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Ignaz P.V. Troxler-Verein

Beethovens Schweizer Freund
Eine beachtenswerte Randnotiz zum Beethoven-Jahr 2020

Beethovens Schweizer Freund / Eine beachtenswerte Randnotiz zum Beethoven-Jahr 2020
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Aarwangen (ots)

Wenigen dürfte heute bekannt sein, dass Ludwig van Beethoven in Wien eine Freundschaft mit einem um zehn Jahre jüngeren Schweizer unterhielt, der ihm als Arzt, aber auch als Dolmetscher und als Vermittler schweizerischer Natur und Volkskultur willkommene Dienste leistete.

Dieser junge, sprachgewandte Schweizer Arzt, der Beethoven 1807 half, sich mit dem Musikverleger Clementi zu verständigen, da er "besser verstehe, mit den Ausländern durch meine Noten mich verständlich zu machen als im Sprechen ...", - wer war dieser Schweizer Freund? Es war der Doctor Ignaz Paul Vital Troxler, geboren am 17. August 1780 im luzernischen Marktflecken Beromünster, der nach seinem Studium der Medizin und Philosophie - letztere bei den dort lehrenden Geistesgrössen Fichte, Schelling und Hegel - von Jena nach Wien gezogen war, um beim bekannten Arzt und Gründer der Wiener Ärztegesellschaft Johann Malfatti, der auch Beethoven behandelte, seine praktische medizinische Ausbildung fortzusetzen. "...Noch einmal meine lebhafteste Danksagung für all Ihre Freundschaft und Gefälligkeit gegen mich - Halten Sie lieb Ihren Freund Beethoven" - so schliesst der Brief des Komponisten an Troxler vom April 1807.

Ignaz Troxler kehrte 1809 frisch vermählt mit seiner zwölf Jahre jüngeren deutschen Gemahlin in die Schweiz zurück. Neben seiner ärztlichen und später auch pädagogischen Tätigkeit profilierte er sich als bedeutendster Philosoph, den die Schweiz im 19. Jahrhundert aufzuweisen hat. Sein 1812 publiziertes philosophisches Frühwerk "Blicke in das Wesen des Menschen" gehörte zur Pflichtlektüre des damals 63-jährigen Goethe. Mehrere Berufungen an deutsche Universitäten schlug Troxler aus, sah er doch die Schweiz als seinen vornehmlichen Wirkungsraum. Als Arzt stand er 1827 am Sterbebett Pestalozzis. Berns Regierung berief den renommierten Philosophen auf den Lehrstuhl der 1834 gegründeten Berner Universität.

Neben seiner Lehrtätigkeit wirkte Troxler unentwegt als politischer Entwicklungshelfer. Sein ausgeprägtes Freiheits- und Demokratieverständnis brachte er in Reden, Schriften und Zeitungsartikeln klar und unmissverständlich zum Ausdruck, sodass er sich enthusiastische Freunde wie erbitterte Feinde schuf - Feinde, deren Privilegien er zurechtstutze; Freunde, welche Freiheit, Recht und Würde jedem Bürger zubilligten. "Ich finde mich zu sehr geliebt und gehasst, um eigentlich unglücklich zu sein - Freunde und Feinde übertreiben's mit mir", schrieb er einem Freund. Wenig bekannt sind heute seine grossen Verdienste um die Versöhnung der Eidgenossen nach dem Sonderbundskrieg. Heute wird Troxler von Historikern wahrgenommen als wesentlicher Inspirator des schweizerischen Bundesstaates von 1848 mit dem Zweikammersystem der eidgenössischen Räte. Troxlers geistige, pädagogische und rechtlich-politische Impulse wirken bis heute nach, sie prägten nachhaltig unser Staats- und Rechtssystem. Da sie auch zukunftsrelevant sind, lohnt es sich, sie - zusammen mit seinem spannenden, ungewöhnlich dramatischen Lebenslauf - kennenzulernen.

1857, vier Jahre nach seiner Emeritierung und drei Jahrzehnte nach Beethovens Tod, schrieb Prof. Dr. Troxler von seinem Alterssitz in Aarau dem Kulturredaktor Heinrich Szadrowsky, er habe während seiner Wiener Jahre Beethoven, der sich nachweislich nie in der Schweiz aufhielt, "oft und viel vom Rheinfall, vom Rigiberg und Pilatus, von dem ganzen Bereich der Vierwaldstätter Sees mit den geschichtlichen Erinnerungen erzählen müssen". So soll der dankbare Hirtengesang gegen Ende des vierten Satzes von Beethovens Pastoral-Symphonie auf eine Alphornweise vom Rigiberg zurückgehen, von der vermutet wird, sein damaliger Schweizer Freund habe sie Beethoven übermittelt.

Troxlers 240. Geburtstag am 17. August 2020 kann zum Anlass werden, sich mit diesem zu Unrecht in Vergessenheit geratenen historisch bedeutenden Schweizer näher bekannt zu machen. Seine philosophischen Hauptwerke und wichtigsten politischen Schriften sind heute online frei zugänglich. Über die Website des Ignaz P.V. Troxler-Vereins ( www.ipvtroxler.ch) findet man schnellen und ergiebigen Zugang zu Troxlers Leben und Werk. Als diesbezüglicher Appetizer kann die Sammlung politischer Texte Troxlers in der 2019 im Beer Verlag, Zürich erschienenen Anthologie "Mythos - Gemeinschaft - Staat" empfohlen werden.

"Freiheit des Vaterlandes war meine erste Liebe"

Ignaz Paul Vital Troxler (1780-1866) als geistiger und politischer Erneuerer der Schweiz

Dr. phil. René Roca, Forschungsinstitut direkte Demokratie, Oberrohrdorf-Staretschwil

Der Ignaz P.V. Troxler-Verein ( www.ipvtroxler.ch) bemüht sich intensiv um das Erbe dieses grossen Schweizer Denkers. Eine Frucht dieses Bemühens war ein erster Band mit ausgewählten Aufsätzen und Vorträgen aus dem Troxler-Gedenkjahr 2016 mit dem programmatischen Titel "Erbe als Auftrag". Nun liegt der zweite Band vor mit dem Titel "Mythos - Gemeinschaft - Staat. Ignaz Paul Vital Troxler, geistiger und politischer Erneuerer der Schweiz." Andreas Dollfus legt als verantwortlicher Herausgeber eine Anthologie mit sorgfältig ausgewählten Texten von Troxler vor, die eine Neuausgabe einer 2005 erstmals erschienenen und seit kurzem vergriffenen Schrift ist. Er leitet die Textsammlung ein und versieht die Troxler-Texte und -Reden immer wieder mit einem profunden Kommentar. So erhält der Leser einen guten Über- und Einblick in das äusserst vielfältige Wirken Troxlers.

Die Sammlung setzt mit einem autobiographischen Fragment Troxlers ein, das er im Jahre 1830 verfasste. Troxler selbst stammte aus einfachen Verhältnissen, wuchs in Beromünster (Kanton Luzern) auf und verlor früh den Vater. Schon mit neun Jahren besuchte er die Lateinschule im Chorherrenstift Beromünster, dann die Gymnasien in Solothurn und Luzern. Speziell war seine Beziehung zu einem Oheim im Kloster St. Urban, Pater Gregor, der den jungen Troxler nebst der Vermittlung eines soliden christlichen Fundamentes in die Literatur und die Philosophie einführte: "[...] und so ward dies Kloster für mich die erste Akademie". In Solothurn kam er in Kontakt mit der französischen Emigrantenwelt "und dies lenkte zumeist meine Aufmerksamkeit auf das grosse Ereignis der französischen Revolution und ihre Folgen für mein Vaterland. Ich fing an, das Allgemeine zu fühlen und selbst zu denken, ich las deutsche und französische Tagesblätter, meine Freiheitsliebe erwachte [...]." Das Thema der "Freiheit" war fortan für Troxler zentral und seine philosophischen, politischen und pädagogischen Gedanken kreisten immer wieder um diese wichtige Grundvoraussetzung eines würdigen menschlichen Lebens.

Neutralitätsgarantie für die freie Schweiz

In einem weiteren Text befasst sich Troxler mit der Neutralität der Schweiz. Er selbst reiste 1815 nach Wien und nahm als Privatmann am dortigen Kongress teil, um auf die Verhandlungen, bei denen es um die Neugestaltung der politischen Verhältnisse in Europa und der Schweiz ging, einzuwirken. Er betonte dabei die Bedeutung einer Neutralitätsgarantie für die Schweiz und dass diese die Freiheit der Schweiz bestätigen werde. Troxler weiter: "Ein von aussen unabhängiges und innerlich selbständiges Volk ist im besten Sinne neutral."

Weitere Texte, die Eingang in die Sammlung fanden, befassen sich mit der für den Aufbau und den Erhalt einer Demokratie fundamentalen Pressefreiheit sowie mit der Frage, worauf "das Wohl unseres Vaterlandes" beruhen soll, also mit den politischen und ethischen Grundvoraussetzungen eines demokratischen Staates, beispielsweise mit dem Text über die "Einheit im Geiste als wahre Naturkraft eines Volkes".

Die neue Bundesverfassung 1848 - "naturrechtlich und geschichtsmässig" fundiert

Troxler philosophierte nicht nur über die ethischen Grundlagen in Politik und Gesellschaft, sondern griff auch konkret in politische Debatten ein. Seit Beginn der Regeneration 1830 diskutierte man in der Schweiz über eine neue Staatsform und auch Troxler beteiligte sich daran. Die Schweiz war damals ein Staatenbund und besass als verfassungsmässige Grundlage lediglich einen Bundesvertrag. Dies genügte den damaligen Anforderungen in politischer und vor allem auch in wirtschaftlicher Hinsicht (beginnende Industrialisierung) nicht mehr. Dem Text "Die eine und wahre Eidgenossenschaft" fügte Troxler 1832 gleich noch einen Verfassungsentwurf bei, der die Schweiz als Bundesstaat vorsah: "Alle wahre Eidgenossenschaft ist ein Bundesstaat, und das war die ursprüngliche und blieb bis zu Zeit ihrer Auflösung. Sie war als Bundesstaat gebaut auf die Stellvertretung der Gesamtheit der Bürger als der Besonderheit der Orte." Besonders hervorzuheben ist hier, dass Troxler immer wieder die Anfänge der schweizerischen Eidgenossenschaft würdigte und betonte, dass wir uns an dieses Erbe erinnern müssten. Für ihn war nur so eine neue Bundesverfassung "naturrechtlich und geschichtsmässig" fundiert.

Entscheidend für die heute immer noch gültige Gestalt des Bundesstaates war dann Troxlers Schrift "Die Verfassung der Vereinigten Staaten Nordamerikas als Musterbild der schweizerischen Bundesreform", die ebenfalls Eingang in die Anthologie fand. Er publizierte diesen Text in einem epochalen historischen Moment, nämlich 1848, als eine Tagsatzungskommission nach dem Sonderbundskrieg über die neue schweizerische Verfassung diskutierte. Troxler gab der Kommission den entscheidenden Impuls zur Einführung eines Zweikammersystems (National- und Ständerat). Troxler wollte aber das System der USA nicht einfach kopieren, zumal er die geistige Urquelle dieses Modells in der Eidgenossenschaft sah: "Der Keim dieser Föderalrepublik [...] ist in unsern Bergen gesät und von Europa aus jenseits des Meeres mittels Pennsylvaniens in den grossen Weltteil übertragen, dort zur Frucht am Riesenbaume gereift. Es kommt uns also von dort nichts Neues [...]!" Troxler sah das Modell des Bundesstaates auch als wichtiges Versöhnungswerk an, damit das Schweizer Volk nach dem Sonderbundskrieg wieder zusammenwachsen könne als "ebenbürtige und gleichberechtigte Brüder".

Ein Troxler für die heutige Schweiz

Die Texte, ein Fundus sondergleichen, zeigen einen Troxler, der in vielerlei Hinsicht als geistiger und politischer Erneuerer der Schweiz gelten kann. Das Nachwort des Bandes stammt vom Juristen sowie langjährigen Chefredaktoren und Verleger der Schaffhauser Nachrichten Max U. Rapold und trägt den Titel "Not-wendig: ein Troxler für die heutige Schweiz". Damit stellte Rapold 2005, zum Zeitpunkt der Erstausgabe der Textsammlung, einen bedenkenswerten Gegenwartsbezug her. Darin heisst es: "Es sind sein (d.h. Troxlers, d.V.) spirituelles Fundament, sein Mut zur Gegenläufigkeit im Meinungsstreit, sein Widerstand gegen fade Kompromisse beim Suchen nach tragfähigen politischen Lösungen und seine tiefe Achtung vor dem ewig gültigen Gründungsimpuls der Eidgenossenschaft, die das aktuelle Ringen um die Zukunft unseres Landes zu inspirieren vermögen." Dieser Satz hat nichts an Aktualität eingebüsst und man wünscht sich dessen Realisierung nicht nur weiterhin für die Schweiz, sondern für jeden demokratisch begründeten Staat.

Pressekontakt:

Franz Lohri
Ignaz P.V. Troxler-Verein
Bergstrasse 14
4912 Aarwangen
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