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Fürstentum Liechtenstein

Wirtschaftsinteressen oder Menschenrechte?

Vaduz (ots)

Botschafter Josef Wolf berichtete auf dem Forum Alpbach über die
Arbeit des Europarats in Fragen der Biomedizin
Das diesjährige Europäische Forum Alpbach fand vom
26. bis 27. August in Alpbach in Tirol statt und war neben der
politischen Diskussion über die Vision eines künftigen Europas, an
der (wie bereits berichtet) Regierungschef Otmar Hasler zusammen mit
dem deutschen Altbundeskanzler Kohl und den Aussenministern von
Belgien, Oesterreich, Polen und Slowenien teilgenommen hatte, der
europäischen Gesundheitspolitik gewidmet. Das Thema lautete
"Menschenbild und Menschenwürde in der medizinischen Forschung". Es
ging zum Beispiel um die Tendenzen in Europa hinsichtlich der
Forschung an Embryonen und die Perspektiven der Bioethik.
In seiner Eigenschaft als derzeitiger Vorsitzender des
Ministerkomitees des Europarats (auf Botschafterebene) berichtete
Liechtensteins Botschafter Josef Wolf über die bahnbrechende Arbeit
des Europarats auf dem Gebiet der Bioethik.
Er unterstrich eingangs, dass Wirtschaftsinteressen und Schutz der
Menschenrechte im Bereich der neuen biomedizinischen Entwicklungen
einander nicht ausschliessen müssten, aber die Biomedizin nicht
ausschliesslich wirtschaftlichen Zielen untergeordnet werden dürfe.
Das vereinte Europa dürfe nicht lediglich als vergrösserter
Binnenmarkt und der Bürger nur als Verbraucher gesehen werden.
Fortschritte der biomedizinischen Forschung im Hinblick auf die
Heilung gewisser Krankheiten seien zu begrüssen, doch setze die
Menschenwürde dem, was technisch machbar und finanzierbar sei,
Grenzen. Das gelte auch dann, wenn Wissenschaftler und Politiker
befürchteten, in Rückstand zu geraten und vom Ausland, besonders den
USA, abhängig zu werden, wenn gewisse Forschungen im eigenen Lande
beschränkt oder verboten seien.
Botschafter Wolf erläuterte, dass der Europarat in der Biomedizin
ein Diskussionsforum bilde, die Grundwerte Europas, d.h. die
Menschenwürde und die Menschenrechte, verteidige und Regeln für einen
Interessenausgleich zwischen Ethik, Wissenschaft und Wirtschaft
entwickle.
Er beschrieb kurz die wichtigsten Europaratsarbeiten:
1. Das Uebereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin (weltweit
das einzige rechtlich bindende Abkommen auf diesem Gebiet) Seine
Grundregeln sind: Der Mensch hat Vorrang vor den Interessen der
Wirtschaft und Gesellschaft. Jede biomedizinische Behandlung oder
Forschung bedarf der Einwilligung des Betroffenen. Jeder kann
Informationen über seine Gesundheit einsehen und Weitergabe solcher
Informationen untersagen. Embryos dürfen nicht zu Forschungszwecken
hergestellt werden.
2. Das Zusatzprotokoll über das Verbot des Klonens menschlicher
Wesen  (in Kraft) Klonen einzelner Zellen und Gewebe bleibt
gestattet.
3. Das Zusatzprotokoll (Entwurf) über Organverpflanzung Der Zweck
ist: Förderung der Organ- und Gewebespende und europäische
Zusammenarbeit, u.a. auch beim Schutz gegen Missbrauch.
4. Das Zusatzprotokoll (Entwurf) über biomedizinische Forschung Es
sieht die Evaluierung von Forschungsvorhaben durch Ethikausschüsse
und Erfordernis der Zustimmung der Betroffenen aufgrund ausreichender
Information vor.
5. Das Zusatzprotokoll (Entwurf) über menschliche Genetik Es
verbietet genetische Tests zum Zweck der Selektion oder
Diskriminierung; Eingriffe zur Veränderung von Erbanlagen dürfen nur
zu präventiven, diagnostischen und therapeutischen Zwecken erfolgen..
6. Das Zusatzprotokoll (Entwurf) zum Schutz des Embryos und Fötus
Es verbietet, Embryos zu teilen. Ob auch die Stammzellenforschung
geregelt werden soll, wird noch geprüft.
7. Die Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung von 1999 über
die Rechte unheilbar Kranker und Sterbender  (Recht auf Sterben in
Würde)
An künftigen Europaratsinitiativen erwähnte Botschafter Wolf die
Bekämpfung des kriminellen Organhandels und die geplante Ausarbeitung
von Richtlinien zur Verpflanzung tierischer Organe und Gewebe auf den
Menschen.
Zum Abschluss betonte Botschafter Wolf, angesichts lukrativer
Forschungsvorhaben und Wirtschaftsinteressen müsse die Politik den
Menschen im Auge behalten. Nationale Gesetzgebung allein reiche
nicht. Lösungen müssten international gefunden werden.
Mit besonderer Freude durfte Dr. Wolf ganz zum Schluss eine Stelle
aus einem Artikel von Dr. Hans-Jörg Rheinberger zitieren. Der
Beitrag, der sich mit Fragen der Gentechnik befasst, ist am 21. Juli
2001 in der NZZ erschienen. Dieses Zitat, das nun folgt, stiess auf
sehr grosses Interesse:
"Wir stehen heute an einem Punkt, so Keller "wo der Erfolg uns
Demut lehren" sollte. Wir wissen viel, aber wir verstehen immer noch
wenig von den Komplexitäten der Entwicklung und Evolution. Man sollte
es sich deswegen angelegen sein lassen, Phantasmen über zukünftige
gezielte Eingriffe in das Erbgut nachfolgender Menschengenerationen
keinen Vorschub zu leisten. Die langfristigen Folgen solcher
Eingriffe, wenn sie denn technisch eines Tages möglich wären, sind
nach allem, was wir heute über die Entwicklung und die Evolution von
Lebewesen, insbesondere vom Homo sapiens, wissen, unabsehbar.
Phantasien über Desktop- Engineering von Nachwuchs und die Züchtung
neuer Menschenarten, wie sie etwa der Princeton-Physiker Freeman
Dyson feilbietet, sind Ausdruck einer Haltung, die man nicht nur mit
einem Kopfschütteln begleiten darf. Sie sind in ihrer ganzen
Uebertriebenheit nicht untypisch für die Geisteshaltung eines Teils
der internationalen akademisch-ökonomischen Elite.
Es bleibt zu hoffen, dass Demut und nicht wissenschaftliche
Ueberheblichkeit die Richtschnur für die Mehrzahl derjenigen sein
wird, Grundlagenforscher, Gentechnologen, Unternehmer im neuen
Biobusiness, nicht zuletzt die Bioethiker -, die die Genindustrie und
die Genmedizin mit ihren guten Ratschlägen ins neue Jahrhundert
begleiten. Worte wie diejenigen des Nobelpreisträgers James Watson
"Wenn wir nicht selbst Gott spielen, wer soll es denn sonst tun?" -
gehören gewiss nicht zu den demütigen Aeusserungen, die man sich von
denen wünschen würde, die sich der genetischen Foschung verschrieben
haben. Um es mit Erwin Chargaff zu sagen: "Gewisse Sachen tut man
einfach nicht." Die Grenzen, um die heute gerungen wird, sind nicht
von den Wissenschaftlern festzulegen. Sie kann und muss der
Gesetzgeber ziehen."

Kontakt:

Presse- und Informationsamt des Fürstentums Liechtenstein (pafl),
Tel. +423/236 67 22, Fax +423/236 64 60.

Nr. 397

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