Volksinitiative "betreffend Stipendiengesetz - Bildung für alle!": Regierungsrat weist Einsprache ab
Luzern (ots)
Der Regierungsrat hat - soweit er darauf eingetreten ist - eine Einsprache gegen die kantonale Volksabstimmung vom 25. September 2005 über die Volksinitiative "betreffend Stipendiengesetz - Bildung für alle!" abgewiesen. Drei Personen hatten am 2. September 2005 verlangt, die Begründung im regierungsrätlichen Abstimmungsbericht zur Volksinitiative zum Stipendiengesetz zu korrigieren, allenfalls die Abstimmung vom 25. September 2005 zu verschieben und "eine korrekte Begründung" an die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger auszufertigen.
Die Initiative "betreffend Stipendiengesetz - Bildung für alle!" verlangt eine Änderung des kantonalen Stipendiengesetzes. Sie fordert in erster Linie, dass der Regierungsrat die Ansätze für die anerkannten Lebenshaltungskosten gemäss SKOS-Richtlinien festlegt. Der Grosse Rat hat die Initiative am 7. März 2005 abgelehnt. Die Einsprecher bemängeln hauptsächlich, dass in der Abstimmungsbotschaft bei einer Annahme der Initiative von einem Mehraufwand von rund 11 Millionen - davon 7,5 Millionen Franken als Folge der Anpassung an die SKOS-Richtlinien - ausgegangen werde. Dies werde als Hauptargument gegen die Initiative angeführt. Da die SKOS-Richtlinien unterdessen revidiert worden seien, treffe die Berechnung der Mehrkosten in der Abstimmungsbotschaft nicht zu. Die Mehrkosten würden lediglich 5,1 Millionen Franken ausmachen. Mit dem ausschliesslichen Kostenargument im Abstimmungsbericht werde daher die Willensbildung der Stimmbürger verfälscht und unerlaubt beeinflusst.
Andere Berechnungsgrundlagen
In der Botschaft vom 9. November 2004 an den Grossen Rat ist der Regierungsrat bei der Berechnung der Mehraufwendungen tatsächlich von den damals geltenden SKOS-Richtlinien ausgegangen. Eine Anpassung der Lebenshaltungskosten an die heute geltenden SKOS-Richtlinien, die im Kanton Luzern seit dem 1.Juli 2005 teilweise angewendet werden, hätte Mehrkosten von knapp 4 Millionen Franken und nicht wie die Einsprecher behaupten 1,5 Millionen Franken zur Folge. Die Differenz zur Berechnung des Initiativkomitees ergibt sich aus einem anderen angerechneten Grundbedarf von Jugendlichen, die auswärts wohnen, und anderen monatlichen Höchstwohnkosten. Zusammen mit den übrigen Mehrkosten von 2,2 Millionen Franken für die Hinaufsetzung des Freibetrags beim Elternbeitrag und von 1,4 Millionen Franken für eine Ausdehnung der vollen Stipendierung würden bei Annahme der Initiative Mehrkosten von total 7,6 Millionen resultieren.
Verdoppelung der Ausgaben nicht einziges Argument
Im Abstimmungsbericht ist das Argument der Verdoppelung der Ausgaben bei Annahme der Initiative als erstes, aber nicht einziges Argument für die Ablehnung der Initiative angeführt. Gegen die Initiative werden mehrere Gründe dargelegt und im Bericht des Regierungsrates einzeln abgehandelt. Zum einen wird auf das seit 1. August 2003 gültige, total revidierte Stipendiengesetz verwiesen, das sich in der Praxis bewährt hat. Die Stellung Luzerns im interkantonalen Bereich ist dadurch verbessert worden. Auch in der Wiedergabe der Verhandlungen des Grossen Rates wird klar aufgezeigt, dass die seit dem Jahr 2003 geltende Regelung über die Ausbildungsbeiträge wirkungsvoll und flexibel ist. Nebst der Tatsache, dass die bildungspolitischen Zielsetzungen erreicht wurden, brachte die neue Gesetzgebung auch eine massvolle Erhöhung der Stipendienausgaben mit sich. Zudem ergibt sich aus der Stellungnahme des Regierungsrates zur Initiative und aus seiner Abstimmungsempfehlung, dass sich die Stipendienaufwendungen unter dem neuen Stipendiengesetz auf dem Niveau von ca. 12 bis 13 Millionen Franken einpendeln sollen und kein weiterer Anstieg bei den Stipendien beabsichtigt ist. Zum anderen wurde die Anwendung der SKOS-Richtlinien auf die Berechnung der Ausbildungsbeiträge generell, das heisst nicht nur aus finanziellen Gründen, abgelehnt, da die Ausbildungsbeiträge nichts mit Sozialhilfe zu tun haben und nicht zu den Sozialleistungen zu zählen sind.
Auch die beiden weiteren Forderungen des Initiativkomitees, die Freigrenze auf 45'000 Franken anzuheben und für Erstausbildungen Beiträge nur in Form von Stipendien zu gewähren, wurden vom Grossen Rat abgelehnt, im Abstimmungsbericht behandelt und die Sichtweise von Befürwortern und Gegnern dargelegt.
Anspruch der Stimmberechtigten nicht verletzt
Mehraufwendungen von insgesamt 7,6 anstelle von rund 11 Millionen Franken würden immer noch zu einem Anstieg der Ausgaben im Stipendienwesen um rund 63 Prozent führen (bzw. zu über 100 Prozent gegenüber dem Stand im Jahr 2002). Selbst wenn "nur" von 5,1 Millionen Franken ausgegangen würde, käme es gegenüber heute zu einer Kostensteigerung von über 40 Prozent. Die Wertung der finanziellen Auswirkungen auf den Kanton im Abstimmungsbericht ist daher nach wie vor zutreffend, nicht jedoch das Ausmass des Anstiegs. Entscheidend ist, dass mit erheblichem Mehraufwand zu rechnen ist. Bei dieser Ausgangslage ist daher davon auszugehen, dass das Argument, welche Höhe an Mehrausgaben im Stipendienwesen die Annahme der Initiative im Stipendienwesen genau bewirkt, nicht ausschlaggebend ist, zumal Grosser Rat und Regierungsrat für die Ablehnung der Initiative verschiedene Gründe angeführt haben (neues Stipendiengesetz, das sich bewährt; Begrenzung der Aufwendungen; grundsätzlicher Verzicht auf die Anwendung der SKOS-Richtlinien). Der Anspruch der Stimmberechtigten, bei der kommenden Abstimmung ihren freien Willen zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck zu bringen, ist nicht verletzt.
Der Regierungsrat hat daher die Einsprache abgewiesen und angeordnet, dass der Klarheit halber über den Entscheid informiert werden soll. Der Entscheid des Regierungsrates ist kantonal letztinstanzlich und kann mit staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden.
Hinweis:
- SKOS-Richtlinien: Richtlinien für die Ausgestaltung und die Bemessung der Sozialhilfe hrsg. von der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe
Rückfragen: Josef Widmer, Leiter Berufs- und Erwachsenenbildung BKD Tel.: +41/41/228'52'25 oder +41/79/681'44'05
Kathrin Graber, jur. Mitarbeiterin Amt für Gemeinden Tel.: +41/41/228'51'41