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Tabakindustrie-Lobby-Index: Die Schweiz fällt weiter zurück

Bern (ots)

Die Schweiz landet im neuen Tabaklobby-Index 2023 erneut auf dem zweitletzten Platz (89/90), nur knapp vor der Dominikanischen Republik. Sie ist aufgrund der grösseren Anzahl untersuchter Länder jedoch nochmals um 10 Plätze zurückgefallen. Dies verdeutlicht einmal mehr: Der Einfluss der Tabakindustrie auf die Politik in der Schweiz bleibt ungebrochen und verhindert eine wirksame Tabakkontrolle, welche die Menschen vor den tödlichen Produkten schützt.

Mit einer Punktzahl von 95 von möglichen 100 Punkten belegt die Schweiz den 89. Platz unter insgesamt 90 Ländern und ist somit als besonders empfänglich für die Interessen der Tabak- und Nikotinindustrie zu betrachten. Unter den 20 europäischen Ländern, die teilgenommen haben, schneidet die Schweiz sogar am schlechtesten ab. Im Vergleich zum letzten Ranking aus dem Jahr 2021, bei dem sie den 79. Platz von 80 Ländern belegt hatte, hat sie sich um 10 Plätze und drei Punkte verschlechtert. Brunei, Neuseeland sowie Frankreich und die Niederlande belegen die ersten drei Plätze und sind die Nationen mit dem geringsten Einfluss der Tabakindustrie auf die Politik.

Einflussnahme auf die Forschung, Zusammenarbeit mit Bundesbehörden und nicht protokollierte Treffen

Das Ergebnis ist eindeutig: Die Tabakindustrie übt weiterhin einen erheblichen Einfluss auf Diskussionen und Gesetzgebungsverfahren im Bereich der öffentlichen Gesundheitspolitik aus. Sie nimmt an Debatten über Regulierungsmassnahmen teil, beeinflusst Entscheidungsträger und setzt eine Vielzahl von Lobbyist:innen ein, um tendenziöse Informationen zu verbreiten und ihre Interessen zu vertreten, die im Widerspruch zum angemessenen Schutz der öffentlichen Gesundheit stehen. Zur Veranschaulichung hier drei Beispiele aus dem Bericht:

  1. Forschung: Die ETH Zürich führt eine Studie mit finanzieller Unterstützung durch den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und die Tabakindustrie, namentlich Philip Morris, durch. Seit langer Zeit setzt die Tabakindustrie auf eine gezielte Finanzierungsstrategie für Forschungsprojekte, die ihren Geschäftsinteressen dienen.
  2. Greenwashing-Kampagne mit dem BAFU: Das BAFU arbeitet mit zahlreichen Vertreter:innen der Industrie zusammen und aus Sitzungsprotokollen geht hervor, dass das BAFU Hand bietet für eine Greenwashing-Kampagne. Dass die Tabakindustrie seit Langem verschiedene Taktiken anwendet, um ihren Ruf im Bereich des Umweltschutzes zu verbessern, ist hinlänglich bekannt. Einer der Hauptgründe für das Fehlen einer wirksamen Umweltschutzpolitik gegen die unsachgemässe Entsorgung von Zigarettenstummeln in der Schweiz ist die enge Zusammenarbeit zwischen Bundesbehörden und der Tabakindustrie.
  3. Treffen mit Politiker:innen: Seit 2021 wurden gemäss dem Öffentlichkeitsgesetz Dokumente von lokalen Behörden angefordert, um die formellen Verbindungen zwischen der Tabakindustrie und den Behörden in der Schweiz zu untersuchen. So gibt bspw. der Kanton Neuenburg an, dass er jährlich ein Treffen mit einem Unternehmen aus der Industrie abhält, bei dem keine Aufzeichnungen geführt werden. Die Stadt Lausanne führt keine Protokolle über ihre regelmässigen Treffen einschliesslich informeller Mittagessen mit der Industrie.

Aktuellstes Beispiel für die Beeinflussung der Politik durch die Tabakindustrie, das jedoch nicht in den Untersuchungszeitraum dieses Berichts fällt, sind die Spenden in Höhe von je 35'000 CHF, die Philip Morris an die beiden Parteien FDP und SVP im Zuge der eidgenössischen Wahlen im Oktober 2023 geleistet hat.

Fehlende FCTC-Ratifizierung: Die Schweiz bleibt ein unregulierter Tummelplatz für die Tabakindustrie

Diese enge Kooperation zwischen Behörden und verschiedenen grossen Tabakkonzernen zeigt, wie gross die Freiheiten sind, welche sich die Tabakindustrie in der Schweiz herausnehmen kann. Dies ist besonders auf das Fehlen einer Tabakkontrollpolitik zurückzuführen, die den Verantwortlichen klare Richtlinien zur Vermeidung solcher Industriepartnerschaften an die Hand geben könnte. Da die Schweiz als eines der wenigen Länder das WHO-Rahmenübereinkommen der WHO zur Eindämmung des Tabakkonsums (FCTC) nicht ratifiziert hat, profitiert die Tabakindustrie von diesem Versäumnis und den laschen Bundesgesetzen in hohem Masse. Dabei bleibt die Schweiz der Tummelplatz der drei hier ansässigen multinationalen Tabakkonzerne Philip Morris International (PMI), British American Tobacco (BAT) und Japan Tobacco International (JTI).

"Es ist höchste Zeit, dass die Schweiz die WHO-Rahmenkonvention zur Tabakkontrolle ratifiziert und die damit verbundene Verpflichtung zu einer strikten Regulierung des Tabaks umsetzt."

Laurence Fehlmann Rielle, Präsidentin Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention Schweiz und Nationalrätin (SP)

Bekannterweise ist der Tabakkonsum nach wie vor für rund 14% aller Todesfälle in der Schweiz verantwortlich. Nur durch die Ratifizierung der Rahmenkonvention und die kategorische Ablehnung der Zusammenarbeit mit einer Industrie, deren starker Lobbyismus nichts anderes als Profitsteigerung zum Ziel hat, können die Gesundheitsrisiken durch ihre schädlichen Produkte für die Menschen in diesem Land wirksam eingedämmt werden.

Der Global Tobacco Industry Interference Index wird als internationaler Tabaklobby-Index vom Global Centre for Good Governance in Tobacco Control (GGTC) erstellt und basiert auf 20 Indikatoren, welche sich an den Leitlinien nach Artikel 5.3 des Rahmenübereinkommens der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (FCTC) orientieren. Er misst die Bemühungen der Regierungen, gegen die Einflussnahme der Tabakindustrie vorzugehen. Für die Bewertung wird ein Punktesystem verwendet. Je höher die Punktezahl, desto schlechter schneidet das Land ab.

Link zum vollständigen Bericht

Pressekontakt:

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Kris Schürch, kris.schuerch@at-schweiz.ch / 031 599 10 31

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