Interview mit Josef Renggli, Entlebuch, zum neuen Finanzausgleich
Luzern (ots)
Die Frage nach der Zukunft
Josef Renggli ist Entlebucher Gemeindeamman und Grossrat aus dem gleichnamigen Amt. Damit kennt er den neuen Finanzausgleich aus Sicht der Gemeinden und des Kantons, und grundsätzlich findet er ihn gut. Doch es gibt auch ein Wenn und Aber". Vor allem Gedanken an die Zukunft plagen ihn.
Die Entlebucher Gemeinden sind nicht sehr glücklich über den neuen Finanzausgleich. Stimmt dieser Eindruck?
Josef Renggli: Diese Wahrnehmung stimmt grundsätzlich, aber ich stelle Unterschiede fest. Bei der Frage nach der Zukunft besteht - auch bei mir - noch eine grosse Ungewissheit. Wie sieht das aus, wenn grosse Aufgaben anstehen? Und die stehen an bei einigen Gemeinden im Entlebuch an. Mit der finanziellen Mindestausstattung zwischen 70-90 Prozent des Luzerner Mittels sind uns Grenzen gesetzt. Das ist vielleicht genug zum Leben, aber ich frage mich, ob die Gemeinden noch Entwicklungsmöglichkeiten haben.
Im neuen Finanzausgleich kommt das Entlebuch pro Kopf der Bevölkerung um rund Fr. 20.- besser weg als bisher. Das Klagen und die damit verbundene Unsicherheit überraschen.
JR: Mit den vorliegenden Zahlen könnte die Gemeinde Entlebuch die kommenden Jahre nicht bestreiten. Aus der Rechnung 2000 ergab sich ein Defizit von 1 Mio. Franken, weil wir Steuern zurück zahlen mussten. Grosse Firmen und das Gewerbe haben gewaltig investiert, gleichzeitig traf sie die Rezession. Für die Gemeinde hat sich das erst jetzt richtig ausgewirkt. Das bedeutet, dass wir einen ganz anderen Finanzausgleich haben als berechnet. Was machen wir mit solchen Krisensituationen?
Aber nicht alle Entlebucher Gemeinden sind in dieser Situation!
JR: Das stimmt, keine andere Gemeinde trägt dieses sogenannte Klumpenrisiko", deshalb sieht es dort etwas anders aus. Aber drei bis vier Gemeinden gehören zu jenen, die mit dem neuen Finanzausgleich schlechter wegkommen.
Wie beurteilen Sie denn den neuen Finanzausgleich?
JR: Ich unterstütze das System. Seit ich Gemeindeammann bin, hat es mich sehr gestört, dass wir wegen des kleinsten Details beim Kanton fragen mussten. Klar brauchen wir Geld, und das bekommen wir im neuen Finanzausgleich. Das System ist deshalb gut. Zum anderen denke ich, dass die Politik für die Bürgerinnen und Bürger wieder interessanter wird. Sie werden wieder vermehrt die Gemeindever-sammlungen besuchen und den Behörden auf die Finger schauen.
Hand aufs Herz, ist es nicht auch bequem, wenn das Defizit am Ende vom Kanton bezahlt wird?
JR: Finanzverwalter Kurt Stalder spricht diesbezüglich von der Abholmentalität. Mich stört dieser Begriff. Das ist gegenüber jenen ungerecht, die bisher versucht haben, mit dem vorhandenen Geld vernünftig umzugehen. Sicher gibt es diesbezüglich im Entlebuch verschiedene Mentalitäten.
Wenn ich Ihre Einschätzung richtig interpretiere, besteht im Entlebuch vor allem Angst vor der Zukunft.
JR: Kleinere Gemeinden hegen die Befürchtung, dass sie nicht länger überlebens-fähig sind und es in Richtung Fusion geht. Aber es warten auch sehr viele Aufgaben auf die Gemeinden und davor existiert Angst: Aufgaben beim Abwasser, dann die ganze Umstrukturierung der Schule mit Frühenglisch, EDV, Kurzzeit-Gymasium Schüpfheim usw. Das trifft einige Gemeinden empfindlich.
An den Hearings zum neuen Finanzausgleich wurde aber vom Regierungsrat signalisiert, dass die Bildungsfrage nochmals angeschaut wird.
JR: Ja, das stimmt, und auch die bewilligten Investitionen bis 2002 werden berücksichtigt. Aber wir sind der Meinung, dass das Entschuldungssystem nicht ausreicht.
Warum nicht?
JR: Das System lässt einige Fragen offen: Sind die Darlehen des Investitionshilfe-gesetztes eingeschlossen? Was passiert mit den Zinsen, wenn sie plötzlich in die Höhe gehen? Da bestehen Unsicherheiten. Persönlich denke ich, dass der Kanton für die Entschuldung etwas mehr Geld bereitstellen sollte.
Sie haben gesagt, die kleinen Gemeinden würden sich vor einem vermehrten Zusammengehen mit anderen fürchten. Tatsache aber ist, dass mit dem neuen Finanzausgleich gerade das auch erwünscht ist. In Sachen Gemeindeprojekten aber ist im Entlebuch noch nicht sehr viel geschehen.
JR: Das kann ich nicht bestätigen. Zum Beispiel haben wir im gesamten Amt das gleiche Bauamt, wir haben den Zivilschutz und die Abgaskontrolle zusammen geschlossen, Abwasser- und Kehrichtentsorgung werden gemeinsam gelöst und die Steuerämter stehen in Diskussion.
Ich höre Klagen, ich höre von Angst - gibt es denn keine Entwicklungsperspektiven für das Entlebuch?
JR: Wir haben wenig Industrie, das ist unser Problem. Doch die Entwicklung müsste Richtung Biosphärenreservat weiter gehen. Wir müssen unsere Stärken ausbauen und das geht Richtung Tourismus, hin zum Ganzjahres-Tourismus zum Beispiel. Doch wenn wir wirklich für unsere Region etwas tun wollen, dann müssen wir investieren. Da frage ich mich: Wo holen wir das Geld her?
Interview: Bernadette Kurmann, Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit, Amt für Gemeinden
Kontakt:
Staatskanzlei Luzern, Tel 041 228 6000
Von Josef Renggli gibt es ein Foto (digital). Auf Wunsch zu
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