Das schweizerische Bildungssystem im europäischen Vergleich
(ots)Das schweizerische Bildungssystem im europäischen Vergleich
Die Schweiz ist gut klassiert, steht aber nicht auf dem Podest
Bei den Schlüsselthemen rund um Bildung und Ausbildung hält die Schweiz einem Vergleich mit der Europäischen Union gut stand, gehört aber nicht zu den Klassenbesten. Sie kann sich zwar rühmen, zu den Ländern mit dem geringsten Anteil Jugendlicher, die vorzeitig die Schule oder Ausbildung abbrechen, zu gehören, bildet aber das Schlusslicht in Sachen Frauenanteil in naturwissenschaftlichen und technischen Studiengängen auf der Tertiärstufe. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des Bundesamts für Statistik, in der das schweizerische Bildungssystem anhand ausgewählter Indikatoren im europäischen Kontext positioniert wird. Im März 2000 hat die Europäische Union (EU) die Lissabon-Strategie verabschiedet, die darauf abzielt, die Qualität und die Leistung der Bildungssysteme ihrer Mitglieder zu verbessern. Zu diesem Zweck hat sie mehrere Teilziele definiert, darunter fünf Durchschnittsbezugswerte (Benchmarks), die bis ins Jahr 2010 erreicht werden sollen. Die Fortschritte werden anhand von regelmässig publizierten Indikatoren gemessen. Veröffentlicht werden jeweils Werte für alle EU-Mitgliedstaaten, Mitglieder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) sowie für Japan und die Vereinigten Staaten. Das BFS stellt seinerseits eine Studie vor, die die Schweiz in der neuen europäischen Landschaft positioniert. Wenig vorzeitige Schulabgänge in der Schweiz Der Kampf gegen schulischen Misserfolg ist in der EU ein vorrangiges Ziel. Junge Menschen, die vorzeitig aus einer Schule der Sekundarstufe II, einer Berufslehre oder irgendeiner anderen Form der der nachobligatorischen Bildung aussteigen, stellen eine Risikogruppe dar. Die Zeit, die sie die Schulbank gedrückt haben, kann sich als ungenügend herausstellen, um sie mit dem notwendigen Wissen und Können für den Erfolg in einer Wissensgesellschaft auszurüsten. Im Jahr 2004 verfügten fast 15,9 Prozent der jungen Europäer/innen zwischen 18 und 24 Jahren über keine nachobligatorische (Aus)bildung und nahmen an keinen Bildungsaktivitäten teil. Diese jungen Menschen laufen Gefahr, an den Rand der Wissensgesellschaft gedrängt zu werden. Um ihre Zahl bis 2010 auf die von der EU festgelegten 10 Prozent hinunterzubringen, sind grosse Anstrengungen erforderlich. In der Schweiz ist die Lage in dieser Hinsicht weit erfreulicher: Mit lediglich 8,1 Prozent vorzeitiger Schulabgänger hat sie den europäischen Zielwert bereits übertroffen und ist nahe an den drei europäischen Klassenbesten Polen (5,7%), Republik Tschechien (6,1%) und Slowakei (7,1%). Immer noch 17 Prozent erwerben die Schlüsselkompetenzen im Lesen nicht Jugendliche, die die traditionellen Grundkompetenzen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften nur schlecht und recht oder gar nicht beherrschen, werden aller Wahrscheinlichkeit nach Schwierigkeiten haben, sich weiterzubilden, sich im Erwerbsleben zu integrieren und sich grundsätzlich in der Wissensgesellschaft zu entfalten. Sie sind deshalb die Sorgenkinder der Europäischen Union, die sich zum Ziel gesetzt hat, ihren Anteil bis ins Jahr 2010 auf 15,5 Prozent zu senken. Kein leichtes Unterfangen für die EU: Noch im Jahr 2003 erreichten 19,8 Prozent der Jugendlichen nicht einmal das unterste Niveau der geforderten Lesekompetenzen. Mit 16,7 Prozent liegt der Schweizer Vergleichswert unter dem EU-Durchschnitt und ist der europäischen Benchmark dicht auf den Fersen, aber die Schweiz muss sich noch sehr sputen, um den Anschluss an das Spitzentrio zu finden: Finnland (5,7%), Irland (11,0%) und die Niederlande (11,5%). Gute Noten für die Schweiz im nachobligatorischen Bereich (Sekundarstufe II) Der Abschluss einer Ausbildung auf der Sekundarstufe II ist von entscheidender Bedeutung, nicht nur für einen erfolgreichen Eintritt in den Arbeitsmarkt, sondern auch im Hinblick auf den Zugang zu Bildung und Ausbildung auf der Tertiärstufe. 2004 lag der Anteil junger Erwachsener zwischen 20 und 24 Jahren mit einer abgeschlossenen Ausbildung auf der Sekundarstufe II in der EU bei 76,4 Prozent - weit entfernt von den 85 Prozent, die sie sich bis 2010 zum Ziel gesetzt hat. Die Schweiz schneidet mit 83 Prozent sicher besser ab als die EU, aber die Tatsache, dass dieser Prozentsatz seit 1996 unverändert geblieben ist, lässt kaum erwarten, dass sie die europäische Benchmark noch vor Ende dieses Jahrzehnts überflügeln wird. Zudem: Auch wenn sie im Vergleich mit den unmittelbaren Nachbarländern gut dasteht wenn sie mit den drei europäischen Musterschülern Slowakei (91,3%), Republik Tschechien (90,9%) und Slowenien (89,7%) gleichziehen will, muss die Schweiz sich noch mehr anstrengen. Zu wenige Frauen in den naturwissenschaftlichen und technischen Bildungsgängen Im Jahr 2001 unterstrich die Europäische Union die Notwendigkeit, die Jugendlichen zur Aufnahme eines naturwissenschaftlichen oder technischen Studiums zu ermutigen. Neben dem Ziel, die Gesamtzahl der erteilten Diplome bis 2010 um 15 Prozent für alle Mitgliedländer der EU zu erhöhen, misst die EU der Verringerung des Ungleichgewichtes zwischen männlichen und weiblichen Diplomierten ebenfalls grosse Bedeutung bei. In der Schweiz ist dieses Ungleichgewicht besonders gross: Mit weniger als 15 Prozent diplomierten Frauen in den naturwissenschaftlichen und technischen Bildungsgängen landet die Schweiz knapp auf dem vorletzten Rang, gerade noch vor Japan. Die Frauenquote ist somit in der Schweiz gerade halb so hoch wie im Europa der 25 (knapp über 30%). Hohe Beteiligung der Erwachsenen am lebenslangen Lernen In einer auf Wissen gegründeten Gesellschaft müssen die Individuen ihre Kompetenzen und Qualifikationen laufend auf den neuesten Stand bringen. Im Jahr 2004 nahm eine/r von fünf erwachsenen Schweizer/innen (25- bis 64-Jährige) an Bildungsaktivitäten teil. Mit diesem Resultat belegt die Schweiz den Spitzenplatz unter den besten europäischen Leistungen und lässt die europäische Zielsetzung für 2010 (12,5%) weit hinter sich. Diese schmeichelhafte Feststellung darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Resultat vor allem auf das Konto der sehr gut Qualifizierten geht, die in weit höherem Mass Bildungsangebote nutzen als weniger gut Qualifizierte.
Allgemeine und berufliche Bildung 2010 (Lissabon-Strategie)
Im März 2000 hat der Europäische Rat in Lissabon zum Ziel gesetzt, die Europäische Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem grösseren sozialen Zusammenhalt zu erzielen. Als Beitrag zur Erreichung dieses Ziels haben die Bildungsminister der Europäischen Union im Februar 2001 folgende drei konkreten strategischen Zielsetzungen im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung für 2010 vereinbart: 1. höhere Qualität und verbesserte Wirksamkeit der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung in der Europäischen Union, 2. leichterer Zugang zu den Systemen der allgemeinen und beruflichen Bildung für alle, 3. Öffnung der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung gegenüber der Welt.
Im Rahmen der Überprüfung dieser übergeordneten Zielsetzungen wurden fünf konkrete Zielwerte definiert, die als zu erreichende Benchmarks (Durchschnittsbezugswerte) quantifiziert worden sind: 1. Bis 2010 sollte ein EU-Durchschnittswert von höchstens 10 Prozent frühzeitiger Schulabgänger erreicht werden; 2. Die Gesamtzahl der Absolventen des tertiären Bereichs in Mathematik, Naturwissenschaften und Technik sollte in der Europäischen Union bis 2010 um mindestens 15 Prozent steigen, wobei gleichzeitig das Geschlechterungleichgewicht abnehmen sollte; 3. Bis 2010 sollten mindestens 85 Prozent der 22-Jährigen in der Europäischen Union die Sekundarstufe II abgeschlossen haben; 4. Bis 2010 sollte der Anteil der 15-Jährigen in der Europäischen Union, die im Bereich der Lesekompetenz schlechte Leistungen erzielen, im Vergleich zu 2000 um mindestens 20 Prozent gesunken sein; 4. Bis 2010 sollte der EU-Durchschnitt der Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter (Altersgruppe 2564 Jahre), die sich am lebenslangen Lernen beteiligen, mindestens 12,5 Prozent betragen.
Die Publikation Das schweizerische Bildungssystem im europäischen Vergleich: ausgewählte Indikatoren des Bundesamtes für Statistik stützt sich in Bezug auf die Themen und die erfassten Indikatoren auf den Bericht der Europäischen Kommission Progress Towards the Lisbon Objectives in Education and Training. 2005Report, der unter http://europa.eu.int/comm/education/policies/2010/doc/progressreport0 5.pdf eingesehen werden kann. Zahlreiche weiteren Informationen zum Programm Bildung und Ausbildung 2010 können auf der Website der europäischen Kommission eingesehen werden unter: http://europa.eu.int/comm/education/index_de.html
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