Bericht und Antrag zur Vaduzer Konvention
Vaduz (ots)
Die Regierung unterbreitet dem Landtag das Abkommen zur Änderung der EFTA-Konvention zur Genehmigung
Die Regierung hat in ihrer Sitzung vom 15. Januar 2002 den Bericht und Antrag zu Handen des Landtags betreffend das Abkommen vom 21. Juni 2001 zur Änderung des Übereinkommmens vom 4. Januar 1960 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) - Vaduzer Konvention verabschiedet.
Das Übereinkommen zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) war am 4. Januar 1960 in Stockholm unterzeichnet worden. Die Beziehungen zwischen den heutigen EFTA- Mitgliedstaaten (Island, Norwegen, Schweiz und Liechtenstein) werden seither durch diese Konvention geregelt, deren materieller Anwendungsbereich ursprünglich auf den Warenhandel beschränkt war. Die Beziehungen Liechtensteins zur EFTA wurden bis zum Beitritt im Jahre 1991 über ein gesondertes Protokoll mit den EFTA-Staaten geregelt. Im Jahre 1995 traten drei der nach dem Austritt von Finnland, Österreich und Schweden verbliebenen vier EFTA-Staaten, nämlich Island, Liechtenstein und Norwegen, dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) bei. Die Schweiz hatte ihrerseits im Jahre 1999 sieben sogenannte sektorielle Abkommen in den Bereichen Forschung, öffentliches Beschaffungswesen, gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA), Landwirtschaft, Luftverkehr, Strassen- und Schienenverkehr sowie die Freizügigkeit im Personenverkehr mit der Europäischen Union (EU) abgeschlossen.
EFTA-Verhandlungen nach Abschluss der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU
Bereits während der Verhandlungen zu den sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU hatte der Bundesrat seine Bereitschaft erklärt, nach Abschluss der Verhandlungen die Verhandlungsergebnisse im Sinne der Gleichbehandlung auch den EFTA/EWR-Staaten anzubieten. Ein diesbezüglicher formeller Vorschlag der Schweiz zur Verhandlungsaufnahme - unter Beachtung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Gegenseitigkeit - wurde den drei anderen EFTA-Staaten nach Abschluss der sektoriellen Verhandlungen unterbreitet. Dieser Vorschlag betraf nur das Verhältnis der Schweiz zu den übrigen EFTA-Staaten, da die Beziehungen der drei EFTA/EWR-Staaten unter sich und im Verhältnis zur EU bereits im EWR-Abkommen geregelt sind.
Im Juni 1999 beschloss daraufhin der EFTA-Ministerrat, das EFTA-Übereinkommen zu revidieren, um so die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den EFTA-Staaten intensivieren zu können. Die angestrebte Verbesserung der Kooperation sollte insbesondere dem Stand der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU entsprechen sowie die Zusammenarbeit der EFTA-Staaten mit Drittstaaten, welche nicht EU-Mitgliedstaaten sind, berücksichtigen. Schliesslich sollte den Entwicklungen auf der Ebene des multilateralen Handels, vor allem im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO), Rechnung getragen werden. Die sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU bildeten bei der Überarbeitung des EFTA-Übereinkommens die Referenzgrundlage.
Unterzeichnung am 21. Juni 2001 in Vaduz
Die Verhandlungen zwischen den EFTA-Staaten konnten im Wesentlichen am 6. April 2001 abgeschlossen werden. Zwei Bereiche, der Schutz des geistigen Eigentums und die Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und Liechtenstein, bedurften vertiefter Abklärungen, welche zu Beginn des Monats Juni 2001 zum Abschluss gebracht werden konnten. Das Abkommen zur Änderung des Übereinkommens zur Errichtung der EFTA wurde in Vaduz am 21. Juni 2001 bei der Zusammenkunft des EFTA-Rats auf Ministerebene unterzeichnet. Anlässlich der Unterzeichnung hatte die norwegische Handelsministerin Grete Knudsen vorgeschlagen, die Übereinkunft künftig als "Vaduzer Konvention" zu bezeichnen.
Beziehungen zwischen den EFTA-Staaten auf neuer Grundlage
Mit der Vaduzer Konvention wird eine vollständige Überarbeitung des EFTA-Übereinkommens von 1960 vorgenommen. Die vertraglichen Beziehungen zwischen der Schweiz und den übrigen EFTA-Staaten werden auf eine mit den durch die sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU geschaffenen vertraglichen Beziehungen vergleichbare Ebene gebracht, mit Ausnahme des Forschungsbereichs (wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit), wo dies nicht als notwendig erschien. In verschiedenen Bereichen ist nun auch die bisher fehlende formale Grundlage für die Aushandlung von Freihandelsbeziehungen zwischen den EFTA-Staaten und Drittstaaten vorhanden. Dies gilt namentlich für die Dienstleistungen, den Kapitalverkehr und den Schutz des geistigen Eigentums.
Die Änderungen des EFTA-Übereinkommens betreffen insbesondere folgende Punkte:
die bestehenden Bestimmungen über den Warenhandel, der ursprüngliche Kern des EFTA-Übereinkommens, sind restrukturiert und von obsoleten Bestimmungen befreit worden (z.B. von den Bestimmungen betreffend Übergangsfristen für den Abbau von tarifären Massnahmen);
die Bestimmungen über den Handel mit Landwirtschaftserzeugnissen wurden nachgeführt, unter Berücksichtigung der Entwicklungen der Beziehungen zwischen den EFTA-Staaten und Drittstaaten, welche nicht EU-Mitgliedstaaten sind, sowie im Rahmen der WTO. Die tarifären Konzessionen bezüglich landwirtschaftlicher Grundprodukte wurden in einigen Fällen erweitert (z.B. auf Käse, verschiedene Gemüsesorten, Schaf- und Lammfleisch und Pferde);
die gegenseitige Anerkennung der Konformitätsbewertungen (das sind Prüfungen, Inspektionen, Zertifizierungen, Anmeldungen und Zulassungen, die im grenzüberschreitenden Warenverkehr gefordert werden) wurde neu in das EFTA-Übereinkommen aufgenommen. Die diesbezüglichen Bestimmungen entsprechen denjenigen des Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen zwischen der Schweiz und der EU. Überdies wurde das Meldeverfahren für Entwürfe von geplanten Vorschriften überprüft und auf Vorschriften betreffend Dienstleistungen der Informationsgesellschaft ausgeweitet, um so den jüngsten Entwicklungen innerhalb der EU und des EWR Rechnung tragen zu können;
die Personenfreizügigkeit wurde neu auch für den EFTA-Raum eingeführt. Begleitet wird sie von einer Koordinierung der verschiedenen Systeme der Sozialen Sicherheit und der gegenseitigen Diplomanerkennung. Die Personenfreizügigkeit zwischen den EFTA-Staaten ist der Regelung des betreffenden sektoriellen Abkommens zwischen der Schweiz und der EU nachgebildet. Besondere Bestimmungen gelten in diesem Bereich zwischen Liechtenstein und der Schweiz;
die EFTA-Staaten gewähren sich gegenseitigen Zugang zu ihren Märkten, welcher über die WTO-Standards hinausgeht;
der Schutz des geistigen Eigentums wurde neu in das Übereinkommen aufgenommen und durch griffige Bestimmungen geregelt;
das EFTA-Übereinkommen enthält nun auch Bestimmungen über den Handel mit Dienstleistungen und Investitionen. Die EFTA-Staaten haben jedoch beschlossen, gewisse Restriktionen in diesen Bereichen beizubehalten. Diese sollen aber nach und nach abgebaut werden. Der Liberalisierungsprozess hängt auch vom Abschluss eines bilateralen Abkommens über Dienstleistungen zwischen der Schweiz und der EU ab;
das EFTA-Übereinkommen enthält schliesslich Bestimmungen über den Luft- und Landverkehr, welche den diesbezüglichen sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU nachgebildet sind. Beim Landverkehr wird ein Quotensystem (Kontingente für 40-Tonnen-Fahrten sowie Leer- und Leichtfahrten) eingeführt.
Vertiefte Zusammenarbeit mit dynamischem Charakter
Das neue EFTA-Übereinkommen ist damit ein modernes Instrument, welches den aktuellen Bedürfnissen der internationalen Wirtschaftsbeziehungen in angemessener Weise Rechnung trägt. Es weist neu einen dynamischen Charakter auf. Dies bedeutet, dass es regelmässig den neuen Gegebenheiten angepasst werden wird, um so die Entwicklungen der bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU einerseits (Abschluss neuer Verhandlungen oder Anpassung der bestehenden Abkommen, um der Entwicklung des Gemeinschaftsrechts zu entsprechen), und diejenigen innerhalb des EWR andererseits berücksichtigen zu können.
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Nr. 36.