Alle Storys
Folgen
Keine Story von Bundesamt für Gesundheit mehr verpassen.

Bundesamt für Gesundheit

Impfung gegen Meningokokken-Erkrankungen?

Bern (ots)

Die in den letzten Jahren beobachtete Zunahme der
invasiven Meningokokken-Erkrankungen, insbesondere der durch die
Serogruppe C verursachten Fälle, hat sich in diesem Jahr weiter
fortgesetzt. In den letzten 12 Monaten wurden dem BAG 197 Fälle
gemeldet (alle Serogruppen, provisorische Daten); dies sind 15% mehr
als in den 12 Monaten zuvor. Die Ursache für diese Zunahme, die auch
in anderen Ländern beobachtet werden kann, ist nicht bekannt.
Von Ende November 2000 bis Ende Januar 2001 wurde im Freiburger
Bezirk Gruy're eine lokal begrenzte Häufung von
Meningokokken-Erkrankungen festgestellt und die epidemische Schwelle
überschritten. Der Kanton Freiburg entschloss sich daher, in
Absprache mit dem BAG zu einer auf diesen Bezirk begrenzten
Impfaktion und empfahl die Impfung für alle Kinder unter 20 Jahren
[BAG-Bulletin 2001; Nr.7: 162]. Da der in der Schweiz zugelassene
Polysaccharid-Impfstoff bei Kindern unter 2 Jahren nicht wirksam ist,
musste für diese Altersgruppe ein erst seit kurzem verfügbarer
konjugierter Impfstoff aus dem Ausland importiert werden. Das BAG
erteilte dazu der Herstellerfirma eine Ausnahmebewilligung für einen
zeitlich begrenzten Vertrieb dieses Impfstoffes. Diese
Ausnahmebewilligung erfolgte nicht im Sinne einer breiten Anwendung
in der ganzen Schweiz.
In der Bevölkerung und in der Aerzteschaft besteht zur Zeit eine
grosse Unsicherheit über den Umgang mit der Meningokokken-Impfung.
Durch die weiterhin zu beobachtende Zunahme der
Meningokokken-Erkrankungen beunruhigt, forderten verschiedene Seiten
deshalb das BAG auf, die Frage der Meningokokken-Impfung prioritär zu
bearbeiten und insbesondere die Indikation einer generellen Impfung
von Kleinkindern und Jugendlichen zu prüfen.
Das BAG verfolgt die epidemiologische Situation bezüglich den
Meningokokken-Erkrankungen schon seit längerer Zeit aufmerksam
[BAG-Bulletin 2000; Nr. 30: 584-9; und 2001; Nr. 7: 156-61]. Zur
Frage der Meningokokken-Impfung nimmt das BAG im jetzigen Zeitpunkt
wie folgt Stellung:
  • Mit 1,5 Fällen pro 100'000 Einwohner lag die Inzidenz der durch Meningokokken der Serogruppe C verursachten Fälle im Jahr 2000 um rund 40% tiefer als in England 1999, als 1'530 Erkrankungen festgestellt wurden (2,5 pro 100'000). Im Dezember 1999 wurde in England empfohlen, schrittweise alle Kinder unter 19 Jahren mit dem eben erst zugelassenen neuen konjugierten Impfstoff zu impfen. In der Schweiz ist dieser Impfstoff noch nicht zugelassen.
  • Die Zulassung eines neuen Impfstoffs erfordert eine sorgfältige und umfassende Prüfung, insbesondere hinsichtlich Verträglichkeit und Sicherheit. Einzubeziehen sind dabei insbesondere auch die gut einjährigen Erfahrungen, die in England mit diesem Impfstoff gemacht werden konnten. Diese Erfahrungen liegen allerdings erst in begrenztem Ausmasse in publizierter Form vor [Lancet 2001; 357: 195-6, Comm Dis Rep 2000; 10: 311+4] . Diese Prüfung ist gegenwärtig im Gange.
  • Verschiedene Fragen erfordern im Hinblick auf eine generelle Impfung eine sorgfältige Beurteilung und weitergehende Ueberwachung: Wer soll geimpft werden: alle Kinder, nur Kleinkinder und Jugendliche? Mit welchen Impfstoffen? Welches ist das optimale Impfschema? Sind Boosterimpfungen notwendig? Kompatibilität mit den anderen Routineimpfungen? Welches sind die Auswirkungen einer generellen Impfung auf die Verteilung der Serogruppen (capsular switch) und auf das Vorkommen von Trägern [Lancet 2000; 354: 615-6].
  • Bei einer allfälligen Einführung einer generellen Impfung der Kinder muss zudem sicher gestellt sein, dass ausreichend Impfstoff zur Verfügung stehen wird (gestaffeltes Vorgehen notwendig?) und dass die Finanzierung der Impfungen geregelt ist.
  • Beim gegenwärtigen Publikumspreis für den Impfstoff von knapp Fr. 80.- pro Dosis würde die Impfung aller Kinder unter 5 Jahren und Jugendlichen von 15-19 Jahren ("1 Mio. Impfstoffdosen) ca. Fr. 80 Mio. kosten (exkl. ärztliche Kosten).
  • Zu beachten ist, das durch die Impfung nur ein Teil der Meningokokken-Erkrankungen verhindert werden kann. Unter realistischen Voraussetzungen (95% Wirksamkeit, 85% Durchimpfung) hätten von den 178 Erkrankungsfällen und 14 Todesfällen, die im Jahr 2000 gemeldet worden sind, mit einer Impfung der Kinder (<5 und 15-19 Jahre) 45 Erkrankungsfälle (25%) und knapp 4 Todesfälle (26%) verhindert werden können. 133 Erkrankungs- und 10 Todesfälle durch Meningokokken wären im letzten Jahr trotz Impfung dennoch aufgetreten (andere Serogruppen, Personen, die nicht den Zielgruppen für die Impfung angehörten). Wäre die Impfung auf Personen unter 20 Jahre ausgedehnt worden, hätte rund ein Drittel der Erkrankungs- und Todesfälle im letzten Jahre vermieden werden können.
Das BAG wird in Zusammenhang mit der Schweizerischen Kommission
für Impffragen (SKIF) die Frage einer allfälligen generellen
Meningokokken-Impfung in den nächsten Monaten prioritär, sorgfältig
und eingehend prüfen und wieder darüber berichten. Eine breite
Anwendung der Meningokokken-Impfung ist im jetzigen Zeitpunkt nicht
empfohlen [BAG-Bulletin 2001; Nr. 7:156-61]. Die Prävention der
Meningokokken-Erkrankungen beruht, auch bei einer generellen Impfung,
auf der raschen Diagnosenstellung und der sofortigen prophylaktischen
Behandlung enger Kontaktpersonen.

Kontakt:

Bundesamt für Gesundheit
Abteilung Epidemiologie und Infektionskrankheiten
BAG-Bulletin, 17.02.01