BFS: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Schweiz 2001 Wachstumsverlangsamung 2001 deutlicher als erwartet
Neuchâtel (ots)
Nach ersten Schätzungen des Bundesamtes für Statistik (BFS) hat sich das Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) sowohl zu laufenden Preisen als auch zu Preisen von 1990 stärker verlangsamt als erwartet. Das mässige Wachstum ist hauptsächlich auf zwei Faktoren zurückzuführen: Nachdem die Finanzinstitute im Jahr 2000 ausserordentliche Ergebnisse erzielt hatten, wurden sie danach wieder von der Realität eingeholt, zudem entwickelten sich die Investitionen negativ. Das BIP zu laufenden Preisen nahm 2001 gegenüber dem Vorjahr um 2,3% auf 415 Milliarden Franken zu. Die mässige Erhöhung des allgemeinen Preisniveaus (+1,4%) hatte zur Folge, dass das BIP zu konstanten Preisen um 0,9% wuchs und sich auf 349 Milliarden Franken belief. 2000 hatte das Plus 3,2% zu konstanten Preisen betragen.
Die ersten Schätzungen des BIP basieren auf den verschiedenen Verwendungsarten sowie auf der Entwicklung der Wertschöpfungsentstehung der verschiedenen Sektoren (produktionsbasierter Ansatz).
Unterschiedliche Entwicklungen im Dienstleistungssektor
Die Finanzinstitute (Nationalbank, sonstige Banken, Kreditinstitute, Börsen usw.) spielten 2001 eine nicht unbedeutende Rolle für die Konjunkturentwicklung. Ihre Aktivitäten litten unter den Turbulenzen an den Börsen, was sich in einem Einbruch bei den Bankkommissionen (Courtage- und Depotgebühren, Emissionsgeschäft usw.) äusserte. Ohne den Rückgang in diesem Sektor hätte das BIP deutlicher zugenommen. Der Abwärtstrend auf den Finanzmärkten neutralisierte zum Teil wieder die positiven Ergebnisse des Sektors aus den letzten Jahren, d.h. die Finanzinstitute verloren wieder einen Teil des Gewichts, das sie wegen der starken Expansion im Finanzbereich der letzten Zeit hinzugewonnen hatten. Ihr prozentualer Anteil am BIP fiel auf den Stand der Periode 1998-1999 zurück.
Der Sektor der Versicherungsunternehmen sah sich 2001 mit einer schwierigen Situation konfrontiert, hatte doch der schlechte Börsengang auch Auswirkungen auf das Lebensversicherungsgeschäft. Die betroffenen Unternehmen verzeichneten tiefere Börseneinnahmen und einen markanten Einbruch bei den Depotgebühren. Im Schadensbereich - er ist dem Börsengeschehen weniger stark ausgesetzt - ist zudem der Markt gesättigt. Dank Prämienanpassungen und Kostenreduktionen vermochte diese Branche jedoch die Talfahrt ihrer Ergebnisse teilweise zu bremsen. Insgesamt reduzierte sich die Wertschöpfung zu konstanten Preisen auf Grund der Schmälerung der Margen deutlich.
Demgegenüber setzte sich der Aufwärtstrend bei den nichtfinanziellen Unternehmungen (Produktion von Waren und marktbestimmten nichtfinanziellen Dienstleistungen) fort, was sich in einer deutlichen Steigerung ihrer Wertschöpfung zu konstanten Preisen äusserte. Im Jahr 2000 war bereits ein ähnliches Plus erzielt worden. Diese erfreuliche Entwicklung ging hauptsächlich von den Dienstleistungsbranchen aus. So konnten der Gross- und der Einzelhandel (ausgenommen die Luftfahrt), das Immobilienwesen sowie die Fernmeldedienste mit positiven Ergebnissen aufwarten. Die Warenproduzenten hingegen bekamen die Konjunkturflaute voll zu spüren. Die Maschinenindustrie verzeichnete tiefere Ausrüstungsinvestitionen, und die Hersteller von Textilien und Bekleidung mussten einer Erosion ihrer Margen zusehen. Einzig in der chemischen Industrie hielt der Schwung aus dem Jahr 2000 insbesondere dank der pharmazeutischen Produkte an.
Die nicht marktbestimmten Sektoren (öffentliche Haushalte und Sozialversicherungen) entwickelten sich unterschiedlich. Die öffentlichen Haushalte (Bund, Kantone, Gemeinden) notierten insbesondere im Personalbereich Kostensteigerungen. Nach mehreren Jahren restriktiver Lohnpolitik stiegen die Löhne vor allem auf Kantonsebene an. Dadurch erfuhr die Wertschöpfung des Sektors einen Wachstumsschub sowohl zu laufenden Preisen als auch zu Preisen von 1990. Die Wertschöpfung der Sozialversicherungen hingegen schwächte sich sowohl zu laufenden als auch zu konstanten Preisen merklich ab. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit und die sich daraus ergebende Reorganisation der regionalen Arbeitsvermittlungszentren sowie die Umstrukturierungen bei den Krankenkassen (Transfer gewisser Zusatzversicherungszweige zu den Schadensversicherungen) bewirkten eine Senkung der Personalkosten.
Inlandnachfrage verschiedenen Einflüssen ausgesetzt
Die zwei Komponenten der Inlandnachfrage : der letzte Verbrauch und die Bruttoanlageinvestitionen - entwickelten sich 2001 unterschiedlich. Der letzte Verbrauch der privaten Haushalte und der privaten Organisationen ohne Erwerbscharakter (POoE) im Inland, der mehr als 60% des BIP ausmacht, erhöhte sich um 2,9% zu laufenden Preisen. Dies entspricht einer leichten Wachstumsverlangsamung gegenüber dem Vorjahr (+3,4%). Zu Preisen von 1990 betrug die Steigerung 1,8% (Jahr 2000: +2,2%). Die Bruttoanlageinvestitionen verzeichneten auf Grund einer Tendenzumkehr bei den Ausrüstungsinvestitionen und eines erneuten Einbruchs im Bausektor eine markante Baisse um 5,2%.
Letzter Verbrauch der privaten Haushalte als hauptsächliche Wachstumsstütze
2001 setzte der letzte Verbrauch der gebietsansässigen privaten Haushalte und POoE seinen Weg nach oben fort, indem er sich um 3% zu laufenden Preisen und um 1,8% zu konstanten Preisen steigerte. Obwohl zu befürchten war, dass sich die weltweite Konjunkturverlangsamung und die Attentate vom 11. September negativ auf das Konsumklima in der Schweiz auswirken würden, gab der letzte Verbrauch der Gebietsansässigen zu Preisen von 1990 nur geringfügig nach.
Bei genauer Betrachtung der Konsumfunktionen zeigt sich jedoch, dass die privaten Haushalte ihre Ausgaben für Gebrauchsgüter wie Möbel, Radios, Computer oder Software sowie für gewisse persönliche Ausstattungen oder auch für Finanzdienstleistungen gedrosselt haben. So bekamen die Funktionen «Möbel, Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände, laufende Haushaltsführung», «Unterhaltung, Erholung, Bildung, Kultur» sowie «sonstige Waren und Dienstleistungen» die ersten Anzeichen eines Vertrauensschwunds der Konsumentinnen und Konsumenten zu spüren. Demgegenüber wartete die Funktion «Gesundheitspflege» mit einem starken Plus zu konstanten Preisen auf, was die Kostensteigerungen im Gesundheitswesen bestätigt.
Einbruch bei den Investitionen
Nach dem Ausnahmejahr 2000 ging es mit den Ergebnissen beider Komponenten der Bruttoanlageinvestitionen (BAI) - den Ausrüstungs- und den Bauinvestitionen - wieder bergab: Die BAI schrumpften um 3,6% zu laufenden Preisen und um 5,2% zu konstanten Preisen.
Nach einem klaren Wiederaufschwung im Jahr 2000 schwächte sich das Wachstum der Bauinvestitionen gemäss den provisorischen Daten der «Schweizerischen Bau- und Wohnbaustatistik» deutlich ab (vgl. Kasten). Auf Grund einer merklichen Steigerung des allgemeinen Preisniveaus (+3,2%) gaben sie um 1,8% zu laufenden Preisen und um 4,8% zu konstanten Preisen nach. Die Investitionen im Hochbau stagnierten zu laufenden Preisen, während sie zu konstanten Preisen um rund 3% einbrachen. Die Abschwächung machte sich hauptsächlich bei den Wohngebäuden als Folge der allgemeinen Konjunkturverlangsamung bemerkbar. Noch härter traf es den Tiefbau, der einen Rückgang um 7,8% zu laufenden Preisen und um 11% zu konstanten Preisen zu verkraften hatte. Diese ungünstigen Ergebnisse sind in erster Linie auf eine Verringerung der Aktivitäten der öffentlichen Auftraggeber (ausser Bund) im Bereich der Verkehrs- und Telekommunikationseinrichtungen zurückzuführen. Diese ergab sich aus dem Abschluss oder der Verschiebung von Projekten.
Nach mehreren Jahren aussergewöhnlicher Prosperität erlitten die Ausrüstungsinvestitionen 2001 einen deutlichen Einbruch von 5,2% zu laufenden Preisen und von 5,5% zu konstanten Preisen. Dieser Rückgang tangierte insbesondere die Einfuhr von Ausrüstungsgütern, die sich seit Anfang 2001 immer mehr abschwächte. Der Abwärtstrend beschleunigte sich besonders im dritten Quartal, als die Wachstumsraten im August erstmals die Schwelle zum negativen Bereich überschritten und sich von da an bis Ende Jahr immer mehr verschlechterten. Sämtliche Untergruppen von Ausrüstungsgütern waren von dieser Entwicklung betroffen; dabei traf es die Kommunikationseinrichtungen (welche die Kehrseite des starken Wachstums der letzten Jahre zu spüren bekamen), die Bürogeräte sowie insbesondere die Flugzeuge am stärksten. Der Einbruch bei den Flugzeugen ist auf den Konkurs von Swissair zurückzuführen. Der einzige Lichtblick in diesem düsteren Bild sind die Käufe von Nutzfahrzeugen, die zulegten.
Schrumpfung des Aussenbeitrags
Nach dem Rekordstand von 2000 gilt es, die Situation 2001 in einem radikal veränderten wirtschaftlichen Umfeld zu betrachten. Parallel zur Abkühlung der amerikanischen Wirtschaft erlebten weltweit alle wichtigen Regionen eine starke Rezession. Dies führte zum stärksten Einbruch des Warenhandels seit der zweiten Ölkrise zu Beginn der 80er-Jahre. Die Attentate vom 11. September, die Stärke des Schweizer Frankens sowie die Krisen auf den Finanzmärkten belasteten ebenfalls den Austausch von Dienstleistungen. Vor diesem Hintergrund erstaunt der Rückgang des Aussenbeitrags zu laufenden und zu konstanten Preisen nicht. Die Entwicklung wurde durch umfangreiche konjunkturunabhängige Einfuhren (Wertobjekte, insbesondere Platin und Palladium) noch verstärkt.
Unter Ausklammerung der Wertsachen zeigt die Handelsbilanz eine klare Verbesserung. Zu laufenden Preisen löste ein Überschuss von 1,6 Milliarden Franken das Defizit von 2 Milliarden des Vorjahres ab. Die Ausfuhren verstärkten sich deutlicher als die Einfuhren, jedoch fielen die Veränderungsraten geringer aus als im Vorjahr. Die Sparten Flugzeuge (-1,3 Mia.), Telekommunikationsgeräte (inkl. Mobiltelefone), Software und Datenverarbeitungseinrichtungen sind hauptsächlich für die gedämpfte Entwicklung der Einfuhren verantwortlich. Angesichts des weltweiten Konjunkturabschwungs muss die Entwicklung der Ausfuhren als gut bezeichnet werden. Dies gilt jedoch nur für eine beschränkte Auswahl von Branchen, allen voran die chemische Industrie. Unter Einbezug des Wertsachenhandels ergibt sich eine negative Ausfuhrbilanz.
Der traditionelle Überschuss der Dienstleistungsbilanz ist 2001 deutlich geschmolzen, nachdem er sich in den zwei Vorjahren noch kräftig vergrössert hatte. Die Verschlechterung der Exportlage machte sich an breiter Front bemerkbar, was als Folge der Konjunkturverlangsamung sowie der Attentate in den USA zu werten ist. Hingewiesen sei insbesondere auf den markanten Einbruch bei der Fremdenverkehrsbilanz sowie bei den Bankkommissionen gebietsfremder Unternehmen, der deutliche makroökonomische Auswirkungen zeitigte. Normalerweise vermag der Überschuss der Dienstleistungsbilanz die Handelsbilanz auszugleichen. 2001 trat nun jedoch der Sonderfall ein, dass sich die Saldi beider Bilanzen verschlechterten.
BUNDESAMT FÜR STATISTIK Informationsdienst
Auskunft: Ruth Meier, BFS, Sektion Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Tel.: 032/713 60 76 Philippe Stauffer, BFS, Sektion Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Tel.: 032/713 60 75 Weiterführende Informationen finden Sie auf der Homepage des BFS: http://www.statistik.admin.ch
02.09.02