pafl: Homosexuelle Menschen und Diskriminierung in Liechtenstein
Vaduz (ots)
Homosexuelle Menschen sind in Liechtenstein Diskriminierung und Stigmatisierung ausgesetzt. Mit der nun vorliegenden Untersuchung kann ein erster Vergleich (homosexuelle und allgemeine Bevölkerung) in Feldern wie Stigmatisierung am Arbeitsplatz, Alltagsdiskriminierung, Gewalterfahrung, psychischer Stress und Suizidalität gezogen werden.
Im Rahmen des Europäischen Jahres der Chancengleichheit wurde die Stabsstelle für Chancengleichheit in Zusammenarbeit mit der Gruppe FLay beauftragt, eine Untersuchung zur Diskriminierung homosexueller Menschen durchzuführen. Die Untersuchung wurde mittels zweier Erhebungen erstellt: Das Institut für Markt- und Meinungsforschung Berndt in Göfis führte eine Erhebung bei 417 Personen der Wohnbevölkerung in Liechtenstein durch. Über die Gruppe FLay wurde eine Online-Umfrage bei Personen, die homosexuell sind, durchgeführt. Die Erstellung der Fragebögen, Zusammenführung und Auswertung der beiden Erhebungen übernahm Jen Wang, Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich.
Untersuchungsergebnisse
Diskriminierung aufgrund der Herkunft ist laut 53 Prozent der liechtensteinischen Bevölkerung am meisten verbreitet. An zweiter Stelle folgt eine Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung mit 36 Prozent. Weiter Diskriminierungsgründe sind: aufgrund der Behinderung mit 18 Prozent, aufgrund des Alters mit 18 Prozent und aufgrund des Geschlechts mit 16 Prozent. Aus Sicht der homosexuellen Menschen sind doppelt so viele von ihnen (71 Prozent) der Meinung, dass Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung in Liechtenstein verbreitet sei.
Kampf gegen alle Arten der Diskriminierung: Weniger als die Hälfte der EU-Bürger/innen (45 Prozent) sind der Meinung, dass in ihrem Land genug gegen alle Arten von Diskriminierung unternommen wird. In Österreich (AT 61 Prozent) und Liechtenstein (FL 64 Prozent) sind fast zwei Drittel dieser Meinung. Hingegen stimmen dieser Aussage nur 4 Prozent der homosexuellen Befragten in Liechtenstein zu.
Stigmatisierung der Homosexuellen: Eine grosse Mehrheit in der EU25 (68 Prozent), AT (63 Prozent) und FL (67 Prozent) stimmt zu, dass es für homosexuelle Menschen schwierig ist, am Arbeitsplatz ihre sexuelle Orientierung zu bekennen. Dies trotz Diskriminierungsschutz am Arbeitsplatz in der EU! Auch eine Mehrheit in der EU25 (55 Prozent), AT (54 Prozent) und FL (58 Prozent) stimmt der Aussage zu, dass Homosexualität in ihrem Land immer noch ein Tabuthema sei.
Fast alle homosexuellen Probanden und Probandinnen stimmen der Schwierigkeit des Coming-out am Arbeitsplatz (93 Prozent) und dem Tabu der Homosexualität in Liechtenstein (87 Prozent) zu.
Alltagsdiskriminierung: Eine grosse Minderheit der liechtensteinischen Bevölkerung gibt an, dass sie weniger gut wie andere Leute behandelt wird, auch wenn dies nur selten passiert. Die Mehrheit (58 Prozent) der homosexuellen Probanden/innen hingegen muss sich in ihrem Alltag deplazierte Witze anhören, 61 Prozent spüren, dass von ihnen weniger gehalten wird und 68 Prozent erleben eine verspannte Haltung ihnen gegenüber.
Erfahrung von Gewalt: Die Forschungsergebnisse zeigen auf, dass Gewalterfahrungen die Gesundheit stark beeinträchtigt. Verbale Gewalt wird am häufigsten erlebt: 32 Prozent der liechtensteinischen Bevölkerung wurde schon beschimpft oder beleidigt, 18 Prozent wurde bedroht oder belästigt. Etwa jede 10. Person wurde sexuell belästigt (12 Prozent), geschlagen oder verletzt (10 Prozent) oder zu einer sexuellen Handlung gezwungen (10 Prozent).
Bei den homosexuellen Probanden/innen ist die Reihenfolge dieselbe. Allerdings hat ein signifikant höherer Anteil von ihnen Gewalt erlebt. 53 Prozent der homosexuellen Menschen wurden beschimpft oder beleidigt und 40 Prozent wurden bedroht oder belästigt.
Psychischer Stress und Suizid: Die soziale Ungleichheit kann schädlich auf die Gesundheit der Betroffenen wirken. Hier wurde der psychische Stress in den letzten 4 Wochen in beiden Stichproben erfasst. Ein Drittel der liechtensteinischen Bevölkerung (31 Prozent) hat hohen oder mittleren Stress erlebt, bei den homosexuellen Probanden/innen gab dies gut die Hälfte an (53 Prozent). Ferner haben 50 Prozent der homosexuellen Menschen in Liechtenstein in ihrem Leben schon Selbstmordgedanken gehabt; 38 Prozent haben Selbstmordpläne gemacht; 11 Prozent haben einen Selbstmordversuch unternommen.
Handlungsfelder
Die homosexuelle und allgemeine Bevölkerungen in Liechtenstein sind sich einig: Die Diskriminierung nach sexueller Orientierung stellt ein Problem dar. Dabei schätzen die homosexuellen Menschen die Lage gravierender ein als die Gesamtbevölkerung.
Die aufgezeigten Problembereiche machen deutlich, dass verschiedene Handlungsfelder genauer zu prüfen und Massnahmen abzuleiten sind.
Kontakt:
Stabsstelle für Chancengleichheit
Bernadette Kubik-Risch
Tel.: +423/236 60 60