pafl: Unabhängige Historikerkommission tagte
(ots)Schlussbericht in einem Jahr
Die "Unabhängige Historikerkommission Liechtenstein Zweiter Weltkrieg" hat erneut getagt. Sie hat am vergangenen Montag und Dienstag, 22./23. September 2003, in Triesenberg den Fortgang der Abklärungen zu Fragen Liechtensteins im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg beraten. Nach der von Regierung und Landtag im Sommer gutgeheissenen Erstreckung des Zeit- und Budgetrahmens ist die Arbeit nun gut auf Kurs. Erste Fassungen von Teilstudien sind eingetroffen. Der Schlussbericht der Kommission wird im Laufe des kommenden Jahres verfasst, beraten und verabschiedet werden. Schlussbericht und Einzelstudien können Ende August 2004 der Regierung abgeliefert und schliesslich im Frühjahr 2005 veröffentlicht werden.
Komplexe Fragen, aufwendige Arbeit
Die gemäss Mandat der Regierung durch die Historikerkommission abzuklärenden Themenkreise betreffen spezifische Fragen: Ob nach Liechtenstein oder über Liechtenstein im Zusammenhang mit dem NS- Regime Vermögenswerte, einschliesslich Kunst, geflüchtet oder als Raubgut erworben oder verschoben wurden; ob nachrichtenlose Konten von NS-Opfern auf liechtensteinischen Banken lagen oder liegen; ob Lebensversicherungen von NS-Opfern an Reichsstellen oder gar nicht ausgefolgt wurden; ob und wie NS-Verfolgte in Liechtenstein aufgenommen oder abgewiesen oder ausgeliefert wurden; ob und wie liechtensteinische Industriebetriebe für die Kriegsproduktion tätig waren.
Die international zusammengesetzte Historikerkommission besteht aus dem Präsidenten Peter Geiger, dem Vizepräsidenten Arthur Brunhart (beide Liechtenstein), Professor Erika Weinzierl (Wien) und den Professoren Carlo Moos (Zürich), David Bankier (Jerusalem) und Dan Michman (Ramat Gan). Die Kommission hat den nahezu einhelligen Landtagsentscheid vom Sommer 2003, mit welchem der Rahmenkredit um 900'000 Franken auf zusammen fast 3 Millionen Franken aufgestockt worden ist, mit dankbarer Erleichterung zur Kenntnis genommen. Die Erstreckung ist notwendig geworden, weil sich die Forschungen in den verschiedensten Archiven des In- und Auslandes als sehr aufwendig und zeitintensiv erwiesen haben. Grosse Mengen von Quellenmaterial sind durchzuarbeiten, zusammenzuführen und zu analysieren. Die Arbeit muss, soll sie zufrieden stellend abgeschlossen werden, gründlich und mit wissenschaftlicher Sorgfalt durchgeführt werden.
Über 23 Personen an den Abklärungen beteiligt
Insgesamt sind im Rahmen der Historikerkommission mindestens 23 Personen in den verschiedensten Funktionen und mit Teilaufträgen tätig oder tätig gewesen. Neben den 6 Mitgliedern der Historikerkommission besteht der fünfköpfige Beratungs- und Koordinierungsausschuss. Dem letzteren gehören Altregierungschef Hans Brunhart (Vorsitz), Michael Kohn, Botschafter Roland Marxer, Israel Singer und Regierungssekretär Norbert Hemmerle an. Für Forschungen zu Teilgebieten sind oder waren durch die Historikerkommission 7 spezialisierte Forscher und Forscherinnen (einschliesslich einer wissenschaftlichen Assistentin) beauftragt, dazu weitere 4 Personen, welche in Archiven in Washington, London und Israel recherchiert haben. Das Sekretariat und die Koordination leitet eine sprachgewandte Sekretärin. Ausserdem ist eine externe Revisionsgesellschaft mit der Abklärung der Frage von nachrichtenlosen Konten beauftragt. Nicht unerwähnt sei, dass Banken und Treuhandfirmen, zu deren Archiven die Historikerkommission gesetzlich privilegierten Zugang besitzt, die Kommissionsarbeit mit personellen Ressourcen unterstützen.
Die Kommission konnte erneut feststellen, dass von allen Seiten, sowohl bei staatlichen Stellen wie insbesondere auch bei privaten Archivbesitzern, gute Kooperationsbereitschaft besteht. Verschiedene Abgrenzungsfragen konnten gelöst werden. Die Regierung wird durch den Präsidenten Peter Geiger regelmässig über den Fortgang der Arbeiten informiert.
Erste Fassungen von Teilstudien
Die Historikerkommission konnte an ihrer Sitzung den Bericht des Präsidenten Peter Geiger entgegennehmen, erste Fassungen von Teilstudien eingehend diskutieren und mit den für einen halben Tag dazu gestossenen Forscherinnen und Forschern konkrete Fragen besprechen. Sie hat mit Genugtuung festgestellt, dass die Teilaufträge vor dem Abschluss oder in der Schlussphase stehen, dass gründliche, vielseitige Quellenarbeit geleistet worden ist, dass interessante Ergebnisse zu erwarten sind. Die Erstfassungen der Teilstudien bedürfen bis zur definitiven Fassung noch der Überarbeitung.
Publikation des Schlussberichts im Frühjahr 2005
Inhaltliche Ergebnisse - auf welche die einheimische wie die internationale Öffentlichkeit verständlicherweise gespannt wartet - kann die Historikerkommission erst mit der Abgabe und Publikation des Schlussberichts mitteilen. Bis dahin wäre jedes Teilergebnis nur provisorisch und zu wenig gesichert. Die Diskretion, mit welcher die Historikerkommission und die in ihrem Auftrag Tätigen wirken, ist zugleich eine Voraussetzung dafür, dass ruhig, gründlich und unabhängig geforscht werden kann. Wenn in eineinhalb Jahren alles publiziert vorliegt, kann alles gelesen, diskutiert und im Gesamtzusammenhang beurteilt werden.