Bundesamt f. Umwelt, Wald und Landschaft
Bern, 26. April 2004 Waldpolitik: Erfahrungsaustausch Schweiz - Indonesien Dezentralisierung braucht klare Leitplanken
Bern (ots)
Seit den Kahlschlägen vor 150 Jahren hat sich der Wald in der Schweiz gut erholt. Dies nicht zuletzt dank der föderalen Zusammenarbeit kombiniert mit einer starken gesetzlichen Regelung auf nationaler Ebene. Dieses Modell stösst international auf grosses Interesse: Es bietet einen der Schlüssel zur Erhaltung gefährdeter Wälder in den Tropen und anderen Klimagebieten. In Interlaken nehmen vom 27. bis 30. April 2004 an einem von der Schweiz und Indonesien initiierten Workshop 170 Gäste aus über 50 Ländern teil.
In den Tropen verschwindet täglich Wald auf einer Fläche von 25'000 Fussballfeldern. Ein wesentlicher Grund dafür wird heute in der Eigentumsordnung und der staatlichen Organisation geortet: Zentral- oder Provinzregierungen beanspruchen rund 77 Prozent der weltweiten Waldfläche als Eigentum, obwohl viele dieser Wälder oft seit langer Zeit durch lokale Gemeinschaften genutzt werden. Wo die lokale Bevölkerung mehr Entscheidungsmacht und ein Einkommen aus der Waldnutzung erhält, nimmt im Allgemeinen auch die Motivation für eine sorgfältigere Bewirtschaftung der Ressource und zu deren Erhaltung zu. In den letzten Jahren hat deshalb in Dutzenden von Ländern ein Wandel in Richtung Dezentralisierung eingesetzt.
Indonesiens Probleme mit der noch jungen Dezentralisierung Indes: Länder, die ihre staatliche Organisation dezentralisieren, stossen immer wieder auf vergleichbare Probleme. Sei dies nun die Schweiz des 19. Jahrhunderts (siehe Faktenblatt 1) oder zum Beispiel das heutige Indonesien mit seinen Tropenwäldern. - Waldzerstörung als Auslöser für Dezentralisierung. 2001 hat Indonesien begonnen, die zentralstaatliche Autorität rasch und mit minimalster Vorbereitung in die Regionen zu verlagern. Ein wesentlicher Auslöser für den Dezentralisierungsprozess war die massive, durch das zentralistische Regime Suhartos ausgelöste Waldzerstörung. - Druck auf den Wald besteht weiter. Immer noch werden jedoch jedes Jahr gegen 60 Millionen Kubikmeter Holz - rund 13-mal die Holzproduktion der Schweiz - ohne Bewilligung der Behörden gefällt. Gleichzeitig verschwinden jährlich zwei Millionen Hektar Naturwald zugunsten von Baumplantagen, Ölpalmen und anderer Agrarprodukte. - Unklare Gesetzeslage. Internationale Organisationen und Geberländer orten die Gründe in den Unschärfen der Dezentralisierungsgesetze und der damit bestehenden hohen rechtlichen Unsicherheit. Weil gleichzeitig die Holz verarbeitende Industrie, die in der Ära Suharto aufgebaut wurde, bedeutende Rohstoffmengen benötigt, wird überall illegal Holz geschlagen.
Rechtssicherheit und Mitsprache der Betroffenen Damit die Ressource Wald nachhaltig genutzt werden kann und die Dezentralisierung erfolgreich abläuft, sind unter anderem folgende Rahmenbedingungen wesentlich: - Eigentums- und Nutzungsrechte. Es braucht gesetzliche Leitplanken auf nationaler Ebene, welche die Eigentums- und Nutzungsrechte der Wälder klar zuteilen (vorzugsweise an lokale öffentliche Waldbesitzer) und deren Durchsetzung ermöglichen. Dadurch entsteht jene Rechtssicherheit, die notwendig ist, damit die lokale Bevölkerung (Gemeindeebene) den Wald langfristig und nachhaltig bewirtschaften kann. Fehlende Rechtssicherheit führt zu Holzraub und Entwaldung. - Mitsprache und Verantwortlichkeit der lokalen Bevölkerung und Behörden. Die lokale Bevölkerung ist dann motiviert, die Ressourcen in ihrer Nähe zu bewirtschaften und zu erhalten, wenn sie Mitspracherechte hat und die Verantwortlichkeiten klar geregelt sind. Dasselbe gilt für die lokalen Behörden. - Forstdienst als Vermittler. Den Forstdiensten (in der Schweiz auf Kantonsebene angesiedelt) kommt im Rahmen der Dezentralisierung eine besondere Rolle zu: Sie können einerseits für die Durchsetzung des nationalen und lokalen Rechts sorgen und andererseits die lokale Bevölkerung bei der optimalen Bewirtschaftung der Ressource Wald beraten.
Erfahrungsaustausch am Interlaken Workshop Mit dem Interlaken Workshop vom 27. bis 30. April will die Schweiz zusammen mit Länderpartnern wie Indonesien, Brasilien, Ghana, der Russischen Föderation und Kanada (die beteiligten Länder repräsentieren insgesamt mehr als 70 Prozent der weltweiten Waldfläche) die Rolle der Dezentralisierung als Schlüssel zur Erhaltung der Wälder ausleuchten. Länder, die sich in einem Dezentralisierungsprozess befinden, werden Erfahrungen austauschen und die heiklen Fragen diskutieren, die sich beim Übergang der Verantwortung von Zentralstaaten an lokale Gremien stellen. Dass diese heute überhaupt erörtert werden können, ist ein grosser Fortschritt und bedeutendes Ergebnis des UNO-Waldforums (siehe Faktenblatt 3).
Nebst dem BUWAL und der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) beteiligen sich auch die Stiftung für Entwicklungszusammenarbeit Intercooperation sowie der Kanton Bern an der Durchführung des Workshops. Anhand von vier Exkursionen im Berner Oberland und Emmental zeigt die Schweiz, wie die Zusammenarbeit der verschiedenen staatlichen Ebenen mit öffentlichen und privaten Waldeigentümern funktioniert (siehe Kasten).
BUWAL BUNDESAMT FÜR UMWELT, WALD UND LANDSCHAFT Pressedienst
Auskünfte - Philippe Roch, Direktor BUWAL, 079 277 51 88 - Christian Küchli, Chef Sektion Wald und gesellschaftlicher Wandel BUWAL, 079 777 67 83
Beilagen - Faktenblatt 1: Die Erfahrungen der Schweiz - Faktenblatt 2: Aktivitäten der DEZA im Waldbereich - Faktenblatt 3: Globale Plattform für die internationale Waldpolitik Internet - http://www.umwelt-schweiz.ch/interlaken - http://www.intercooperation.ch/news2.php?id=88 - http://www.cifor.cgiar.org/int/_ref/events/swiss/index.htm
Vier konkrete Beispiele aus dem Berner Oberland und Emmental Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Interlaken Workshop lernen am Mittwoch, 28. April 2004 konkrete Beispiele des Schweizer Dezentralisierungs-Modells kennen. Folgende Exkursionen stehen auf dem Programm: - Emmental: Voraussetzungen für eine nachhaltige Bewirtschaftung im Privatwald, Abfahrt Casino-Kursaal Interlaken, 7.45 Uhr. - Brienzer Wildbäche: Zusammenarbeit Bund-Kanton im Schutzwaldbereich, Abfahrt Casino-Kursaal Interlaken, 8 Uhr. - Boltigen: Schnittstelle Kanton/öffentlicher Waldeigentümer, Abfahrt Casino-Kursaal Interlaken, 8 Uhr. - Kleiner Rugen - Mürren - Isenfluh: Föderales Zusammenspiel im zeitlichen Wandel, Ab-fahrt Casino-Kursaal Interlaken, 8 Uhr. Die Ausflüge stehen auch den Medien offen. Eine Anmeldung ist obligatorisch. Interessierte Medienschaffende nehmen bitte Kontakt auf mit Adrian Aeschlimann, Informationsbeauftragter BUWAL, Tel. 079 277 51 83.