PISA 2000 - Kompetenzmessung bei Jugendlichen
Vaduz (ots)
Erste Ergebnisse der PISA- Kompetenzmessungen liegen nun auch für Liechtenstein vor und erlauben eine erste Positionierung im internationalen Vergleich: gute Ergebnisse in Mathematik, mittlere Leistungen in Lesen und unterdurchschnittliche Ergebnisse in Naturwissenschaften. Wie in der Schweiz ist auch in Liechtenstein festzustellen, dass jede fünfte getestete Person am Ende der obligatorischen Schulzeit nur einen einfachen Text verstehen kann und somit auf den Einstieg in das Berufsleben schlecht vorbereitet ist. Von unserem Bildungssystem können nicht alle im gleichen Mass profitieren: Jugendliche aus zugezogenen Familien mit mangelnden Kenntnissen in Deutsch haben geringere Chancen, ihr Leistungspotenzial zu nutzen. Eine Weiterbearbeitung der Ergebnisse ist notwendig, um zu erfahren, wie unser Schulsystem nachhaltig zu verbessern ist.
Bildung für die Zukunft
Das «Programme for International Student Assessment» (PISA) ist Teil des Indikatorenprogramms «Indicators of Educational Systems» (INES) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Ziel von PISA ist es, den OECD-Staaten Indikatoren für die Kompetenzen der 15-Jährigen in Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus werden auch die Voraussetzungen für selbst reguliertes Lernen wie Interesse am Lernen oder die Unterstützung des Lernens durch den Einsatz von Strategien erfasst. Ausserdem beteiligt sich ein Teil der Länder an einem internationalen Vergleich der Vertrautheit im Umgang mit dem Computer. PISA ist ein Programm, das vorerst drei Zyklen mit unterschiedlichen Schwerpunkten umfasst. Schwerpunkt des ersten Zyklus (PISA 2000) bildet die differenzierte Beschreibung der Lesekompetenz, während die Ergebnisse in Mathematik und Naturwissenschaften weniger ausführlich präsentiert werden. PISA 2003 widmet sich dann speziell der Mathematik, PISA 2006 den Naturwissenschaften.
Kontinuität beim internationalen Vergleich der Schulleistungen
Mit PISA ist eine neue Epoche des internationalen Vergleichs von Schulleistungen eingeleitet worden: Zum ersten Mal wurden im Auftrag der OECD die unmittelbaren Ergebnisse der Bildungssysteme international verglichen. Zwar hat die OECD schon längst auf die Bedeutung des hohen Bildungsniveaus für die volkswirtschaftliche Wohlfahrt eines Landes hingewiesen. Sie beschränkte sich jedoch bei den jährlich erstellten Bildungsindikatoren bis anhin auf zählbare Parameter wie beispielsweise die finanziellen Ausgaben für Bildung oder die Häufigkeiten von Abschlüssen auf verschiedenen Stufen des Bildungssystems. Die Messung der Ergebnisse des Lehr-Lern-Prozesses hingegen überliess sie anderen Organisationen. Ausserdem bilden die präsentierten Ergebnisse zum ersten Mal nicht einfach den Abschluss einer einmaligen Untersuchung. PISA ist ein Programm und baut auf Kontinuität. Alle drei Jahre wird den beteiligten Ländern eine internationale Standortbestimmung in Bezug auf verschiedene Kompetenzen ermöglicht. Dadurch können auch Trends verfolgt und allfällige bildungspolitische Massnahmen auf ihre Wirkung hin geprüft werden.
250'000 Schülerinnen und Schüler aus 32 Ländern
Im Frühjahr 2000 haben rund 250'000 Schülerinnen und Schüler aus 32 Ländern einen Leistungstest und einen Fragebogen ausgefüllt. Pro Land haben sich in der Regel mindestens 4500 Schülerinnen und Schüler aus 150 Schulen beteiligt. Liechtenstein hat sich mit 327 Schulkindern der geforderten Altersgruppe über alle Schultypen hinweg beteiligt und somit eine Vollerhebung durchgeführt. Liechtenstein hat im Rahmen des schweizerischen Forschungsprojektes gemäss den internationalen Richtlinien an PISA teilgenommen und die liechtensteinische Erhebung in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Statistik (BFS) durchgeführt.
Auswahl der Schülerinnen und Schüler aus Liechtenstein
Die Tabelle vermittelt einen Überblick über die Schülerverteilung in Liechtenstein anhand des Schultypus.
Oberschulen 34 % Schulkinder 68 % in 4. Klasse 32 % in unterer Klasse in höherer Klasse Anzahl 111
Realschulen 42 % Schulkinder 78 % in 4. Klasse 22 % in unterer Klasse in höherer Klasse Anzahl 136
Gymnasium 20 % Schulkinder 78 % in 4. Klasse 16 % in unterer Klasse 6 % in höherer Klasse Anzahl 66
Privatschulen 4 % Schulkinder 72 % in 4. Klasse 28 % in unterer Klasse in höherer Klasse Anzahl 14
Total 100 % Schulkinder 74 % in 4. Klasse 23 % in unterer Klasse Anzahl 327
Fast ein Viertel der Liechtensteiner Schulkinder (23%) besuchten zum Messzeitpunkt eine tiefere Klasse, als das Alter erwarten liess. Diese vergleichsweise hohe Zahl, respektive die daraus resultierenden Leistungen werden in einem weiteren Auswertungsschritt im Frühjahr 2002 näher analysiert werden müssen.
Sechs Prozent der Schulkinder des Gymnasiums gehörten einer höheren Schulstufe an. Nicht berücksichtigt werden konnten Schulkinder der Ober-, Real- und Privatschulen, die wohl in der Altergruppe der 15-jährigen sind, das Bildungswesen jedoch bereits (erfolgreich) verlassen haben. Dies im Gegensatz zu anderen Ländern, in denen auch Berufsschulen miterfasst wurden.
Internationaler Vergleich
Im Lesebereich wurden die Bereiche «Informationen aus einem Text heraussuchen», «einen Text interpretieren» und «über einen Text reflektieren sowie Form und Inhalt beurteilen» näher untersucht. Im ersten Bereich liegt Liechtenstein im OECD- Mittelfeld, während es in den anderen beiden Untersuchungsgebieten unter dem OECD-Mittel liegt. In der Kombinationsskala aller drei Bereiche liegt von den deutschsprachigen Ländern nur Österreich knapp über dem OECD- Mittel. Deutschland und Liechtenstein liegen dicht beisammen und unterscheiden sich nicht signifikant von der Schweiz, aber auch nicht signifikant von Österreich. Finnland, Australien und Japan erreichen hier die höchsten Werte.
Der Lernerfolg im Bereich Lesen hängt u.a. von Faktoren ab wie der Fremdsprachigkeit sowie dem kulturellen und sozialen Hintergrund. Fremdsprachige Jugendliche der ersten Generation und im Ausland geborene und zugezogene fremdsprachige Jugendliche weisen bei den Lesefähigkeiten (ähnlich wie in der Schweiz und Österreich) einen signifikanten Rückstand gegenüber den deutschsprachigen Jugendlichen auf. Der Schule gelingt es folglich nur beschränkt, den Einfluss der ungleichen Lernvoraussetzungen auf die Schulleistungen aufzuheben. Das Leseinteresse und die Lesegewohnheiten sind in Liechtenstein zudem generell nicht sonderlich ausgeprägt. Mädchen lesen lieber und besser.
In den Mathematikleistungen liegen die Werte für Liechtenstein deutlich über dem OECD-Durchschnitt, praktisch auf gleicher Höhe wie in Österreich, leicht, aber nicht signifikant tiefer als in der Schweiz und deutlich höher als in Deutschland. Japan und Korea haben in dieser Disziplin die Nase vorn.
In den Naturwissenschaften liegen die erreichten Werte der Liechtensteiner Schulkinder unterhalb der Werte der Nachbarländer und dem OECD Schnitt. Grossbritannien, Finnland und Japan liegen an der Spitze der Tabelle.
Auf Grund des späten Schuleintrittsalters hatten die Schülerinnen und Schüler Liechtensteins im internationalen Vergleich beim Testzeitpunkt am zweitwenigsten Schuljahre hinter sich (nämlich - analog zur Schweiz - 8.9 Jahre; die Spanne reicht von Brasilien, 8.5 Jahre, über Japan, 10 Jahre, und Grossbritannien mit 10.7 Jahren bis Neuseeland mit 11 Jahren).
Liechtenstein findet sich ausserdem in einer kleinen Gruppe von Ländern, in denen Jugendliche angeben, dass sie im Klassenzimmer nur selten störende Lernbedingungen antreffen.
Lediglich erste Resultate
Nun liegen in einer ersten Auswertungsrunde die internationalen Vergleichsdaten vor. Auf Grund der sehr heterogenen Gestaltung nationaler Curricula und anderer Einflussfaktoren auf den Bildungsprozess ist es bei solchen Untersuchungen immer schwierig, eine verlässliche Standortbestimmung des eigenen Bildungswesens im internationalen Vergleich vornehmen zu können. So hatten z.B. die erfassten Liechtensteiner Gymnasialschülerinnen und -schüler zum Testzeitpunkt erst ein halbes Jahr Unterricht in den integrierten Naturwissenschaften (Biologie, Physik und Chemie), im Gegensatz zu den mindestens drei Jahren Unterricht in anderen Ländern. Die Schülerinnen und Schüler können dann bei den weiteren PISA- Untersuchungen (2003/2006) auf der Basis des Unterrichts nach dem neuen Lehrplan geprüft werden, nach welchem der naturwissenschaftliche Unterricht zu einem früheren Zeitpunkt einsetzt.
Für eine Analyse und Weiterentwicklung des eigenen Bildungswesens weit besser geeignet sind Vergleiche innerhalb des selben Sprachraums. Diese vertieften Auswertungen sind noch in Arbeit und werden im Frühjahr 2002 der Öffentlichkeit vorgelegt. Liechtenstein partizipiert dabei an der drei-Kantone-Studie, welche die Auswertung von Zürich, Bern und St.Gallen zum Ziel hat. Durch die historisch enge Verknüpfung zentraler Bildungsmerkmale mit diesen Kantonen lassen sich für Liechtenstein gewinnbringende Informationen erst zu diesem Zeitpunkt eruieren. Besonders interessant wird dabei z.B. sein, wie sich das familiäre Umfeld um günstige Lernbedingungen bemüht (Bildungsnähe des Elternhauses), wie sich der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und erbrachter Leistung präsentiert, wie sich die Resultate der immigrierten Schulkinder gestalten oder ob und wie sich Unterschiede zwischen den Geschlechtern ergeben.
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