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Fürstentum Liechtenstein

pafl: WTO-Ministerkonferenz vom 13. bis 18. Dezember 2005 in Hongkong

(ots)

Vaduz, 19. Dezember (pafl) -

Liechtenstein war am
Treffen der WTO- Mitgliedstaaten auf Ministerebene vom 13. bis 18. 
Dezember 2005 in Hongkong durch Regierungsrätin Rita Kieber-Beck, 
Inhaberin des Ressorts Äusseres, und Botschafter Norbert Frick, 
Ständiger Vertreter Liechtensteins bei der WTO in Genf, vertreten.
Im November 2001 wurde in Doha/Katar die Lancierung einer neuen 
Welthandelsrunde, d.h. eine neue multilaterale 
Liberalisierungsrunde, beschlossen. Die grundsätzliche Zielsetzung 
der laufenden Welthandelsrunde ist die Weiterentwicklung des WTO- 
Regelwerks generell, die weitere Liberalisierung des Welthandels mit 
Industrieprodukten, Agrarprodukten und Dienstleistungen sowie die 
Berücksichtigung der spezifischen Situationen und Anliegen der 
Entwicklungsländer und deren angepasste Integration in die 
Weltwirtschaft. Die Runde wird deshalb auch Doha-Entwicklungsrunde 
genannt.
Wenn auch die Ministerkonferenz im September 2003 im 
mexikanischen Cancun scheiterte, konnte in der laufenden WTO-
Welthandelsrunde Ende Juli 2004 in Genf doch eine wesentliche 
Zwischenstufe erreicht werden. Diese erlaubte die Zielsetzung, bis 
zum WTO-Ministertreffen Mitte Dezember 2005 in Hongkong auf die 
Zielgerade einzubiegen und die Verhandlungen bis Ende 2006 
abzuschliessen. Für das Treffen in Hongkong war damals vorgesehen, 
dass die Minister die für die Schlussverhandlungen notwendigen 
vollen Modalitäten (einen bereits relativ eng formulierten Rahmen 
mit konkreten Zahlen und Formeln) verabschieden können. Es zeichnete 
sich aber bereits Wochen vor der Konferenz ab, dass dieses Ziel wohl 
kaum noch zu erreichen sein wird. Zu weit schienen die Positionen 
auseinander zu liegen. Der Verhandlungsstand war unausgewogen, in 
vielen Facetten allzu einseitig und teilweise sogar einer Vertiefung 
des Welthandelssystems an sich abträglich.
Schwierige Ausgangslage für die Minister
Beim Entwurf einer Ministererklärung von Hongkong, ein 
neunseitiges Dokument mit mehreren umfangreichen Anhängen zu 
einzelnen Sachthemen, handelte es sich dann im Wesentlichen auch um 
nichts anderes als ein Spiegelbild des desolaten Zustandes der 
Verhandlungen. Klar herausgearbeitet waren die unterschiedlichen 
Positionen, vor allem in Bezug auf die Verhandlungsgebiete Handel 
mit Agrarerzeugnissen oder mit Industrieprodukten, die für Hongkong 
als Kernfragen bezeichnet wurden. Aus europäischer Sicht war dieser 
enttäuschende Verhandlungsstand darauf zurückzuführen, dass bisher 
ernstlich nur über den Agrarhandel, nicht aber auch über 
Industriegüter, Dienstleistungen und WTO-Regeln verhandelt worden 
ist. Tatsächlich haben es die grossen Agrarexporteure wie Brasilien, 
Australien und Argentinien verstanden, alle anderen 
Verhandlungsthemen als die Liberalisierung des Handels mit 
Agrarprodukten praktisch zu boykottieren. Um das Ziel des 
Verhandlungsabschlusses Ende 2006 beibehalten zu können, war die 
grosse Herausforderung für Hongkong die Verhandlungen wieder ins 
Gleichgewicht zu bringen und zumindest bei den Kernfragen den 
notwendigen grundsätzlichen Durchbruch zu schaffen, bei der 
bekannten Ausgangslage eine schwierige Aufgabe für die Minister.
Das Entwicklungspaket
Vor allem die Europäer forderten, den Entwicklungsländern seitens 
der Industrieländer und der wirtschaftlich fortgeschrittenen 
Schwellenländern bereits in Hongkong ein konkretes Entwicklungspaket 
au den Tisch zu legen. Sie sollen insbesondere eine Befreiung von 
deren Lieferungen von Zöllen und mengenmässigen Kontingenten für 
Agrar- und Industrieprodukte, eine Erleichterung bei den 
Ursprungszeugnissen, Aspekte einer finanziellen Hilfeleistung und 
eine Berücksichtigung der Erosion der Handelspräferenzen umfassen. 
Weiter wurden die WTO-Mitglieder aufgefordert, zugunsten dieser 
Entwicklungsländer nationale Konzessionen vorzubereiten, um welche 
in Hongkong ein multilateraler Rahmen gezogen werden kann. In diesem 
Entwicklungspaket sollen sich auch unmittelbar multilaterale 
Sonderregelungen zugunsten der ärmsten Länder der Dritten Welt 
finden. Einige dieser Regelungen konnten schon im Vorfeld der 
Konferenz beschlossen werden. So wird diesen ärmsten 
Entwicklungsländern bis zum Juli 2013 Zeit gelassen, um die 
einschlägigen Bestimmungen des WTO-Abkommens über geistige 
Eigentumsrechte (Trips-Vereinbarung) zu erfüllen (die Übergangsfrist 
wäre nämlich am 1. Januar 2006 abgelaufen). Ferner wird ihnen 
namhafte Hilfe geleistet werden, um in dieser verlängerten 
Implementierungsfrist den zukünftigen Verpflichtungen besser 
nachkommen zu können. Beim Patentschutz auf pharmazeutische Produkte 
gilt diese Sonderbehandlung ohnehin bereits bis 2016. In die gleiche 
Richtung geht der in der letzten Woche vor Hongkong gefasste 
Beschluss, den im August 2003 über eine Sonderermächtigung 
verwirklichten Beschluss in das Trips-Abkommen zu integrieren, um 
den Entwicklungsländern im Falle von epidemischen Krankheiten einen 
erleichterten Zugang zu Pharmaerzeugnissen – allenfalls über 
Zwangslizenzen – zu gewähren.
Liechtensteinisches Statement
In der einführenden Generaldebatte unterstrich Liechtensteins 
Aussenministerin Rita Kieber-Beck die Bedeutung, die einem 
erfolgreichen Abschluss der Welthandelsrunde und einer weiteren 
Stärkung des multilateralen Handelssystems für die Weltwirtschaft 
zukommt. Trotz einigen nennenswerten Fortschritten sei Liechtenstein 
über den Stand der Verhandlungen besorgt und enttäuscht. Die 
Verhandlungen in Genf hätten gezeigt, wie schwierig es sei, die 
nationalen Interessen und Zielsetzungen so vieler unterschiedlicher 
Staaten bzw. Wirtschaften unter einen Hut zu bringen. Um die 
Differenzen zu überwinden brauche es Mut und Weitsicht.
Die liechtensteinische Aussenministerin rief nochmals die 
Zielsetzungen der Runde in Erinnerung, einschliesslich deren 
Entwicklungskomponente, zu denen Liechtenstein nach wie vor 
vollumfänglich stehe. Sie kritisierte die zu einseitige Ausrichtung 
der bisherigen Verhandlungen auf das Agrardossier und wies darauf 
hin, dass letztlich nur ein gut ausbalanciertes Ergebnis den 
notwendigen Konsens finden könne. Aufgrund der liechtensteinischen 
Interessenlage hat Regierungsrätin Kieber-Beck für eine ambitiöse 
Lösung für die Liberalisierung im Handel mit Industriegütern und 
Dienstleistungen und die weitere Beseitigung von nichttarifären 
Handelshemmnissen plädiert. Handelsliberalisierungen seien keine 
Einbahnstrasse, sie können sowohl für Industriestaaten als auch für 
Entwicklungsländer, im Speziellen für Schwellenländer, bedeutende 
Wohlstandsgewinne bringen. Allerdings seien die am wenigsten 
entwickelten Länder von jeglichen Konzessionsverpflichtungen 
auszunehmen.
Etwas nuancierter argumentierte sie in Bezug auf den Agrarhandel. 
Es sei keine Frage, dass einerseits die Agrarwirtschaften der 
Industriestaaten weiter reformiert werden müssen und dass diese 
andererseits in vielen Entwicklungsländern der bedeutendste 
Wirtschaftszweig sei. Sie wies aber darauf hin, dass in Bezug auf 
die komparativen Vorteile nicht alle Entwicklungsländer aus der 
gleichen Warte gesehen werden können. Liechtenstein unterstütze 
deshalb eine spezielle und differenzierte Behandlung der 
Entwicklungsländer und die Sonderbehandlung der am wenigsten 
entwickelten Länder. Im Agrarsektor müsse aber allen Sensibilitäten, 
auch den unsrigen, und Aspekten wie Multifunktionalität und 
Nachhaltigkeit der Landwirtschaft Rechnung getragen werden. Es gehe 
nicht nur um Nahrungsmittelproduktion. Gewisse Schutzmechanismen an 
der Grenze und die Abgeltung gewisser landwirtschaftlichen 
Leistungen müssen WTO-kompatibel bleiben. Zum Schluss unterstützte 
Regierungsrätin Kieber-Beck auch nochmals ausdrücklich die 
Verabschiedung des zur Diskussion stehenden Entwicklungspakets.
Treffen und Presskonferenz der G-10 Gruppe
Die G-10 Staaten, denen auch die Schweiz und Liechtenstein 
angehören, haben bereits vor der Generaldebatte zu einer 
Pressekonferenz eingeladen, die aufgrund der Brisanz der 
Agrarverhandlungen auf grosses Interesse stiess. Die G-10 Staaten 
verbindet mit der liechtensteinischen vergleichbare Agrarpolitiken, 
im Speziellen die Multifunktionalität der Landwirtschaft. Sprecher 
der Gruppe der 10 ist die Schweiz.
Treffen schliesst mit Minimalkonsens ab
Das Treffen in Hongkong hat nicht die insgeheim erhofften 
Resultate gebracht. Angesichts der schwierigen Ausgangslage kann 
aber keineswegs von einem Scheitern der Konferenz gesprochen werden. 
Es wurden ein Minimalkonsens und zumindest gewisse Fortschritte 
erzielt. An der Schlusssitzung zeigte sich der WTO-Generaldirektor 
darüber zufrieden, dass die Welthandelsrunde neu zugunsten der 
Entwicklungsländer ausbalanciert worden sei. Die konkretesten 
Entscheide gab es dann auch zur Förderung und zur weiteren 
Eingliederung der ärmsten Länder in das Welthandelssystem. Neben den 
schon im Vorfeld der Konferenz getroffen Beschlüssen zugunsten der 
Entwicklungsländer werden die rund 50 ärmsten Länder der Welt einen 
zoll- und quotenfreien Zugang ihrer Produkte zu den Märkten der 
Industrie- und Schwellenländer erhalten. Die Sonderregelung gilt bis 
2008 und betrifft 97 Prozent der Exportprodukte. Für das vor allem 
westafrikanische Staaten betreffende Problem der Baumwolle konnte 
die Abschaffung der Exportsubventionen erreicht werden, nicht jedoch 
die Auflassung der internen Subventionen der Amerikaner. Hingegen 
konnten sich die WTO-Mitglieder zugunsten der Dritten und der 
Vierten Welt auf die Auflassung sämtlicher wettbewerbsverzerrender 
Agrar-Exportsubventionen bis 2013 einigen. Bei der Zollsenkung für 
Industriegüter konnten die Industriestaaten jedoch durchsetzen, dass 
die bisher diskutierte Formel, wonach höhere Zölle stärker gekürzt 
werden, im Text bleibt. Die ärmsten Länder sind von dieser Formel 
ausgenommen. Da vor allem Brasilien versuchte, die Verhandlungen mit 
Maximalforderungen im Bereich Marktzugang für Agrarprodukte zu 
monopolisieren ging viel wertvolle Verhandlungszeit verloren, so 
dass der Dienstleistungssektor, an dem vor allem die entwickelten 
Staaten interessiert sind, praktisch nicht diskutiert werden konnte. 
Jedoch gelang es, entgegen entsprechenden Anträgen, die 
Dienstleistungen in den Verhandlungen zu behalten. Bei den beiden 
Verhandlungsbereichen Marktzugang für Industrieerzeugnisse und 
Dienstleistungen kann also nicht von Fortschritten, sondern eher von 
der Wahrung des Status quo gesprochen werden. Auch im Agrarsektor 
konnten die Positionen in Bezug auf den Abbau der internen 
handelsverzerrenden Subventionen und den Zollabbau nicht weiter 
angenähert werden, es wurde aber auch keine der auf dem Tisch 
liegenden Optionen aus dem Text genommen. Der Fortschritt von 
Hongkong ist, dass der Rahmen für die weiteren Verhandlungen etwas 
weiter präzisiert werden konnte. Auf dieser Basis kann in Genf nun 
weiter verhandelt werden. Die ursprünglich für Hongkong vorgesehene 
Verabschiedung der Modalitäten soll nun Ende April 2006 erfolgen. Am 
Ziel, die Verhandlungen bis Ende 2006 abzuschliessen, wird 
festgehalten.

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