ASTAG Schweiz. Nutzfahrzeugverband
Bundesgericht erteilt Bundesrat Lizenz zum Abzocken
Bern (ots)
Der Schweiz. Nutzfahrzeugverband übt ASTAG massive Kritik an der Urteilsbegründung des Bundesgerichts zur LSVA-Erhöhung 2008. Nicht primär der Umstand an sich, dass die LSVA damit endgültig erhöht werden kann, sorgt für Unmut, sondern primär die fadenscheinige Argumentation des mehrheitlich linksgrünen Richtergremiums. Demnach muss dem Bundesrat bei der Bemessung der externen Kosten mehr Spielraum eingeräumt werden, als dies wissenschaftlich zulässig wäre. Dem Schwerverkehr sollen gemäss Urteil auch jene Kosten angelastet, die anderen Verkehrsteilnehmern durch staubedingte Verspätungen entstehen. Damit öffnen die obersten Rechtshüter der politischen Willkür Tür und Tor, zumal den Camionneuren kein Gegenrecht eingeräumt wird, ihrerseits die Kosten für staubedingte Verspätungen beim Bund in Rechnung zu stellen. Denn die Behörden haben es unterlassen, die Engpässe rechtzeitig auszubauen und sind deshalb verantwortlich für die Staus!
Nach eingehender und sorgfältiger Prüfung war das Bundesverwaltungsgericht im vergangenen Herbst zum Schluss gekommen, dass der Bundesrat mit der LSVA-Erhöhung 2008 gegen geltendes Recht verstossen hatte (vgl. Kasten). Die Richter rügten unter anderem, dass - wie von der ASTAG in ihrer Beschwerde vorgebracht - tatsächlich das Kostendeckungsprinzip verletzt würde. Im Detail ging es darum, dass das Bundesverwaltungsgericht die wissenschaftliche Lehrmeinung teilte, wonach sogenannte Stauzeitkosten (also Verspätungen durch kapazitätsbedingte Staus) nicht einem einzelnen Verkehrsträger angelastet werden können, sondern in der Gesamtheit des Verkehrs begründet sind. Sie sind damit per Definition internalisiert und nicht ungedeckt.
Bundesgericht setzt sich über Wissenschaft hinweg
Dieser in den volkswirtschaftlichen Verkehrswissenschaften vorherrschenden Lehrmeinung widerspricht nun das Bundesgericht in seiner Urteilsbegründung. Wenn ein Lastwagen im Stau steht, muss er der Transporteur demnach nicht nur betriebswirtschaftlich für den Zeitverlust aufkommen, sondern zusätzlich auch noch die anderen Verkehrsteilnehmer entschädigen.
ASTAG-Zentralpräsident Adrian Amstutz findet nach Vorliegen der LSVA-Urteilsbegründung klare Worte, wie er heute an einem Mediengespräch unmissverständlich darlegte: Mit der politischen Urteilsbegründung hätten sich die Richter in Lausanne endgültig zu «Gehilfen der Politik gemacht. » Dem Rechtsstaat, aber auch dem Ansehen des Bundesgerichts sei damit sicherlich nicht gedient. Und: «Die LSVA-Erhöhung hat damit definitiv etwas willkürliches!»
ASTAG fordert von der Politik Gegenrecht ein
Angesichts dieser offensichtlichen Ungleichbehandlung hat die ASTAG heute ihre Forderungen an die Politik präsentiert: Dem Fahrzeughalter entstehen nämlich auch Kosten, wenn er im Stau stecken bleibt. Diese Kosten, die vor allem von den Behörden durch den unterlassenen Ausbau verursacht werden, müssen bei den offiziellen Berechnungen des Bundes anteilsmässig in Abzug gebracht werden. Und da der Schwerverkehr proportional einen kleinen Anteil ausmacht, geht die ASTAG davon aus, dass der Kostendeckungsgrad des Schwerverkehrs noch besser wird.
Oder anders formuliert: Der Schwerverkehr kann wahrscheinlich mehr in Abzug bringen als die 204 Millionen, die ihm die Bundesbehörden als Stauzeitkosten anlasten wollen.
Die Prozessgeschichte
Mit Verfügung von anfangs April 2008 veranlagte die Oberzolldirektion (OZD) den Fahrzeughaltern für die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) der Periode 1. Januar 2008 bis 31. Januar 2008. Damit wandte sie den per 1. Januar 2008 vom Bundesrat am 12. September 2007 erhöhten Abgabetarif an. Gegen diese Verfügung erhoben die ASTAG sowie unzählige betroffene Unternehmen und Fahrzeughalter in der Folge Einsprache. Diese Einsprache wurde mit Entscheid vom 26. Juni 2008 von der Eidg. Zollverwaltung erwartungsgemäss abgewiesen, da die angewendeten Tarife der zu diesem Zeitpunkt geltenden Schwerverkehrsabgabeverordnung entsprachen. Gegen diesen Entscheid reichten die ASTAG und zwei Transportunternehmen Beschwerde vor Bundesverwaltungsgericht ein. Mit Urteil vom 21. Oktober 2009 hiess das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gut. Zur Begründung führte das Gericht an, die vom Bundesrat erlassenen Tarife verletzten das Kostendeckungsprinzip nach der massgeblichen Bestimmung des Schwerverkehrsabgabegesetzes. Insbesondere dürften in der heutigen Form des Gesetzes und nach gängiger wissenschaftlicher Meinung die Stauzeitkosten dem Schwerverkehr nicht als externe Kosten angelastet werden. Gegen diesen für das Transportgewerbe positiven Entscheid legte die OZD auf Geheiss des Bundesrates Beschwerde ein und zog den Fall am 2. Dezember 2009 damit vor Bundesgericht. Mit Entscheid vom 19. April 2010 entschied das Bundesgericht schliesslich, dass die LSVA-Erhöhung trotz aller rechtlichen Bedenken zulässig war.
Bern, 22. Juni 2010
Kontakt:
ASTAG Schweizerischer Nutzfahrzeugverband
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