Menschen mit chronischen Erkrankungen: Wenig Vertrauen in Selbstwirksamkeit und Vorsorge
Berlin (ots)
Neue Studienanalyse zum Thema Selbstwirksamkeit
Sich regelmäßig bewegen, ausgewogen ernähren - diese Gesundheitstipps sind vielen Menschen bekannt. Doch ein nicht geringer Teil zweifelt daran, diese Tipps dauerhaft umsetzen und damit den eigenen Gesundheitszustand beeinflussen zu können. Besonders deutlich wird das bei Menschen mit chronischen Erkrankungen. Das zeigt eine aktuelle Studienauswertung der Stiftung Gesundheitswissen.
Überall finden sich Tipps für ein gesünderes Leben - sei es im Internet, Fernsehen oder Radio, in der Apotheke oder in Arztpraxen. Aus diesem Angebot verlässliche Gesundheitsinformationen herauszufiltern, ist eine Herausforderung. Die Informationen dann auch in den Alltag zu integrieren, fällt vielen Menschen schwer. Ein Beispiel aus der aktuellen Analyse der Stiftung Gesundheitswissen zum Informations- und Gesundheitsverhalten von Menschen mit chronischen Erkrankungen: 72 Prozent der befragten chronisch Kranken geben an, dass eine gesundheitsbewusste Ernährung für die eigene Gesundheit wichtig sei. Doch nur 53 Prozent ernähren sich auch gesundheitsbewusst. Ganz ähnliche Ergebnisse hatte bereits der Gesundheitsbericht der Stiftung Gesundheitswissen aus dem Jahr 2020: 71 Prozent der Bevölkerung hielten eine gesunde Ernährung für wichtig. Aber nur 52 Prozent ernährten sich auch gesund.
Die Stiftung Gesundheitswissen hat ihre Erhebungen zum Gesundheitsverhalten der Menschen erweitert. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Demoskopie Allensbach wurde in einer Umfrage der Blick speziell auf die Situation chronisch Erkrankter gerichtet. Untersucht wurden unter anderem die Einschätzung der eigenen Einflussmöglichkeiten auf den Gesundheitszustand und das Vertrauen in Vorsorge. Das Ergebnis: Menschen mit chronischen Erkrankungen haben zwar eine klare Vorstellung, was einen gesunden Lebensstil ausmacht und sie fühlen sich auch insgesamt gut informiert. Aber nur 17 Prozent der Studienteilnehmenden glauben daran, mit ihrem Verhalten den eigenen Gesundheitszustand beeinflussen zu können. 29 Prozent der befragten chronisch Kranken sind sogar eher fatalistisch gestimmt und sehen für sich selbst keinerlei Einflussmöglichkeiten auf den Verlauf einer Erkrankung. Zu diesen Menschen zählen überdurchschnittlich Frauen, Erkrankte mit erheblichen Einschränkungen und chronisch Kranke, die von mehreren Krankheiten betroffen sind.
Die Kernaussagen der Studie auf einen Blick
- Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen bzw. dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen geben an, Probleme zu haben, ihre Krankheit und die Auswirkungen kontrollieren zu können (28 Prozent der Befragten).
- Menschen mit chronischen Erkrankungen schreiben sich selbst nur wenig Einflussmöglichkeiten auf den weiteren Verlauf der Erkrankung zu. 51 Prozent geben an, "etwas Einfluss" zu haben, 29 Prozent so gut wie keinen. Der Eindruck verstärkt sich mit dem Grad der Einschränkungen im Alltag: 52 Prozent der Menschen mit erheblichen Einschränkungen schätzen ihre Einflussmöglichkeiten als sehr gering ein.
- Die Mehrheit der Befragten mit einer chronischen Erkrankung ist zwar der Meinung, dass die Möglichkeit besteht, die Krankheit mit Vorsorgemaßnahmen zu verhindern oder zumindest die Krankheit und ihre Folgen abzuschwächen, aber je stärker sich die Menschen durch ihre Erkrankung eingeschränkt fühlen, desto mehr schwindet das Vertrauen in Präventionsmöglichkeiten (am Beispiel Diabetes ohne Einschränkungen: 68 Prozent, mit Einschränkungen: 46 Prozent).
- Die Vorstellungen der befragten chronisch Kranken, was ein gesundheitsorientiertes Leben ausmacht, sind recht konkret. Als besonders wichtig gelten der Verzicht auf Rauchen (87 Prozent), ausreichend Schlaf (85 Prozent), möglichst viel Bewegung (83 Prozent), die Kontrolle des eigenen Gewichts (77 Prozent), die regelmäßige Wahrnehmung von Vorsorgeuntersuchungen (77 Prozent), eine gesundheitsbewusste Ernährung (72 Prozent) und die Vermeidung von Stress (70 Prozent). Ähnliche Einschätzungen geben auch die befragten Menschen ohne chronische Erkrankungen an.
- Die Studienteilnehmenden setzen die genannten Gesundheitsmaximen jedoch unterschiedlich ausgeprägt um: Zum Beispiel geben 39 Prozent der nicht chronisch Kranken an, regelmäßig Vorsorgeuntersuchungen wahrzunehmen. Bei den chronisch Kranken sind es 67 Prozent.
Mehr über die Studienergebnisse können Sie hier nachlesen.
Grafiken zur Studie können Sie für die redaktionelle Berichterstattung mit Quellenverweis auf die Stiftung Gesundheitswissen verwenden. Die einzelnen Grafiken finden Sie hier zum Download: https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/infografik
"Obwohl die befragten Menschen mit chronischen Erkrankungen in unserer Analyse angegeben haben, gut über ihre Erkrankung und auch über generelle Gesundheitsmaximen wie nicht zu rauchen, sich regelmäßig zu bewegen, sich ausgewogen zu ernähren usw. Bescheid wissen, zweifeln sie an ihren eigenen Einflussmöglichkeiten auf die Gesundheit und auch an den Möglichkeiten der Prävention. Das finde ich besorgniserregend, denn das kann gravierende Auswirkungen für die Menschen selbst und auch die Gesellschaft im Ganzen haben", sagt Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Gesundheitswissen. "Aufgrund der immer älter werdenden Gesellschaft wird es künftig immer mehr Menschen mit chronischen Erkrankungen geben. Sie darin zu bestärken, ihren Gesundheitsstatus selbst so gut es geht positiv zu beeinflussen, ihnen eine angemessene Versorgung zu bieten und gleichzeitig präventiv chronische Krankheiten einzudämmen, gehören zu den zentralen Herausforderungen unseres Gesundheitssystems."
Hintergrund zur Untersuchung "Gesundheitsorientierung und Informationsverhalten chronisch Kranker"
Für den Gesundheitsbericht 2020 der Stiftung Gesundheitswissen wurde in 1255 mündlich-persönlichen Interviews die deutsche Bevölkerung über 16 Jahre zu wichtigen Gesundheitsthemen befragt. Die Daten wurden vom Institut für Demoskopie Allensbach als repräsentative Bevölkerungsumfrage erhoben. Die aktuelle Analyse "Gesundheitsorientierung und Informationsverhalten chronisch Kranker" stützt sich auf 521 Fälle. Ergänzend wurden Daten aus der Mediaforschung des Instituts hinzugezogen, um die Entwicklung des Informationsverhaltens in der älteren Generation zu dokumentieren, die einen großen Teil der chronisch Kranken ausmacht. Die Erhebung fand Ende 2019 statt.
Hintergrund: Zahlen und Fakten zu Menschen mit chronischen Erkrankungen
Vertiefende Umfrage zum Thema Selbstwirksamkeit gestartet
Können Gesundheitsinformationen dabei helfen, das Vertrauen in die Selbstwirksamkeit zu stärken? Dieser Frage will die Stiftung Gesundheitswissen in einer Befragung in Zusammenarbeit mit der BAG Selbsthilfe nachgehen. Denn Belastungen durch chronische Erkrankungen können dazu führen, dass viele gesundheitsfördernde Aktivitäten besonders anstrengend oder herausfordernd sind. Gute Gesundheitsinformationen sollten dabei helfen, mit diesen Herausforderungen umzugehen. Doch wie Information und das Vertrauen in die eigene Selbstwirksamkeit zusammenhängen, wurde bisher nicht erforscht. Daher hat die Stiftung Gesundheitswissen und die BAG Selbsthilfe mit einer Befragung zu diesem Thema begonnen. "Mit den Ergebnissen aus der Umfrage erhoffen wir uns wichtige Erkenntnisse für die Erstellung von Informationen für Menschen mit chronischen Erkrankungen, um sie so gestalten zu können, dass sie effektiv in den individuellen Lebensrealitäten umsetzbar sind", sagt Ralf Suhr.
Umfrage zu Selbstwirksamkeit und Gesundheitskompetenz
Wie müssen Gesundheitsinformationen konzipiert werden, damit sie nicht nur verlässliches Wissen bereitstellen, sondern auch helfen, das Wissen in den Alltag zu integrieren? Wir laden Sie herzlich dazu ein, an der Online-Umfrage der Stiftung Gesundheitswissen und der BAG Selbsthilfe teilzunehmen. Alle Daten werden anonym erhoben. Eine Beteiligung ist bis zum 31. Mai 2022 möglich.
- Zur Befragung: https://umfrage.lamapoll.de/selbstwirksam
- Passwort: selbstwirksam2022
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