SPERRFRIST: "Männer auf dem Strich": Gefragt, aber ausgegrenzt
Olten (ots)
Sperrfrist 22. August 2002, 16.00 Uhr
Die Dienstleistungen männlicher Sexarbeiter sind auch in der Schweiz gefragt, entsprechende Szenen gibt es in allen grösseren Städten. Obwohl gleichgeschlechtliche Prostitution seit 1992 in der Schweiz nicht mehr strafbar ist, sehen sich die "Männer auf dem Strich" nach wie vor starken Ressentiments ausgesetzt, was die HIV/Aids-Prävention erschwert. An einer Tagung der Aids-Hilfe Schweiz benannten Fachleute aus Wissenschaft und Praxis heute in Olten politischen und gesellschaftlichen Handlungsbedarf.
Seit nunmehr zehn Jahren ist es in der Schweiz nicht mehr strafbar, als Mann mit einem anderen Mann Sex gegen Geld zu haben. 1000 bis 2500 männliche Sexarbeiter bieten in der Schweiz ihre Dienstleistung an. Die Ausgangslage für die HIV/Aids-Prävention in diesem Umfeld ist komplex: Der Migrant aus Osteuropa, Asien oder Südamerika, der ausschliesslich von der Sexarbeit lebt, hat andere Probleme als der Schweizer Student, der am Wochenende sein Einkommen ein wenig aufbessert. Ein erschwerter oder teils gänzlich fehlender Zugang zum Gesundheits- und Sozialversicherungssystem ist jedoch für viele männliche Sexarbeiter Tatsache.
Eine externe Evaluation hat gezeigt, dass es dem Projekt "Male Sex Work" der Aids-Hilfe Schweiz trotz der schwierigen Rahmenbedingungen gut gelingt, die Ziele einer effizienten Aids-Prävention umzusetzen. So fanden etwa im vergangenen Jahr über 6000 Kontakte zur Zielgruppe statt, und mehr als 24'000 Kondome wurden verteilt. Grundlage des Erfolgs liegt in der liberalen Ausrichtung des Projekts, das die zumeist jungen Männer in ihrer individuellen Lebenssituation unterstützt.
An der Tagung "Männer auf dem Strich" der Aids-Hilfe Schweiz wurde heute in Olten deutlich, wie unterschiedlich die Biografien und Milieus in der männlichen Sexarbeit sind. Der bekannte Soziologieprofessor Rüdiger Lautmann aus Bremen wandte sich ebenso entschieden gegen eine Pathologisierung der Sexarbeiter, wie er eine "Zivilisierung der Zustände in der Sexarbeit" forderte. In die gleiche Richtung zielten Berichte aus der Praxis; Sozialarbeiter beklagten vor allem den Ausschluss der Sexarbeiter aus den sozialen Sicherungssystemen. Verbesserungen - auch auf der Ebene von Politik und Rechtsprechung - seien hier dringend nötig, betonten Sprecher der Aids-Hilfe Schweiz. Voraussetzungen für derartige Schritte sei, dass die männliche Sexarbeit als Realität akzeptiert werde.
Zu dieser Realität gehören im Übrigen auch die Kunden des männlichen Sexgewerbes, über die bisher kaum etwas bekannt ist, die aber ebenfalls in die Präventionsbemühungen eingebunden werden sollten. Die Aids-Hilfe Schweiz ist zuversichtlich, dass der Arbeit mit Freiern künftig trotz Sparzwängen das nötige Gewicht beigemessen wird.
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