Ausländische Kinder und Jugendliche sind der Schweiz nur wenig wert
Bern (ots)
Die Schweizer und Schweizerinnen haben ein falsches Bild von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. In ihrem jüngsten Bericht «Stärken wahrnehmen - Stärken nutzen. Perspektiven für eine kinder- und jugendfreundliche Integrationspolitik» fordert die Eidgenössische Kommission für Jugendfragen Gesellschaft und Politik auf, dieses Bild zu korrigieren. Die Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund könnten nämlich mit ihren speziellen Begabungen und Stärken eine viel aktivere gesellschaftliche Rolle spielen. Wenn man sie denn liesse. Und wenn sie denn wollten.
«Kinder und Jugendliche können die Bedingungen ihres Aufwachsens nicht selber wählen», hielt der Präsident Leo Brücker-Moro bei der Vorstellung des neuesten Berichts der Eidgenössischen Kommission für Jugendfragen (EKJ) fest. «Ein unsicherer Aufenthaltsstatus, Wertekonflikte zwischen der Aufnahme- und der Herkunftsgesellschaft, eine schwierige wirtschaftliche Situation und ein ungünstiges politisches Klima behindern sehr oft den Sozialisationsprozess von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund.»
Im Bericht «Stärken wahrnehmen - Stärken nutzen» wird die schweizerische Integrationspolitik einer eigentlichen Jugendverträglichkeitsprüfung unterzogen. Dabei stützt sich die Kommission auf Integrationserfahrungen von Jugendlichen, aber auch auf die Mitarbeit von zahlreichen Fachpersonen aus Kinder- und Jugendarbeit sowie der Integrationspolitik. «Es werden viele und wichtige Schritte unternommen, den Integrationsprozess von Kindern und Jugendlichen zu fördern. Trotzdem sind wir auf eine Hilflosigkeit im interkulturellen Dialog gestossen. Auch sind Ämter oder Behörden häufig überfordert, mit den wachsenden Ansprüchen professionell umzugehen», stellt die Kommission fest.
Das Plädoyer für einen Integrationsvertrag bildet eine Klammer um die Forderungen der EKJ zur Umsetzung einer kinder- und jugendgerechten Integrationspolitik. In Anlehnung an die Idee des Generationenvertrags verpflichtet sich die schweizerische Gesellschaft, in offener Haltung ihre Integrationsaufgabe wahrzunehmen. Im Gegenzug verpflichten sich die zugewanderten Personen, sich mit der Kultur der Schweiz auseinander zu setzen und die hier geltende Rechtsordnung zu respektieren.
«Damit Integration von Kindern und Jugendlichen überhaupt möglich wird, müssen gewisse Rahmenbedingungen verbessert werden. Dazu gehören ein verbesserter Zugang zur Berufsausbildung, vermehrte Mitsprachemöglichkeiten und die erleichterte Einbürgerung», führte Marion Nolde, Sekretärin der EKJ, aus. «Eine persönliche Verunsicherung, die zum Beispiel vom ungesicherten Aufenthaltsstatus ausgelöst wird und die Berufsausbildung gefährdet, ist wenig förderlich. Wir müssen diesen jungen Menschen erlauben, Zukunftsperspektiven zu entwickeln.» Deshalb fordert die Kommission einen speziellen Status für Kinder und Jugendliche bei der Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Das Prinzip des Kindeswohls müsse dabei im Vordergrund stehen. «Wenn beispielsweise eine Jugendliche wegen einem abgelehnten Asylgesuch ausreisen muss, sollte man ihr wenigstens erlauben, hier die Berufsausbildung abzuschliessen. So wird auch die Wiedereingliederung in der Herkunftsgesellschaft leichter», sagte Nolde weiter.
Kinder und Jugendliche selber könnten zur Verbesserung der Integrationsbedingungen wertvolle Hinweise liefern. Die EKJ fordert denn auch Gesellschaft und Politik auf, vermehrt auf die Stärken dieser Menschen zu bauen. Behörden, aber auch Migrationsorganisationen könnten helfen, ihre Ressourcen beispielsweise durch «Patenschaften» oder durch Mentoring anderen Kindern zugänglich zu machen.
Nicht zuletzt hängt der Integrationsprozess der Kinder und Jugendlichen von der Situation ihrer Eltern ab. «Oft spielt es eine entscheidende Rolle, ob die Eltern die Sprache der Aufenthaltsregion beherrschen, damit sie ihre Kinder im Integrationsprozess unterstützen können», erklärte Brücker-Moro.