pafl: Gutenberg mehr als eine Burg
(ots)
Vaduz, 12. September (pafl) -
Die Burgstelle Gutenberg bei Balzers vereint in sich die Spuren urgeschichtlicher und römerzeitlicher Kultstätten, die Überreste eines frühmittelalterlichen Kirchenkastells, einer habsburgischen Wehranlage und eines neuzeitlichen Steinbruchs. Darüber hinaus ist sie Lebenswerk eines liechtensteinischen Künstlers.
Vom urgeschichtlichen Kultort zum Kirchenkastell
Der aus der Rheinebene aufragende Felskopf mit der Feste Gutenberg hat die Menschen seit mehr als sieben Jahrtausenden immer wieder magisch angezogen. Eisenzeitliche und römerzeitliche Siedler haben dort Spuren hinterlassen, welche auf einstige Kultplätze schliessen lassen. Bereits im Churrätischen Reichsgutsurbar aus der Zeit um 842/43, einem Verzeichnis der königlichen Güter im Sarganserland, sind im Gemeindegebiet von Balzers zwei Kirchen erwähnt. Eine der beiden muss dem Heiligen Donatus geweiht gewesen sein und befand sich auf der obersten Kuppe des Gutenbergs. Es handelte sich dabei wohl um die erste Balzner Dorfkirche samt umliegendem Friedhof. Wohl im 10. Jahrhundert wurde die Anlage mit einer Ringmauer befestigt. Der Platz diente möglicherweise als Kirchenkastell, in welchem die Einheimischen samt ihrem Vieh in Notzeiten Zuflucht finden konnten. In der Folgezeit wurde die Anlage zur Burg einer einzelnen Adelsfamilie umgestaltet.
Die Umgestaltung zur feudalen Burg
Vor rund 700 Jahren befand sich Gutenberg im Besitz der Herren von Frauenberg. 1314 wurde deren Hinterlassenschaft aufgeteilt. Die Herzöge von Österreich erhielten daraus die Burg Gutenberg und bauten sie zu einer mächtigen Wehranlage aus. Ein Turm mit Wachtstube entstand. Er gab den Blick über das Umgelände, die Rheinfurt und hinüber zur Reichsstrasse frei, welche über die St. Luziensteig führte. Mit dem Bau des Turmes wurden die Zinnenscharten der Ringmauer zugemauert. Im Alten Zürichkrieg soll die Burg 1445 durch Brand teilweise zerstört worden sein. Danach wurde sie wieder instand gestellt. Die Erhöhung der Ringmauer, nun wiederum mit einem Zinnenabschluss, geht wohl in diese Zeit zurück. Ab 1461 blieben die Habsburger alleinige Besitzer. Bis ins 18. Jahrhundert wurden sie durch die Herren von Ramschwag als Burgvögte vertreten.
"den Schweizern ihre Kuhmäuler verhauen"
Neue Verwüstungen brachte 1499 der Schwabenkrieg. Ihm fielen mehr als 20'000 Menschen zum Opfer. Habsburgische Söldner sollen von der Gutenberg herab die am Rhein lagernden Urner Landsknechte mit dem Zuruf "sy hettind vor jaren ein todten Schwyzer mer geförchtet, dann jetz zehen läbender" verspottet haben. Vorerst wurden die erzürnten Urner zurückgeschlagen. Doch vom 10. bis zum 24. April belagerten Bündner Truppen die Feste. Die Angreifer fuhren neueste Geschütze auf. Laut zeitgenössischer Überlieferung haben die Verteidiger auch die Bündner mit der Bemerkung gereizt, dass sich die Treffer mit Besen und Ofenwischen beseitigen lassen. In der Folge sollen die Kanoniere ein Geschütz derart überladen haben, dass das Rohr krepierte. Diese Geschichte hat in jüngster Zeit wieder an Aktualität gewonnen, denn vor zwanzig Jahren haben Archäologen aus einer Baugrube am Fusse des Burgfelsens ein Stück einer derartig geborstenen Kanone jener Zeit gefunden. Und anlässlich einer Fassadenrenovation konnten an der Ringmauer der Burg Gutenberg mehr als dreissig Einschusslöcher aus der Belagerungszeit von 1499 festgestellt werden.
Vom Steinbruch zum Wiederaufbau im 20. Jahrhundert
Nach 1750 diente die vernachlässigte Burg den Balznern als Steinbruch. Die Mauersteine wurden kurzerhand rheinseits über die steile Felswand in die Tiefe geworfen und unten weggeführt. In diesen Jahren fiel auch die Kapelle St. Donatus der Spitzhacke zum Opfer.
Von 1906 bis 1910 verwirklichte der Liechtensteiner Architekt und Bildhauer Egon Rheinberger sein Lebenswerk. Er baute die arg demolierte Burgruine zur heutigen Anlage aus. Rheinberger arbeitete um die Jahrhundertwende als Mitglied der Baukommission massgebend an der Wiederherstellung des Schlosses Vaduz mit. Nach Meinungsverschiedenheiten trat er seine Verantwortung ab und zog sich auf die 1905 käuflich erworbene Gutenberg zurück. Hier konnte er aus dem Vollen seiner besonderen handwerklichen, architektonischen und künstlerischen Fähigkeiten schöpfen. Er schuf aus der zerfallenen Feste eine phantastische burgenromantische Anlage, die heute von allen Seiten gut sichtbar das Dorfbild von Balzers prägt. Dabei respektierte und ergänzte Rheinberger die bestehenden Mauern. Das Holz- und Dachwerk erneuerte er vollständig.
Am Europa-Tag des Denkmals, am Samstag, 17. September 2005, öffnet die Burg Gutenberg von 10 bis 18 Uhr ihre Tore und verrät viel Wissenswertes über ihre reichhaltige Geschichte.
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Archäologie
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