pafl: PISA 2003 - 2. Nationaler Bericht der Schweiz unter Einbezug von Liechtenstein
(ots)Unterschiede in allen Testbereichen
Bei den schulischen Leistungen der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler zeigen sich signifikante Unterschiede zwischen einzelnen Kantonen und Liechtenstein. Dies geht aus dem neuesten Bericht zu PISA 2003 hervor, einem gemeinsamen Projekt von Bund und Kantonen, dessen nationale Projektleitung durch das Bundesamt für Statistik (BFS) wahrgenommen wird. Wie die Ergebnisse aus 12 Kantonen und Liechtenstein zeigen, ist die Bandbreite der Resultate in allen getesteten Bereichen - Mathematik, Lesen, Naturwissenschaften und Problemlösen - ähnlich. Kantone, die in der Mathematik überdurchschnittlich abschneiden, tun dies auch in den anderen Disziplinen. Kantone, die in der Mathematik vergleichsweise tiefe Punktzahlen erzielen, liegen auch in den anderen Bereichen im Hintertreffen. Die guten Resultate Liechtensteins im internationalen Vergleich wiederholen sich grösstenteils auch in dieser Studie.
Der Bericht wurde von sieben Forschungsteams aus der ganzen Schweiz verfasst und beschränkt sich nicht nur auf eine Präsentation der Ergebnisse der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler in Mathematik, Lesen, Naturwissenschaften und Problemlösen nach Kanton und Sprachregion. Er befasst sich auch mit dem Zusammenhang zwischen den Schülerleistungen und dem familiären und schulischen Umfeld, der schulischen Laufbahn, dem Geschlecht, der Lernmotivation, dem persönlichen Selbstbewusstsein und der Fähigkeit, selbständig zu lernen. Darüber hinaus wird im Bericht die zentrale Frage der Auswirkungen der kantonalen Schulsysteme angegangen. Dazu werden integrative und selektive Systeme diskutiert und deren Auswirkungen auf die Chancengleichheit der verschiedenen sozialen Gruppen analysiert.
Im schweizweiten Vergleich schnitten die Jugendlichen aus dem französischsprachigen Teil des Kantons Freiburg bei PISA 2003 am besten ab. In Mathematik, Naturwissenschaften und Problemlösen belegen sie den Spitzenplatz, im Lesen rangieren sie an dritter Stelle. Dieser Kantonsteil weist eine kleine Zahl von schwachen Schülerinnen und Schülern auf. Der Einfluss der sozialen und kulturellen Herkunft auf die Leistungen ist vergleichsweise gering.
Familiäre Herkunft: nicht überall gleich wichtig
Die kantonalen Auswertungen zu PISA 2003 zeigen einmal mehr, dass die soziale und kulturelle Herkunft der Jugendlichen einen entscheidenden Einfluss auf ihre Leistungen ausübt. Jugendliche aus bildungsfernen Schichten erzielen tendenziell niedrigere Leistungen. Allerdings gibt es in dieser Hinsicht relativ grosse Unterschiede zwischen den Kantonen. Der familiäre Hintergrund beeinflusst die Leistungen am wenigsten im Jura, in Freiburg und im Tessin. Sein Einfluss ist am grössten in Zürich, in Liechtenstein, im Aargau, im Thurgau und in St. Gallen.
Geschlechterunterschiede: Differenzen bleiben bestehen
Die altbekannten Leistungsunterschiede zwischen den Geschlechtern zeigen sich auch in PISA 2003. In der Mathematik und in den Naturwissenschaften erzielen die Knaben überall ausser in Liechtenstein signifikant bessere Ergebnisse als die Mädchen. Auch im Problemlösen sind die Knaben tendenziell besser. Hier ist die Differenz allerdings nur in Zürich, dem Thurgau und in beiden Sprachregionen des Wallis signifikant. Im Lesen schneiden die Mädchen überall signifikant besser ab.
Kantonale Resultate in Mathematik: signifikante Unterschiede
Die Neuntklässlerinnen und Neuntklässler erreichen in den meisten untersuchten Kantonen hohe durchschnittliche Leistungen in der Mathematik, dem Schwerpunktbereich von PISA 2003. Die Kantone Freiburg (f), St. Gallen, Thurgau, Wallis (f), Wallis (d) und Aargau erzielen Mittelwerte, die signifikant über dem schweizerischen Mittel liegen. Jura, Liechtenstein und Zürich unterscheiden sich nicht vom Mittelwert der Schweiz und Bern (d), Neuenburg, Bern (f), Waadt, Tessin und Genf liegen signifikant darunter. Eine kantonal unterschiedliche Zusammensetzung der Schülerschaft in Bezug auf die kulturelle Herkunft, das durchschnittliche Alter der Schülerinnen und Schüler sowie die Anzahl an Mathematiklektionen in der neunten Klasse liefern Ansatzpunkte zur Erklärung dieser Differenzen.
Umgang mit Mathematik: Interesse und Angst
Mathematik ist ein Fach, das bei einem Teil der Jugendlichen Desinteresse und Angst auslöst. Diese negativen Gefühle gegenüber der Mathematik sind auch mit schlechteren Leistungen gekoppelt und erklären zu einem grossen Teil die Geschlechterunterschiede. Mädchen sind gleichzeitig weniger interessiert an Mathematik und haben mehr Angst vor dem Fach als Knaben. In Bezug auf die Herkunft sind andere Effekte vorherrschend. Fremdsprachige Jugendliche haben mehr Angst vor Mathematik als solche, die zu Hause die Unterrichtssprache sprechen, weisen aber auch ein grösseres Interesse an dem Fach auf.
Bereich Lesen: Kompetente Leserinnen und Leser in Liechtenstein
Im Vergleich verfügt Liechtenstein über mehr kompetente Leserinnen und Leser als die Schweizer Kantone. Nach den Ergebnissen von PISA 2000 ist dies erfreulich. Der Thurgau, das Wallis, Freiburg (f), St.Gallen und der Aargau erreichen ebenfalls signifikant höhere Werte als das schweizerische Mittel, während die Waadt, Neuenburg, Bern (f), Genf und das Tessin signifikant darunter liegen.
Bereich Naturwissenschaften
Gemessen an der durchschnittlichen naturwissenschaftlichen Kompetenz liegen die Ergebnisse der Kantone Freiburg (f), Wallis (f), des Fürstentums Liechtenstein, Thurgau, Wallis (d), St. Gallen und Aargau statistisch signifikant über dem Mittelwert der Schweiz. Die Ergebnisse der Kantone Waadt, Neuenburg, Bern (f), Genf und Tessin liegen statistisch signifikant unter dem Mittelwert der Schweiz. Die Ergebnisse der Kantone Zürich, Jura und Bern (d) unterscheiden sich vom Schweizer Mittelwert nur zufällig. Die drei Gruppen setzen sich bei den naturwissenschaftlichen Kompetenzen aus den gleichen Kantonen zusammen wie bei den Lesekompetenzen.
Bereich Problemlösen
Gemessen an der durchschnittlichen Problemlösekompetenz liegen die Ergebnisse der Kantone Freiburg (f), Thurgau, Wallis (d), Wallis (f) und St. Gallen statistisch signifikant über dem Mittelwert der Schweiz. Die Ergebnisse der Kantone Neuenburg, Waadt, Bern (f), Genf und Tessin liegen statistisch signifikant unter dem Mittelwert der Schweiz. Die Ergebnisse der Kantone Aargau, Jura, Zürich und Bern (deutschsprachiger Teil) sowie des Fürstentums Liechtenstein unterscheiden sich vom Schweizer Mittelwert nur zufällig. Auch beim Problemlösen zeigt sich eine relativ ähnliche Zusammensetzung der drei Gruppen, wobei das Fürstentum Liechtenstein wie in der Mathematik zur Gruppe der Kantone gehört, die sich nur zufällig vom Mittelwert unterscheiden.
Beurteilung der kantonalen Unterschiede
Die Unterschiede zwischen den Kantonen der Schweiz (inkl. Liechtenstein) liegen mehrheitlich innerhalb von 30 Punkten und sind deshalb als eher gering zu beurteilen. Einzig die Kantone Genf und Tessin erreichen gegenüber den führenden Kantonen in allen Kompetenzbereichen deutlich tiefere Mittelwerte; sie liegen zwischen 40 und 50 Punkte tiefer als jene der führenden Kantone.
ICT: mehrheitlich gute Ausstattung, aber unterschiedliche Nutzung in der Schule
Während der Computer zwar von der grossen Mehrheit der Jugendlichen zu Hause mehrmals pro Woche genutzt wird (CH: 80%,; FL: 90%), sind es in den Schweizer Schulen rund 30%, in Liechtenstein etwa 55%, die den Computer regelmässig nutzen. Diese Werte Liechtensteins sind auch im internationalen Vergleich als hoch zu beurteilen. Weiter erfreulich ist auch die Vertrautheit der Liechtensteiner Schulkinder mit Anwenderprogrammen und der Internetnutzung sowie ihre Sicherheit bei der Erledigung von Routineaufgaben. Hier liegen die Liechtensteiner Werte deutlich über denjenigen der Schweizer Kantone und sind auch im internationalen Vergleich an der Spitze.
Bemerkenswert ist, dass die Computernutzung in der Schule vorwiegend jenen Schülerinnen und Schülern zu Gute kommt, deren privater Zugang zu den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) aufgrund mangelnder Ressourcen oder geringeren Interesses erschwert ist: dies sind vorwiegend Mädchen, Jugendliche mit sozioökonomisch benachteiligendem Hintergrund und Jugendliche aus Schulen mit Grundansprüchen. Hier haben sich die seit 1999 getätigten Anstrengungen Liechtensteins hinsichtlich der ICT-Ausrüstung der Schulen sehr positiv niedergeschlagen.
Curricula und Standards
Die Übereinstimmung der Ergebnisse nach Inhaltsbereichen in den Kantonen und in Liechtenstein zeugt von einer gemeinsamen Ausrichtung der Curricula und bildet einen guten Ausgangspunkt für die Entwicklung nationaler Bildungsstandards. Dass ein Bildungsmonitoring auf der Grundlage von minimalen Standards für die Verbesserung der Bildungsqualität notwendig ist, zeigt der Anteil Risikoschülerinnen und Risikoschüler, der sowohl aufgrund der Ergebnisse in der Mathematik als auch aufgrund der Ergebnisse im Lesen als zu gross bezeichnet werden muss. Es gibt zu viele Schülerinnen und Schüler, die am Ende der obligatorischen Schulzeit für den Übertritt ins Berufsleben schlecht gerüstet sind. Davon betroffen sind alle Kantone und Liechtenstein, wie auch in allen Kantonen und Liechtenstein Zusammenhänge zwischen individuellen Merkmalen (Geschlecht, soziale Herkunft, Immigrationshintergrund) und Kompetenzen nachweisbar sind. Die Förderung der Kinder aus einfachen sozialen Verhältnissen bleibt aufgrund der vorliegenden Ergebnisse für alle Kantone und auch für Liechtenstein ein bildungspolitisches Ziel von höchster Priorität.
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Schulamt
Guido Wolfinger
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