Kantonaler Datenschutz auf einer Gratwanderung
Luzern (ots)
Im Jahr 2005 bearbeitete der Datenschutzbeauftragte des Kantons Luzern - trotz eines Stellenabbaus um rund 30 Prozent - 168 Geschäftsfälle, was gegenüber dem Vorjahr einer Steigerung um einen Viertel entspricht. Sowohl die Polizei als auch Gemeindebehörden und Private wenden sich immer öfter an den Datenschutzbeauftragten, da die Unsicherheit im Umgang mit modernen Informationssystemen zunimmt.
Durch die höhere Anzahl der behandelten Anfragen konnten andere gesetzliche Aufgaben nicht oder nur unbefriedigend wahrgenommen werden. Da der Datenschutz mit der immer grösseren Vernetzung von Datensammlungen an Bedeutung und Brisanz gewinnt, führt die aktuelle Situation zu einem problematischen Spagat. Mit dem Informatikgesetz und dem Statistikgesetz sind dem Datenschutzbeauftragten zudem neue Aufgaben übertragen worden und mit der Einführung von Schengen/Dublin und dem Zugang zu Europäischen Polizeidaten werden die Anforderungen an den Datenschutz weiter zunehmen. Der Kanton Luzern wird das kantonale Datenschutzgesetz revidieren und die Stellung des Datenschutzbeauftragten stärken müssen, um eurokompatibel zu sein. Entsprechende Vorarbeiten sind bereits angelaufen.
Unabhängiger Datenschutz
Der kantonale Datenschutzbeauftragte Amédéo Wermelinger erstattet dem Regierungsrat jährlich Bericht über seine Tätigkeit. Er ist unabhängige Aufsichtsstelle, welche die Einhaltung der Vorschriften über den Datenschutz durch die kantonalen und kommunalen Organe überwacht. Er berät Verwaltungsstellen in allen datenschutzrechtlichen Belangen, sorgt für deren Ausbildung und bearbeitet Anfragen und Gesuche von Privaten wie von der kantonalen oder kommunalen Verwaltung. Im Berichtsjahr 2005 behandelte der Datenschutzbeauftragte 168 Geschäftsfälle. Schwerpunkte bildeten dabei die Anfragen von Gemeinden (39 Fälle), der Polizei (23), betrafen Datenschutzfragen im Bereich der Informatik (20), der Sozialhilfe sowie der Schulen.
Der Datenschutzbeauftragte wirkte auch entscheidend mit an der Erarbeitung von neuen Rechtsgrundlagen im Bereich der Informatik und der Statistik. Er begleitet zudem die Ende 2005 in Angriff genommene Informatikstrategie, die während des laufenden Jahres wichtige Ressourcen binden wird. Der Regierungsrat hat für diese entscheidende Projekttätigkeit eine temporäre Stellenaufstockung um 10 Prozent genehmigt.
Beispiele aus der Tätigkeit im 2005
Verschiedene Gemeinden beauftragen Inkassofirmen mit der Eintreibung von offenen Forderungen. Die Fachstelle für Schuldenfragen erkundigte sich beim Datenschutzbeauftragten, ob ein solches Vorgehen aus Sicht des Datenschutzes zulässig sei. Gemäss dem geltenden Gemeinde- und Steuergesetz kann eine Gemeinde verschiedene Leistungen einem externen Leistungserbringer übertragen. Die Gemeinde ist aber einer Geheimhaltungspflicht unterstellt und muss diese dem Leistungserbringer überbinden. Die Übertragung der Forderungseintreibung an einen Rechtsanwalt weist den Vorteil auf, dass der Rechtsanwalt an ein strafrechtlich geschütztes Berufsgeheimnis gebunden ist.
Für die Telefonüberwachung im Strafvollzug bestanden bisher nur ungenügende Rechtsgrundlagen. Nach Rücksprache mit dem Datenschutzbeauftragten wurde die Verordnung über den Strafvollzug so ergänzt, dass eine angemessene Überwachung der Telefongespräche von inhaftierten Personen zulässig ist.
Der Datenschutzbeauftragte hat die Ausschreibung und Vergabe eines neuen Klinikinformationssystems im kantonalen Spital Sursee-Wolhusen unterstützend begleitet und darauf geachtet, dass ein umfassendes Datensicherheits- und Datenschutzkonzept von den Anbietern mitgeliefert wurde.
Die Verwaltung von Personalakten wurde im Personalamt einer eingehenden Untersuchung unterzogen. Dies führte zur Erarbeitung von Richtlinien, die dem Datenschutzbeauftragten zur Begutachtung unterbreitet wurden.
Ausblick
Der Datenschutz ist ein wichtiger Bestandteil des Persönlichkeitsschutzes. Er ist nicht ein für allemal eingehalten, sondern ist ein Dauerauftrag. Das Bewusstsein, dass nach einer intensiven Zeit der Terrorbekämpfung viele Bereiche der Privatsphäre in Mitleidenschaft gezogen wurden, wächst allmählich. Kürzlich erfuhr man von verschiedenen Fällen, bei welchen staatliche Organe klar überreagiert haben. So wurden gemäss der "New York Times" sämtliche internationalen Finanzströme der Banken-Clearingstelle Swift in Belgien überwacht, auch solche aus der Schweiz. Die Kompetenzen der Staatsschützer werden, unter verschiedenen Vorwänden wie die Fussball Europameisterschaft 2008, ständig erweitert. Auch in der Privatwirtschaft wurden problematische Fälle aufgezeigt, wie bei der Krankenkasse CSS, bei welcher angeblich über 150 Angestellte Einblick in die Daten des vertrauensärztlichen Dienstes erhalten haben sollen, was zu verschiedenen Untersuchungen geführt hat. Der Kanton Luzern hat gewisse Schlüsse daraus gezogen, indem er seine Gesetzgebung an die gesellschaftliche Entwicklung angepasst hat. Mit der Revision des kantonalen Datenschutzgesetzes - zur Erreichung der Eurokompatibilität und für den Zugriff auf Europäische Polizeidaten - braucht es aber noch ein politisches Bekenntnis, dass man dem Datenschutz auch die Mittel gibt, die er zur Erfüllung seiner Aufgaben braucht. Mit der Dotation von weniger als einer Vollzeitstelle kann die gesetzliche Verantwortung, auch bei sehr effizienten Abläufen, nicht wahrgenommen werden.
Kontakt mit dem Datenschutzbeauftragen
Jede Person, die in ihrer Beziehung zu kantonalen oder kommunalen Dienststellen Datenschutzprobleme hat, kann sich an den Datenschutzbeauftragten wenden (dsb@lu.ch oder 041 228'66'06). Der Datenschutzbeauftragte ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Auskünfte und Ratschläge erfolgen im Rahmen der verfügbaren personellen Mittel und sind kostenlos.
Hinweise für die Medien: Der Tätigkeitsbericht 2005 des kantonalen Datenschutzbeauftragten kann kostenlos über obigen Kontakt bezogen werden.
Kontakt Dr. iur. Amédéo Wermelinger Weitere Auskünfte: Datenschutzbeauftragter des Kantons Luzern Tel.: +41/41/228'66'06 E-Mail: dsb@lu.ch