Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO)
Zehn Jahre Europäische Entwicklungsbank
Bern (ots)
Bundesrat Pascal Couchepin, Schweizer Gouverneur bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), nimmt vom 22. bis 24. April 2001 an der 10. Jahresversammlung der Bank in London teil. Die Feierlichkeiten bieten Gelegenheit zu einer Zwischenbilanz über die Rolle, die die EBRD im Transitionsprozess in Osteuropa und in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion spielt. Die Aktionärsstaaten werden wie alle fünf Jahre den Stand der Kapitalressourcen prüfen.
Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) wurde 1991 eingerichtet, weniger als zwei Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer. Ihr Auftrag besteht in der Finanzierung von Projekten, die in den zentral- und osteuropäischen Ländern sowie in den Ländern der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) den Uebergang zu einer marktorientierten Wirtschaft unterstützen. In ihrer 10jährigen Existenz - und mit der Beteiligung strategischer Privatinvestoren - mobilisierte die EBRD fast 12 Milliarden Dollar ausländische Investitionen, also rund 9 Prozent der kumulierten ausländischen Investitionen in der Region. Mit ihren Aktivitäten hat die EBRD in den Transitionsländern einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des Privatsektors und der Infrastruktur geleistet.
Das Jahr 2000 war für die EBRD ein gutes Jahr: Sie hat nicht nur mehr, sondern auch besser gearbeitet. Ihr Portefeuille hat sich in den meisten Einsatzländern erweitert und qualitativ verbessert. Erstmals ist der Saldo der Bankoperationen positiv und hat gar die Einnahmen der flüssigen Mittel übertroffen. Im Jahr 2000 belief sich der Gewinn (nach Rückstellungen) auf 152.8 Millionen Euro. Das bedeutet, dass die EBRD die schwierige Phase nach der russischen Finanzkrise, die die Bank 1998 in die roten Zahlen stürzte, überwunden hat.
Die Schweiz ist ein Gründungsmitglied der EBRD. Sie belegt einen ständigen Sitz im Verwaltungsrat (insgesamt 23 Sitze), und ihr Exekutivdirektor Laurent Guye steht einer Stimmrechtsgruppe vor, der Liechtenstein, die Türkei, Usbekistan, Kirgisistan, Aserbaidschan, Turkmenistan und - seit 2001 - die Bundesrepublik Jugoslawien angehören.
PRESSEROHSTOFF
1. Der Ursprung und der Auftrag der EBRD
Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) wurde 1991 gegründet, als Folge des tiefgreifenden Wandels, der das politische und wirtschaftliche Klima in den osteuropäischen Ländern kennzeichnete. Weniger als zwei Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer wurde die Bank eingeweiht. Ihr Auftrag besteht in der Finanzierung von privaten und öffentlichen Projekten, die in den zentral- und osteuropäischen Ländern sowie den Ländern der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) den Uebergang zur Marktwirtschaft erleichtern. Artikel 1 der konstituierenden Urkunde der Bank hält fest, dass die EBRD nur in Ländern tätig wird, die sich verpflichten, die Prinzipien der Demokratie und des Pluralismus zu achten und umzusetzen. Artikel 2 hält die Bank an, bei allen Aktivitäten eine dauerhafte und ökologisch rationelle Entwicklung zu fördern.
2. Das Organigramm
Oberstes Entscheidungsorgan der EBRD ist der Gouverneurs-Rat. Gewisse Aufgaben delegiert er dem Verwaltungsrat, der für die Leitung der allgemeinen Projekte der EBRD verantwortlich ist. Schweizer Gouverneur ist Bundesrat Pascal Couchepin, Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements. Der Schweizer Exekutivdirektor Laurent Guye sitzt im Verwaltungsrat der Bank, wo die Schweiz einer Stimmrechtsgruppe vorsteht, der auch Liechtenstein, die Türkei, Usbekistan, Kirgisistan, Aserbaidschan, Turkmenistan und - seit 2001 - die Bundesrepublik Jugoslawien angehören.
Der Präsident der EBRD wird vom Gouverneurs-Rat für eine Dauer von vier Jahren gewählt (Wiederwahl möglich). Momentan steht die Bank unter der Leitung des vierten Präsidenten:
1991 - 1993 : Jacques Attali 1994 - 1998 : Jacques de Larosi're 1998 - 2000 : Horst Köhler 2000 - : Jean Lemierre
3. Retrospektive: Einfluss der Bank auf den Wandlungsprozess
Seit ihrer Gründung und bis Ende 2000 mobilisierte die Bank gegen 12 Milliarden Dollar ausländische Investitionen (darin inbegriffen das von den Bankpartnern investierte Kapital). In den Jahren 1991 bis 2000 entspricht das immerhin 9% der kumulierten ausländischen Investitionen in den Transitionsländern. Mit der Zunahme des privaten Kapitalflusses in die Länder Zentraleuropas reduziert sich die relative Bedeutung der Bank ganz natürlich. Während die EBRD in den Jahren 1991-95 an rund 15% der ausländischen Investitionen in den Transitionsländern beteiligt war, sank dieser Anteil auf 6% im Jahr 2000. Trotzdem spielt die EBRD in den Ländern, die wenig Privatkapital anziehen, weiterhin eine sehr wichtige Rolle. So mobilisierte sie im Jahr 2000 gegen 20% der ausländischen Investitionen in Südosteuropa (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Mazedonien und Rumänien) und sogar fast ein Viertel der Investitionen in Kirgisistan und Aserbaidschan, die im Verwaltungsrat beide durch die Schweiz vertreten werden.
Wichtiger noch als das mobilisierte Kapital ist die Qualität der Projekte, die von der EBRD unterstützt werden. Seit ihrer Gründung hat die EBRD mehr als 320 Projekte abgeschlossen, von denen 247 einer unabhängigen internen Evaluation unterzogen wurden. Diese kam zum Schluss, dass 74% der evaluierten Projekte einen "mittleren" oder "grossen" Einfluss auf den Transitions-Prozess hatten. Sehr positiv wurde der Einfluss im allgemeinen für Projekte in Ländern beurteilt, in denen der Wandel am weitesten fortgeschritten ist (gute Resultate verbuchten insbesondere der öffentliche Sektor und die Infrastruktur).Die schlechtesten Resultate erhielt man in Russland und in den Ländern, wo die für den Uebergang zur Marktwirtschaft unerlässlichen Institutionen fehlen.
4. Die Projekte
Die EBRD finanziert Projekte mittels Darlehen, Kofinanzierungen und Garantien. Diese Projekte müssen drei grundlegende Anforderungen erfüllen:
1) Sie müssen sich potentiell positiv auf den Transitions-Prozess auswirken;
2) Sie müssen auf guten Bankprinzipien gründen, und
3) Bankverpflichtungen dürfen nicht privates Kapital ersetzen (Additionalität). Diese Kriterien bilden die Grundlage für das Graduationsprinzip der Bank: Mit fortschreitendem Transitionsprozess verändern sich die Projekte der Bank und wandern zu neuen Sektoren ab. Das ist unerlässlich, denn gewisse Aktivitäten wirken sich auf die Transition positiv aus und sind in Ländern, die sich im Anfangsstadium der Transition befinden, additionell, nicht aber in fortgeschrittenen Ländern.
Zwischen 1995 und 2000 hat sich das Portefeuille der EBRD mehr als verdoppelt und stieg von 5.7 Milliarden Euro auf 12.2 Milliarden Euro. Geografisch hat sich der Geschäftsbereich vervielfältigt: Der Anteil der Verpflichtungen der EBRD in den intermediären und wenig fortgeschrittenen Transitionsländern - Zentralasien inbegriffen - wuchs von 25% im 1994 auf 48% im Jahr 2000. Russland macht nach wie vor rund ein Fünftel des Portefeuille aus. Die sektorielle Verteilung auf die drei Tätigkeitsgebiete der Bank ist stabil geblieben: 40% für den Unter-nehmenssektor, 30% für die Infrastruktur und 30% im Finanzbereich. Bei der Zusammensetzung der Bankprodukte muss eine relative Zunahme der Kofinanzierungen erwähnt werden - sie erreichte im Jahr 2000 23% des Portefeuille. In den kommenden Jahren möchte die Bank das Wachstum des Portefeuille beschleunigen. Vorgesehen ist für die Jahre 2001 bis 2005 ein Gesamtwachstum von 36%, was einer Steigerung von 12.8 Milliarden Euro auf 17.4 Milliarden im Jahr 2005 gleichkommt. Das entspricht einem jährlichen Wachstum des Handelsvolumens von 9%.
5. Die Resultate
Im Verlauf des Geschäftsjahrs 2000 hat die EBRD deutlich bessere Resultate ausgewiesen. Der Gewinn (nach Rückstellungen) stieg von 42.7 Millionen Euro im 1999 auf 152.8 Millionen im Jahr 2000. Die besseren Resultate lassen darauf schliessen, dass die Bank die schwierige Zeit infolge des Ausbruchs der russischen Finanzkrise, die die Bank 1998 in die roten Zahlen stürzte, weitgehend überwunden hat. Im Jahr 2000 hat die EBRD vom Anstieg des Wirtschaftswachstums in den Trasitionsländern profitiert. Im vergangenen Jahr konnten die am weitesten fortgeschrittenen Transitionsländer vom kräftigen Wachstum in den EU-Ländern profitieren, da ihre Exporte deutlich zunahmen. Aufgrund der Abwertungen von 1998-99 wiesen auch Russland und die meisten zentralasiatischen Länder einen wirtschaftlichen Aufschwung aus.
6. Die soziale Dimension
Die Bekämpfung der Armut wird von der Bank nicht als ausdrückliches Ziel erwähnt, und die EBRD hat - im Gegensatz zu anderen multilateralen Finanzierungs-institutionen - nicht die Möglichkeit, Darlehen zu Vorzugszinsen zu gewähren. Es liegt aber auf der Hand, dass die soziale Dimension zum Dreieck der Nachhaltigkeit gehört: Keine Transition ist nachhaltig, wenn sie mittelfristig nicht auch die Verbesserung der Situation benachteiligter Schichten ermöglicht. Der sehr hohe Einfluss der Armut in den Transitionsländern bedeutet für die Bank in den kommenden Jahren eine wichtige Herausforderung. Immerhin zeichnete sich das erste Jahrzehnt der Transition durch eine Zunahme der sozialen Ungleichheit aus. Um dieser Situation abzuhelfen, hat sich die EBRD verpflichtet, die Beziehungen zwischen ihren Projekten und der Armut vertieft zu analysieren.
Die Schweiz unterstützt im Hinblick auf die Bekämpfung der Armut eine wachsende Rolle der EBRD bei der Förderung lokaler KMU sowie bei der technischen Zusammenarbeit zur Verstärkung der Institutionen und zur Verbesserung des Investitionsklimas in den Transitionsländern. Diese Aktivitäten der Bank sollen zur Schaffung von Arbeitsplätzen in den Transitionsländern beitragen.
7. Technische Zusammenarbeit und Kofinanzierung
1992 hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) im Eidgenössischen Volkswirt-schaftsdepartement (EVD) bei der EBRD die Einrichtung eines Treuhand-Fonds für die technische Zusammenarbeit mit den Transitionsländern finanziert. Der gesamte Beitrag der Schweiz zu diesem Fond beläuft sich auf 12.5 Millionen Schweizerfranken. Diese technische Unterstützung hat es der EBRD erlaubt, die Vorbereitung, Evaluation und Supervision zahlreicher Projekte der Bank an Schweizer Konsulenten zu vergeben.
Das seco kofinanziert auch Projekte der EBRD. Seit 1994 übertrafen diese Finanzbeteiligungen (Schenkungen) 70 Millionen Euro. Folgende EBRD-Projekte wurden vom seco kofinanziert:
- Russia Small Business Fund:4.6(Mio Euro) - Moldova Investment Special Fund (microbusiness):1.6 - Albania Telecom:6.0 - Albania Power Transmission Distribution Project:7.0 - Albania Drin River Cascase (Hydropower) Project:6.4 - Bosnia & Herzegovina Power Reconstruction Project:7.9 - Bosnia & Herzegovina Telecom Reconstruction:11.8 - Latvia Riga Environment Project:4.7 - Regional Trade Facilitation Programme:3.1 - Kyrgyzstan Trade Facilitation Programme:1.2 - Macedonia Municipal Environment Action Programme:15.0
8. Die multilateralen Fonds für nukleare Sicherheit
Die Schweiz beteiligt sich an drei speziellen, von der EBRD verwalteten multilateralen Fonds für die Reduktion nuklearer Risiken in den Transitionsländern:
1) Der "Chernobyl Shelter Fund" (CSF) wurde im Dezember 1997 eingerichtet, um den Shelter Implementation Plan (SIP) zu finanzieren. Sein Ziel besteht im Schutz der Menschen und der Umwelt vor der Gefahr durch das radioaktive Inventar der Einheit 4 im Atomkraftwerk Tschernobyl. Der SIP sieht den Bau einer Abschirmungsglocke über dem "Sarkophag" von Tschernobyl vor. Letzterer wurde 1986 in der Not infolge der Explosion des Reaktors der Einheit 4 der Zentrale erbaut und ist keine längerfristige Lösung. Gegenwärtig geht man von der Annahme aus, dass der SIP im 2007 abgeschlossen wird. Die Gesamtkosten werden auf 768 Millionen Dollar veranschlagt. Die Schweiz beteiligt sich mit 13.4 Millionen Schweizerfranken.
2) Der "Nuclear Safety Account" (NSA) wurde nach dem Gipfel der G-7 1992 in München eröffnet. Die Zielsetzung des NSA besteht darin, die Finanzierung von Notmassnahmen zur Verbesserung der kurzfristigen Sicherheit in den risikoreichen Atomkraftwerken in den Ländern Zentral- und Osteuropas zu ermöglichen. Abkommen werden mit den Empfängerländern abgeschlossen, sofern diese
a) Massnahmen zur Verbesserung ihrer Regulier-Systeme ergreifen;
b) Massnahmen zur Entwicklung ihrer Energieversorgung einleiten und
c) sich verpflichten, Reaktoren mit hohem Risiko so schnell wie möglich stillzulegen.
Die gesamten Mittel für den NSA belaufen sich auf 305 Millionen Euro. Die Schweiz beteiligt sich mit 20 Millionen Schweizerfranken. Das Programm soll 2002 abgeschlossen werden.
3) Die "International Decommissioning Support Funds" (IDSF). Im Hinblick auf einen künftigen Beitritt zur Europäischen Union haben sich Litauen, Bulgarien und die Slowakische Republik verpflichtet, ihre riskanten Atomreaktoren stillzulegen. Um diese Anstrengungen zu unterstützen, hat die Europäische Kommission für jedes der drei Länder einen IDSF eingerichtet. Diese Fonds werden von der EBRD verwaltet und stehen auch für Beiträge von Nichtmitgliedländern der EU offen. Insgesamt will die Europäische Kommission für die drei Fonds 500 Millionen Euro bereitstellen. Im Jahr 2000 ist der erste der drei Fonds aktiviert worden, um die Stilllegung des Werks Ignalina in Litauen zu unterstützen. Die Schweiz hat sich zu einer Beteiligung an diesem Fonds im Betrag von 3 Millionen Schweizerfranken verpflichtet. Im Januar 2001 wurde zudem der Unterstützungsfonds für die Stilllegung der Reaktoren 1 bis 4 des Atomkraftwerks Kozloduy in Bulgarien aktiviert. Die Schweiz prüft auch hier die Möglichkeit einer Beteiligung.
Kontakt:
Patrick Belser, seco, Multilat. Finanzierungsinstitutionen,
Tel. +41 31 325 05 77