pafl: Erfolgskontrolle Neugestaltung Liechtensteiner Binnenkanalmündung Ruggell
(ots)Ziel der Neugestaltung: mehr Lebensraum
Vor knapp fünf Jahren wurde die bislang letzte Etappe der Neugestaltung im Mündungsbereich des Liechtensteiner Binnenkanals eröffnet. Heute weist der Binnenkanal auf einer Länge von 1,75 km naturnahe Strukturen auf.
Der Binnenkanal wurde in den Jahren 1931 bis 1943 erstellt. Das Ziel des Baus war die Fassung aller zwölf bis anhin frei in den Rhein mündenden Fliessgewässer und die Entwässerung der Riedgebiete. Als Folge der Abtiefung der Rheinsohle entstand an der Mündung ein rund 4,5 m hoher Absturz, der jede Fischwanderung unterband. Im Zusammenhang mit dem internationalen Programm zur Rettung der bedrohten Bodensee-Seeforelle wurde 1981 eine Fischtreppe errichtet. Diese ermöglichte jedoch nur den schwimmstarken Fischarten ein Aufsteigen in den Binnenkanal.
Das Ziel der im Jahr 2000 eröffneten letzten Etappe der Neugestaltung am Binnenkanal war in erster Linie die Neuschaffung von Aufstiegsmöglichkeiten für alle Fischarten. Um die Auswirkungen der Massnahmen zu überprüfen, wurde eine Erfolgskontrolle durchgeführt.
Nach Neugestaltung: Fische fühlen sich wohl
Um die Entwicklung der Fischfauna nach der Umgestaltung der Mündung dokumentieren zu können, stellten Armin Peter von der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz und Erik Bohl vom Bayerischen Landesamt für Wasserwirtschaft Untersuchungen an. Sie stellten eine sehr positive Entwicklung der Artenvielfalt im Binnenkanal fest. Waren es Anfang der 1980-er Jahre nur gerade noch 4 Fischarten, konnten bis zum Abschluss der Untersuchungen im mündungsnahen Bereich des Binnenkanals 16 Arten nachgewiesen werden. Seit der Öffnung der neuen Binnenkanalmündung im Jahr 2000 wanderten insgesamt 10 neue Arten ein!
Die Revitalisierung hat sich aber auch positiv auf die Fischdichte ausgewirkt. Diese Dichtezunahme lässt sich mit der erhöhten Strukturvielfalt erklären. Von der Neugestaltung haben besonders Bach- und Regenbogenforelle sowie die Äsche profitiert.
Strukturvielfalt fördert Artenvielfalt auch auf dem Land
Von der Neugestaltung haben auch die Landlebewesen profitiert. Durch die naturnahe Verzahnung von Wasser und Land, aber auch durch das Zulassen der freien Entwicklung im angrenzenden Auenwald hat sich das ganze Gebiet zu einem wahren Kleinod entwickelt. Stellvertretend für eine grosse Anzahl von Tieren und Pflanzen wurde von Edith Waldburger die Pflanzenwelt, von Simon Bieri die Stechimmen-, von Jürgen Kühnis die Reptilien- und von Georg Willi die Vogelfauna näher untersucht.
Unter den Pflanzen kommen verschiedene für diese Lebensräume typische Arten vor, wobei Probleme gerade mit der Ausbreitung von neu eingewanderten Pflanzen, insbesondere dem Drüsigen Springkraut entstehen, indem einheimische Arten verdrängt werden.
Für die untersuchten Tiergruppen stellt der Lebensraum im Mündungsbereich des Binnenkanals eines der wertvollsten Gebiete in ganz Liechtenstein dar. Unter den Stechimmen kommen Arten vor, die nur hier nachgewiesen wurden. Von einer Langhornbiene waren beispielsweise bisher nur Vorkommen im Wallis und Tessin sowie in Süddeutschland bekannt. Wie diese Art profitieren viele von einem günstigen Klima, einem hohen Blütenangebot und wichtigen Sandhabitaten, wo die Nester angelegt werden. Besonders wohl fühlt sich hier auch die Schlingnatter, von der im untersten Dammabschnitt eine sonst nirgendwo bekannte Dichte erreicht wird. Bei den Brutvögeln hat sich die Artenzahl seit den 1980-er Jahren beinahe verdoppelt, wobei heute viele seltene und gefährdete Arten wie der Eisvogel im Gebiet brüten.
Zurückhaltende Eingriffe
Pflegeeingriffe im Gebiet beschränken sich auf ein Minimum. Grosse Teile des Gebietes werden sich selbst überlassen, was unter anderem zum grossen Strukturreichtum beitrug. Die Untersuchungen zeigten jedoch, dass auch künftig Eingriffe notwendig sind, um die Lebensraumvielfalt und die Vielfalt an Arten zu erhalten. So sind insbesondere neue gestaltende Massnahmen im Bereich des noch kanalisierten Gerinnes sowie die ständige Bereitstellung von offenen, sandig-kiesigen Flächen wünschenswert.
Grosse Akzeptanz der Neugestaltung in der Bevölkerung
Ein Umfrage in der Bevölkerung hat im Übrigen gezeigt, dass die Neugestaltung bei den Besuchern sehr gut angekommen ist. Die grosse Mehrheit der Befragten steht auch weiteren Revitalisierungen von Fliessgewässern positiv gegenüber. Hingegen zeigte es sich, dass der Kenntnisstand bezüglich Motivation solcher Neugestaltungen und Ökologie von Wasserlebensräumen dürftig ist. Dies führt zur Herausforderung, verstärkt und auf breiter Ebene über die Notwendigkeit derartiger Revitalisierungen und die Zusammenhänge in der Gewässerökologie zu informieren.