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Eidg. Volkswirtschaftsdepartement (EVD)

EVD: Auch ich bin ein Aargauer ...

Bern (ots)

Sperrfrist 26.04.2003/12:00 Es gilt das gesprochene
Wort !
Ansprache von Bundesrat Joseph Deiss, 
Vorsteher des Eidg. Volkswirtschaftsdepartements, 
anlasslich des 
Festaktes zum Kantonsjubilaum 2003 in Aarau 
Aarau, 26. April 2003
Sehr geehrte Damen und Herren Napoleon Bonaparte, für den Aargau 
letzte Amtsperson welscher Zunge im Aargau, befahl: „Ich will einen 
starken Kanton Aargau!“ Und es entstand aus dem schwachen 
helvetischen Kanton Aargau ein starker eidgenössischer Kanton 
Aargau: Am 19. Februar 1803. Obwohl auch als amtlicher Romand, komme 
ich heute nicht nach Aarau, um anzuordnen. Im Namen des 
Gesamtbundesrates möchte ich vielmehr gratulieren; zum 200jährigen 
Geburtstag, anken; für die im Aargau von Aargauerinnen und Aargauern 
geleistete Arbeit für die Eidgenossenschaft, und Glück wünschen für 
die Zukunft. - Als Mitglied der Landesregierung und als 
Wirtschaftsminister blicke ich nicht ohne Stolz auf das gelungene 
Aargauer Staatswerk, auf eine blühende Volkswirtschaft und auf 
vergleichsweise gesunde Staatsfi nanzen. Stolz auch deshalb, weil 
meine Vorfahren aus eben diesem Kanton stammen. Deshalb auch mein 
ganz besonderer Dank für die liebenswürdige Einladung. Die Deiss 
sind ein uraltes Fricktalergeschlecht. Deiss gibt es schon vor dem 
Jahre 1800 in der Gemeinde Zeihen. Das Haus meiner Urgrosseltern 
steht noch heute am Bach. Mein Grossvater Franz Josef wanderte 1904 
in den Kanton Freiburg aus. Und noch heute ist einer der Deiss’ 
Präsident der Finanzkommission. Aber mit dem Aargau fühle ich mich 
nicht allein wegen meiner Zeihener-Wurzeln verbunden. Die letzte 
ausserordentliche Tagsatzung der alten Eidgenossenschaft fand in 
Aarau statt. Das erste Bundeshaus war in der Villa Schlossgarten im 
späteren Tschamper- Haus an der Laurenzenvorstadt in Aarau 
untergebracht. Und der erste Landammann der Schweiz war der 
Freiburger Louis d’Affry. Sie sehen: Es gibt viele Verbindungen 
zwischen Deiss und Aargau und zwischen Aargau und Freiburg.
Der Aargau darf sich seiner Leistungen stolz bewusst sein. Die 
Aargauerinnen und Aargauer haben viel getan, in den letzten 200 
Jahren; nicht nur innerhalb der kantonalen Gemarkungen, sondern für 
die ganze Schweiz. Nicht umsonst galt der Kanton aus dem 
„Vier-Strom-Land“ Aare, Reuss, Limmat und – als Fricktaler verzeihen 
Sie mir dies – natürlich auch der Rhein als helvetischer 
Musterkanton – als eidgenössischer Musterknabe geradezu. So wie der 
Aargau an den Abstimmungswochenendende stimmte, so stimmte das ganze 
Land. Das war über Jahrzehnte mehr als nur ein gefl ügeltes Wort. 
Und ein Rundblick über die Täler und Seen, über Volk, Parteien und 
Siedlungen zeigt auch weshalb: Der Aargau war und ist auch heute 
noch eine Art „Suisse Miniature“. Das, was die Schweiz ausmacht, das 
Nebeneinander von Kulturen und Sprachen, lebt uns der Aargau seit 
zwei Jahrhunderten vor. Als Stand aus den vier historischen 
Landschaften Berner Aargau, Freiamt, Baden und Fricktal und ohne 
grosse Stadt wird hier mehr als in anderen Kantonen dem regionalen 
Ausgleich unter Berücksichtigung der verschiedenen Interessen 
nachgelebt. Im Aargau haben es alle – Bürgerinnen und Bürger, 
Politikerinnen und Politiker – verstanden, die Regionen und Bezirke, 
die grösseren und kleineren, die wirtschaftlich stärkeren und 
schwächeren, die städtischen und die ländlichen die katholischen und 
die protestantischen zu einem Miteinander zu verschweissen. Ob 
Fricktaler, Freiämter, Seetaler, Wynentaler, Suhrentaler oder 
Uerktaler, ob Badener, Zofinger oder Aarauer: Alle sind Aargauer!
Kraft, Eigenständigkeit und der Respekt vor dem Anderen haben dazu 
beigetragen, dass 232 Gemeinden und über 530‘000 Einwohner in 
Geborgenheit und Harmonie zusammen leben können. 4 Die Aargauer 
Jubiläumsbotschaft ist für mich Sinnbild und gleichzeitig auch 
Aufforderung für die Eidgenossenschaft. Aus direktem Erleben an der 
Sprachgrenze weiss ich, was „verbinden“ bedeutet. Verbinden über die 
Unterschiede hinweg; verbinden der deutschen und französischen 
Kultur. Und so wie der Aargau verbindet, so soll auch die Schweiz 
verbinden. Der kleine, „aussenpolitische“ Grenzverkehr über den 
Rhein soll Ansporn für andere sein. Am freundnachbarlichen 
Zusammenleben und Zusammenarbeiten mit Baden-Würtemberg im 
infrastrukturellen Bereich können sich andere Kantone, kann sich die 
ganze Schweiz ein Beispiel nehmen. Die Willensnation Schweiz lebt 
innerhalb ihrer Grenzen von dieser Grundidee. Denn ohne 
gegenseitiges Verständnis gäbe es diese Verbindungen zwischen 
Genfersee und Bodensee, zwischen Rhein und Chiasso nicht. Und ohne 
die Bereitschaft, immer wieder an diesen Verbindungen zu knüpfen, 
würde die Schweiz nicht überleben. Weder politisch noch 
wirtschaftlich. Die Aargauer „Verbindungen“ können auch beispielhaft 
für die Schweiz sein. Um in Europa, in der Welt nicht abseits zu 
stehen, müssen wir uns verbinden. Und so wie die Aargauer sich 
punktuell und sachorientiert mit ihren Nachbarn dies- und jenseits 
der Landesgrenzen verbinden, so versucht auch der Bundesrat, 
Verbindungen mit der Welt zu knüpfen. Mit Europa mit den bilateralen 
Verträgen I und II. Mit der Welt mit dem UNO-Beitritt oder mit der 
Übernahme des Regelwerkes der Welthandelsorganisation (WTO). Nicht 
die grosse, alles umschliessende Integration, sondern die 
Punkt-Punkt- Verbindungen haben den Aargau zu dem gemacht, was er 
heute ist. Damit ist der Beweis erbracht: Mit einer solchen Politik 
der kleinen, jedes Mal neu abgesicherten Schritte kommt man weiter. 
Das mag auf den ersten Blick zwar ein mühseliges und wenig Applaus 
verheischendes Unterfangen sein. Der Aargau, und ich versichere 
Ihnen, auch der Bundesrat, suchen nicht den grossen Wurf und sind 
mit der Politik der kleinen Schritte auf Erfolgskurs. Wir alle sind 
uns bewusst: Langfristig führt nur diese solide Politik sicher ans 
Ziel. 5 Der Bundesstaat Schweiz kann sich auch am Aargauer 
Jubiläumsziel orientieren.
„Als Ganzes wahrnehmen!“
So wie wir heute den Kanton Aargau als Ganzes wahrnehmen, so sollen 
wir uns auch bemühen, die Eidgenossenschaft als Ganzes wahrzunehmen.
  • Nicht die Grossagglomerationen allein prägen die Schweiz; sondern viel stärker die tief im Alpenkamm und Jurazug verwurzelte Schweiz.
  • Nicht die Grossunternehmen allein sorgen für Wohlstand; ohne die Kleinen und Mittleren Unternehmen wäre keine Volkswirtschaft auszumachen.
  • Nicht der tertiäre Sektor der modernen Dienstleister allein schafft Wachstum; ohne die wirtschaftliche Basis von Industrie und Landwirtschaft kein Fortschritt.
Wir alle: Schweizer, Aargauer und Zeihener kommen dann weiter, wenn 
wir unsere Details pfl egen und dabei den Blick aufs Ganze nicht 
verlieren. Mit Blick auf das ganze Aargauer Fest und dem Verweilen 
bei den verbindenden Details wünsche ich Ihnen allen ein schönes, 
fröhliches und verbindendes Jubiläumsfest.

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