Generelle Mietzinsvorgaben sind nicht praxisgerecht und schaffen neue Probleme
Zürich (ots)
Es ist nachvollziehbar, dass von angeordneten Betriebsschliessungen Betroffene ihre Mieten für das Geschäftslokal nicht mehr zahlen wollen. Genauso nachvollziehbar ist aber, dass Vermieter, die ihr Mietobjekt unverändert gemäss Mietvertrag zur Verfügung stellen, nicht die Folgen der notrechtlichen angeordneten Betriebsschliessungen tragen können. Sie müssen ihre Kosten unvermindert weiterhin bezahlen. Die gegenseitigen vertraglichen Leistungspflichten und die finanziellen Verhältnisse sind in jedem Vertragsverhältnis anders. Notrechtliche Eingriffe ins Mietrecht mit generellen Vorgaben sind weder praxistauglich noch gerecht. Gefragt sind Parteilösungen der jeweiligen Geschäftspartner.
Die mietrechtliche Interpretation der in Zusammenhang mit Covid-19 angeordneten Verbote, welche die vertragsgemässe Nutzung eines Geschäftsraums vorübergehend verunmöglichen, sind juristisch umstritten. Der HEV Schweiz geht davon aus, dass in aller Regel solche angeordneten Betriebsschliessungen keinen Mangel der Mietsache darstellen, für den der Vermieter einzustehen hätte. Es besteht demgemäss in der Regel auch kein mietvertraglicher Anspruch auf Herabsetzung des Mietzinses. Dies ist auch das Ergebnis einer neutralen gutachterlichen Stellungnahme von Prof. Dr. Higi (www.hev-schweiz.ch).
Der HEV Schweiz hat die schwierige Lage betroffener Geschäftsmieter von Anfang an erkannt und seine Mitglieder von Beginn weg bei sich ergebenden Notlagen zur Solidarität und zur Findung möglicher, situationsgerechter Lösungen aufgerufen. Gleichzeitig hat der HEV Schweiz aber auch konsequent auf die unterschiedlichen Rechtauffassungen betreffend die obgenannte Mangelfrage, die fehlende auf die aktuelle Krisensituation zugeschnittene Rechtsprechung und die sich daraus ergebende Unsicherheit der Rechtslage hingewiesen.
Die mit der Covid-19-Verordnung Miete und Pacht des Bundesrates vom 27. März 2020 bereits erlassenen Verlängerungen der Nachfristansetzung bei Zahlungsverzug (Art. 257d OR) auf 90 bzw. 120 Tage haben mehrmonatige sanktionslose Mietzinsausfälle für Vermieter zur Folge und stellen insbesondere für viele private Vermieter bereits starke Belastungen dar. Dies umso mehr als - wie die Erfahrungen zeigen - private Vermieter bis zum Zeitpunkt einer Zahlungsfristansetzung nach Zinsverfalldatum meistens bereits mehrere Wochen verstreichen lassen. Eine generelle Lösung für eine Aufteilung von Mieten zwischen Mietern und Vermietern ist nicht gerechtfertigt, würde zwingend zu Ungerechtigkeiten führen und wäre operativ in der Praxis nicht umsetzbar.
Kein Pacht- oder Mietverhältnis wie das andere
- Die vertraglich vereinbarten Leistungspflichten von Mietern und Vermietern sind sehr vielfältig.
- Im Geschäftsmietbereich umfassen die Parteivereinbarungen neben rein mietrechtlichen Aspekten weitere Vertragsabreden und Leistungspflichten der Parteien.
- Auswirkungen der notrechtlichen Anordnungen auf den Betriebsgang und daraus entstehende Folgen für die Liquidität und damit auf die Zahlungsfähigkeit u.a. auch von Mietzinsen sind ebenfalls äusserst vielfältig und direkt vom Einzelfall abhängig.
- Teilweise lassen sich Umsätze aus aktuell verbotener Tätigkeit (Restaurantbetrieb) durch andere Modelle kompensieren (Auslieferungen; Pizza-Kurierdienste; Online-Angebote etc.).
- In jedem Einzelfall müsste eruiert werden, ob ein Mieter von seinem Vermieter bereits einen freiwilligen Mietzinserlass oder andere Unterstützungsleistungen erhalten hat.
- Mietzinsvereinbarungen sind äusserst unterschiedlich. In Fällen mit Umsatzmiete ergibt sich bspw. infolge Umsatzeinbruch aufgrund des Tätigkeitsverbots für den Unternehmer/Mieter von selbst eine Kostensenkung (geringere Miete infolge geringeren Umsatzes bzw. nur sehr tiefe "Sockelmiete", oder Auslagen für immer anfallende Nebenkosten/Betriebskosten).
- Die finanziellen Möglichkeiten, die direkte oder indirekte Pandemie-Betroffenheit und andere massgebliche Parameter bei Mietern und Vermietern sind absolut individuell.
- Es gibt sowohl Unternehmen (Mieter) als auch Vermieter, welche in vergangenen Jahren finanzielle Reserven zum Schultern der Lasten anlegen konnten. Eine Lastenübernahme durch andere (Private, Staat), wäre in solchen Fällen weder angezeigt noch gerecht.
Problematische Konsequenzen
- Ein privater Vermieter, der aufgrund ausfallender Mietzinse in Zahlungsschwierigkeiten gerät, kann von der Verordnung zur Gewährung von Notkrediten und Solidarbürgschaften nicht profitieren. Aufstockungen oder gar Erlasse von Hypotheken von Seiten der Banken erscheinen als kaum realistisch.
- "Verordnete Einnahmeverluste" bei Vermietern führen de facto nur zur Verlagerung von Notsituationen und schaffen neue Probleme (Gefährdung der Zahlung von Hypozinsen, Amortisationspflichten, Gebühren, Abgaben, Entschädigungen/Löhnen von Hauswarten und Liegenschaftsverwaltungen; Bezahlung von Handwerkern, Servicefirmen, Energiezulieferern u.v.m.).
Eigentümer systemisch benachteiligt
Von angeordneten Betriebsschliessungen betroffen sind nicht ausschliesslich eingemietete Betriebe, sondern auch solche, die ihr Unternehmen in einer eigenen Liegenschaft führen. Solche Gewerbetreibende sind - analog der Mieter - nicht nur von den Betriebsausfällen betroffen, sondern tragen überdies unvermindert die vollen Gebäudekosten, namentlich Hypothekarzinsen und Amortisationen. Dadurch würden erhebliche, staatlich induzierte Ungerechtigkeiten zwischen einzelnen Betrieben generiert.
Kohärenz der Massnahmen wahren
Es ist nicht zu bestreiten: Das Corona-Virus stellt die Schweizer Gesellschaft und Wirtschaft vor enorme, bisher nicht gekannte Herausforderungen. Der Bundesrat hat aber nicht nur notrechtlich einschneidende Massnahmen erlassen, sondern gleichzeitig massive finanzielle Unterstützungspakete für Betriebe, Selbständigerwerbende und Arbeitnehmer aufgesetzt. Zusätzlich sind subsidiär viele Kantone und Gemeinden mit an die Bundesmassnahmen anschliessenden Unterstützungen, teilweise auch mit à fonds perdu-Beiträgen, aktiv geworden.
Das Gesamtvolumen dieser Unterstützungsmassnahmen liegt mittlerweile deutlich über 60 Milliarden Franken. Zinslose Kredite sowie erweiterte Leistungen bei den Kurzarbeits- und Arbeitslosenentschädigungen stützen Betriebe und Arbeitnehmer. Mit dieser Liquidität wird in der Wirtschaft als auch in der Gesellschaft die Zahlungsfähigkeit gegenüber Lieferanten und Leistungserbringern sichergestellt.
Unter Beachtung von verfahrensökonomischer Logik, volkswirtschaftlicher Konsequenz und Wahrung der Rechtssicherheit kann und darf - zusätzlich zu den massiven Unterstützungsmassnahmen von Liquidität und Kaufkraft - eine staatlich verordnete Minderung oder Aufhebung von vertraglichen Zahlungspflichten in einzelnen Branchen oder Leistungsbereichen (bspw. Miet-, Strom-, Telefonkosten) keine Option sein.
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