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Staatskanzlei Luzern

Kanton Luzern veröffentlicht Sozialbericht

Luzern (ots)

Der Vorsteher des Gesundheits- und
Sozialdepartements des Kantons Luzern, Regierungsrat Markus Dürr, hat
den „Sozialbericht des Kantons Luzern" vorgestellt. Das 450 Seiten
starke Werk analysiert erstmals und systematisch Zustand und Wandel
der Lebensbedingungen und Lebensformen der Luzerner Bevölkerung.
Spannend, informativ, aufschlussreich: Mit diesen Worten lobte
Regierungsrat Markus Dürr vor den Medien den ersten umfassenden
Grundlagenbericht zur sozialen Lage der Menschen im Kanton Luzern.
Das Werk soll nun erstens als Grundlage für eine umfassende
Sozialpolitik dienen, zweitens eine gezielte Präventionspolitik
ermöglichen und drittens zur Versachlichung der Diskussion beitragen.
Erarbeitet hatte es im Auftrag des Gesundheits- und
Sozialdepartements das Amt für Statistik (AfS), und zwar unter
fachlicher Begleitung des Kantonalen Sozialamts (KSA) mit Vorsteherin
Irmgard Dürmüller Kohler. Die wissenschaftliche Leitung lag bei
AfS-Vorsteher Gianantonio Paravicini Bagliani. Anhand der
sozialpolitisch zentralen Problem-, Spannungs- und Handlungsfelder
erläuterte er die wichtigsten Ergebnisse.
Wohlstand und Armut:
Obwohl sich Wohlstand und Lebensqualität in den letzten
Jahrzehnten generell verbessert haben, dreht sich die Armutsspirale
weiter. Ohne staatliche Beihilfe müssten im Kanton Luzern fast 36'000
Menschen ab 25 Jahren oder 15 Prozent der Bevölkerung von einem
Einkommen unter der Armutsgrenze leben. Nicht alle von ihnen lösen
ihren Anspruch auf Ergänzungsleistungen zur AHV/IV oder auf
Sozialhilfe ein. So liegt bei schätzungsweise 8 Prozent der Personen
ab 25 Jahren das Einkommen unter der Armutsgrenze. Von finanziellen
Notlagen betroffen sind besonders Alleinerziehende, junge Familien,
Alleinlebende, junge Erwachsene und ausländische Staatsangehörige.
Kanton und Gemeinden wendeten im Jahr 2004 allein für die
wirtschaftliche Sozialhilfe netto 52,6 Millionen Franken auf.
Haushalte mit geringen Einkommen stehen jenen mit sehr hohen
Einkommen gegenüber. Ein Viertel aller Steuerpflichtigen verfügt über
ein gewichtetes Pro-Kopf-Einkommen von höchstens 26'900 Franken pro
Jahr, ein Viertel über eines von mindestens 49'000 Franken. Deutliche
Unterschiede bestehen zwischen Verheirateten und Unverheirateten
sowie zwischen Männern und Frauen. Familien mit Kindern verfügen pro
Familienmitglied über weniger Einkommen als Paare ohne Kinder.
Ausgeprägter als beim Einkommen ist die Ungleichheit beim Vermögen.
Bildung und Arbeit:
In allen Risikogruppen für Einkommensschwäche dominiert der
Einflussfaktor Bildung. Ein geringeres formales Bildungsniveau führt
öfter in die Arbeitslosigkeit. 10,6 Prozent der Personen ohne
Schulabschluss waren im Jahr 2000 erwerbslos. Der Einstieg in die
Berufswelt gelingt auch Menschen mit einer Berufslehre nicht immer
reibungslos; oft wird er zu Beginn der Berufskarriere mit
Jugendarbeitslosigkeit und/oder einem Berufswechsel erkauft. 2004
bezahlte die Arbeitslosenversicherung rund 160 Millionen Franken
Taggelder, bei einem Arbeitslosenbestand von durchschnittlich 6'000
Personen. Teilzeitarbeit und die Beschäftigung in Niedriglohnbranchen
können bei Arbeitslosigkeit den Taggeldanspruch unter das
Existenzminimum fallen lassen. Mit fortdauernder Arbeitslosigkeit
reduzieren sich die Chancen auf eine Reintegration in den
Arbeitsmarkt. Ein Drittel aller durch die Sozialhilfe unterstützten
Personen ab 15 Jahren war auf Stellensuche.
Familien- und Erwerbsarbeit:
Immer mehr Menschen leben allein oder als Paar ohne Kinder. Die
Verwirklichung von Bildungs- und Berufswünschen stellt immer mehr
Frauen vor die Entscheidung für oder gegen eigene Kinder. Die längere
Ausbildungsdauer verschiebt den Zeitpunkt der Familiengründung. Die
Familien werden kleiner. Im Jahr 1970 hatten noch fast 40 Prozent
aller Familien mehr als zwei Kinder, 2000 nur mehr 25 Prozent. Im
ländlichen Raum sind die Familien grösser, und der Anteil der
Alleinlebenden ist dort geringer als im urbanen Raum. Ausländische
Familien haben im Durchschnitt etwas mehr Kinder als schweizerische.
Wegen Bildungsexpansion und wachsender Erwerbstätigkeit der Frauen
sind Familien zunehmend auf externe Betreuung angewiesen. Eine
besondere Bedeutung erhalten die Kinderbetreuungsangebote für
Alleinerziehende. Seit 1970 hat sich im Kanton Luzern die Zahl
Alleinerziehender mit Kindern unter 25 Jahren von 2'000 auf 4'800
erhöht. Der Hauptgrund liegt in den stetig steigenden
Scheidungsraten. Um ein existenzsicherndes Einkommen zu erzielen,
sind Alleinerziehende auf Erwerbsarbeit angewiesen. Das lässt sich
oft nur schlecht mit der Kindererziehung vereinbaren.
Integration und Desintegration:
Öfter als Schweizerinnen und Schweizer wachsen junge Menschen
ausländischer Nationalität in einem eher bildungsfernen Milieu auf.
Noch immer finden sich deutlich weniger fremdsprachige Schülerinnen
und Schüler in den Gymnasien und in der Sekundarschule. Hingegen sind
sie in Kleinklassen, Werkschule und Realschule überproportional
vertreten (zwischen 35% und 61%). Absolventinnen und Absolventen
dieser Stufen sind bei der Berufswahl und bei der Lehrstellensuche
vor grosse Hürden gestellt, weil die Qualifikationsanforderungen der
Arbeitswelt stark gestiegen sind. So arbeiten viele ausländische
Jugendliche, aber auch Erwachsene in Branchen, die grösseren
konjunkturellen Schwankungen unterliegen. Sie sind denn auch stärker
von Arbeitslosigkeit betroffen.
Menschen mit Migrationshintergrund konzentrieren sich sowohl im
urbanen Raum und in einzelnen Quartieren als auch in der Schule und
am Arbeitsplatz. Die unmittelbare Nähe zu Menschen aus dem gleichen
Kulturkreis, mit der gleichen Sprache und Glaubensrichtung kann die
Vereinsamung und das Gefühl des Fremdseins mildern, aber auch die
Integration in die Gesellschaft erschweren und zur Bildung von
Parallelgesellschaften führen.
Autonomie und Einschränkung:
An 57'000 Personen wurden im Januar 2005 Altersrenten in der Höhe
von insgesamt 96 Millionen Franken ausbezahlt. Während das Segment
der älteren Menschen wächst, bildet sich der Anteil der Jugendlichen
an der Bevölkerung deutlich zurück. Bis 2030 werden im Kanton Luzern
mehr Menschen ab 65 Jahren leben als junge Menschen bis 19 Jahre. Mit
dem kontinuierlichen Anstieg der Lebenserwartung wird der Anteil der
Hochbetagten besonders stark wachsen. Heute schon sind 5'000 bis
6'000 AHV-Rentnerinnen und -Rentner pflegebedürftig. Zwischen 65 und
79 Jahren lebt die Mehrheit der Luzerner Bevölkerung noch autonom im
eigenen Haushalt; ab 80 Jahren wird ein Heimeintritt häufiger
notwendig. Ab dem 95. Altersjahr leben schon annähernd zwei Drittel
im Heim. Ein Heimaufenthalt kann dazu führen, dass Menschen im hohen
Alter finanzielle Unterstützung durch Ergänzungsleistungen zur AHV/IV
brauchen.
Im Januar 2005 wurden Renten der Invalidenversicherung von
insgesamt 19,8 Millionen Franken ausbezahlt. 11'500 Menschen unter 65
Jahren beziehen eine Invalidenrente, weil sie aufgrund
gesundheitlicher Einschränkungen ganz oder teilweise arbeitsunfähig
sind. Männer in der späteren Erwerbsphase sind häufiger betroffen als
Frauen. In der Mehrheit können Invalide dank entsprechender
Hilfsmittel ihre alltäglichen Lebensverrichtungen selbstständig
erledigen.
Wozu dient der Sozialbericht?
Der Sozialbericht zeigt ein breites Spektrum von sozialen Lagen
auf. Alle bergen Risiken von Notlagen, in die man nach unglücklichem
Zusammentreffen von verschiedenen Defiziten geraten kann. Mit einer
Vielzahl von bestehenden Beratungsangeboten und finanziellen Hilfen
versuchen der Staat sowie private Institutionen auf Bundes-, Kantons-
und Gemeindeebene, die Notsituationen der Betroffenen zu beheben. Das
Zusammenspiel der Sozialversicherungen, der Sozialhilfe sowie der
privaten Anbieter ist äusserst komplex.
Wie Irmgard Dürmüller Kohler vor den Medien ausführte, ist der
Sozialbericht für Politik und Verwaltung von besonderem Nutzen, weil
er die Akteure auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene mit ihren
Massnahmen zur Existenzsicherung beschreibt. Massnahmen auf
Bundesebene (seien es Änderungen in der Gesetzgebung von
Sozialversicherungen oder bei der Mitfinanzierung von konkreten, zum
Beispiel familienergänzenden Angeboten) hätten Auswirkungen auf ganze
Bevölkerungsgruppen im Kanton, so Dürmüller Kohler. Politik und
Verwaltung würden den Sozialbericht nun als Grundlage nehmen, um die
grössten sozialen Probleme aufzuzeigen sowie kantonale und kommunale
sozialpolitische Massnahmen zu planen. Aufgrund der Auflistung der
Angebote im Bericht kann geprüft werden, ob die wesentlichen Angebote
für die beschriebenen Probleme vorhanden sind. Wie der Bericht
aufzeigt, bestehen Defizite in der interinstitutionellen
Zusammenarbeit. Da liegt Verbesserungspotenzial.
Regierungsrat Markus Dürr betonte speziell, dass die
überdurchschnittliche Sozialhilfeabhängigkeit von Alleinerziehenden
besorgniserregend sei. Tagesschulen und Angebote der
familienergänzenden Kinderbetreuung könnten ihnen helfen, Beruf und
Familie besser unter einen Hut zu bringen. Der Kanton könne im
Schulbereich Einfluss nehmen sowie Gemeinden oder Firmen, die ein
Betreuungsangebot einrichten wollen, mit Fachwissen unterstützen.
Eine weitere beunruhigende Tatsache ist laut Dürr der hohe Anteil an
Erwerbslosen in der Sozialhilfe. Hier müssen Anstrengungen zur
beruflichen Integration noch verstärkt werden. Die Sozialhilfe liegt
zwar im Aufgabenbereich der Gemeinden; der Kanton engagiert sich aber
bereits gemeinschaftlich mit den Gemeinden für
Arbeitsintegrationsprogramme für ausgesteuerte Arbeitslose.
Ein besonderes Augenmerk verdient schliesslich die Gruppe der
Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die bereits bestehenden
kantonalen Brückenangebote und spezialisierte Beratung helfen, die
kritischen Übergänge von der Schule in die Berufsbildung und in den
Arbeitsmarkt zu meistern.
Im Einflussbereich des Gesundheits- und Sozialdepartements liegen
die Schnittstellen zwischen Gesundheits- und Altersversorgung. Der
Sozialbericht zeigt auf, dass die Zahl der Betagten und Hochbetagten
in den nächsten zwei Jahrzehnten stark zunimmt. Der Staat wird nicht
die finanziellen Mittel haben, um die Abdeckung an Heimplätzen auf
der gegenwärtigen, hohen Anzahl zu halten. Umso wichtiger werden
Gesundheitsförderung und Prävention auf allen Altersstufen, um die
künftigen Betagten zu motivieren, etwas für ihre Gesundheit zu tun.
Mit Hilfe der Übergangspflege sollen ältere Menschen zudem ihre
Selbstständigkeit nach Spitalaufenthalten so weit wie möglich wieder
erlangen können. Ein Projekt zur Übergangspflege wird momentan
zwischen Kanton und Gemeinden diskutiert.
Zwei Hinweise
Am 28. Juni 2006, von 8.30 bis 13 Uhr, führen das Amt für
Statistik Luzern und das Kantonale Sozialamt im Zentrum Gersag in
Emmenbrücke eine Tagung durch, um die wichtigsten Ergebnisse des
Sozialberichts näher vorzustellen. Die Tagung richtet sich an
Fachpersonen aus Politik, Verwaltung und sozialen Institutionen sowie
an Medienschaffende und weitere Interessierte. Die Teilnahme ist
kostenlos. Anmelden kann man sich bis am 12. Juni 2006 via Internet:
www.lustat.ch.
Den „Sozialbericht des Kantons Luzern: Die soziale Lage der
Luzerner Bevölkerung" kann man für 68 Franken beziehen beim Amt für
Statistik des Kantons Luzern, Burgerstrasse 22, Postfach 4168, 6002
Luzern (www.lustat.ch). Das Buch eröffnet die neue Publikationsreihe
LUSTAT Themen des Amts für Statistik. In einem umfangreichen
Verzeichnis enthält es unter anderem erstmals auch eine Übersicht
aller institutionellen Leistungen im Kanton Luzern.

Kontakt:

- Regierungsrat Dr. Markus Dürr, Gesundheits- und Sozialdepartement,
Tel.: +41/41/228'60'81
- Gianantonio Paravicini Bagliani, Amt für Statistik,
Tel.: +41/41/228'56'33
- Irmgard Dürmüller Kohler, Kantonales Sozialamt,
Tel.: +41/41/228'57'79

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