert: "Es ist unfassbar, was die Mäuse in den Experimenten erdulden müssen."
Reizarme Haltung macht die Mäuse krank
Damit nicht genug: Auch die eintönige Laborhaltung belastet die Mäuse stark, wie eine neue Studie aus Kanada zeigt. Sie verglich die Haltung in reizarmen Käfigen mit derjenigen unter angereicherten Bedingungen. Mäuse in Standardkäfigen wiesen eine schlechtere Gesundheit und erhöhte Sterberaten auf. Die Schweizer Laborhaltung ist im Vergleich dazu kaum besser. Daraus lässt sich schliessen, dass die Mäuse auch hierzulande durch die reizarme Haltungsumwelt krank werden. Nadja Brodmann folgert: "Die Mäuse leiden doppelt - tagtäglich unter der miserablen Haltung und zusätzlich unter besonders schlimmen Eingriffen."
Pro Maus die Fläche eines Handybildschirms
Im Labor werden die Mäusekäfige wie Schuhschachteln in Regalen übereinandergestapelt. Kein Tageslicht, keine Verstecke, nichts zum Nagen und Graben - nur der Gitterdeckel zum Klettern und ein Kleenex-Tüchlein als Nistmaterial. Kein Wunder werden die Tiere krank oder entwickeln mangels Beschäftigung Verhaltensstörungen. Die vorgeschriebene Fläche pro Tier ist so gross wie ein Handy-Bildschirm (10x10 cm2) und damit neunmal kleiner als was für Farbmäuse in Privathaltungen vorgeschrieben ist. Zusätzlich werden die Mäuse auch durch das Handling gestresst, etwa das Hochheben am Schwanz. "Viele Forschende sind blind für das alltägliche Tierleid im Labor, sie erachten diese Art von Haltung und Handling als normal", so Brodmann.
Mäuse sind keine Wegwerfware
Ebenso stören sich Forschende kaum daran, dass von der bereitgestellten Million Mäuse 2021 nur knapp 370'000 in einem Versuch eingesetzt wurden. Knapp zwei Drittel (700'000) wurden als überzählig getötet. All diese Mäuse haben umsonst in den reizarmen Laborkäfigen gelitten. Von den genetisch veränderten Tieren sind 80% überzählig (Graphik 2). Der Hauptgrund für ihren sinnlosen Tod: Die genetischen Merkmale passten nicht zur Versuchsanordnung. Hier zeigt sich erneut, dass Labormäuse nicht als leidensfähige Lebewesen, sondern als Verschleissmaterial betrachtet werden.
Auch Labormäuse haben ein Recht auf tiergerechte Haltung
Ob Studien aus reizarmer Laborhaltung sinnvolle Ergebnisse liefern, ist höchst umstritten. Angst, Schmerz und Stress können sich negativ auswirken und die Aussagekraft mindern. "Eine tiergerechte, gut strukturierte Haltung mit viel Platz und genügend Einstreu wäre zielführender", ist Nadja Brodmann überzeugt. "Der Zürcher Tierschutz fordert daher eine schrittweise Umstellung auf tiergerechte Haltungsformen und dass bereits die Standard-Laborhaltung als Belastung vom Schweregrad 1 eingestuft wird. Sowohl für die Tiere als auch für den Forschungsfortschritt ist die angereicherte Haltung ein Muss. Alles andere ist eine Verschwendung von Steuergeldern", so Brodmann.
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