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economiesuisse - 1. August-Ansprache von Gerold Bührer
Engagement für Freiheit, Wettbewerb und Sozialpartnerschaft stärkt die Schweiz

Zürich (ots)

alt NR Gerold Bührer, Präsident economiesuisse
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger
Es war der 11. September 2001 - der Tag der Terroranschläge in den
USA - als ich in meiner Funktion als Präsident der nationalrätlichen 
Finanzkommission in Ihrer Landihalle ein Referat halten durfte. Wir 
alle waren bedrückt, die Gedanken mochten kaum zur nüchternen Materie
der Finanzpolitik zurückkehren. Fragen über Fragen bedrängten uns. 
Was würden wohl, über die menschliche Tragik der Opfer hinaus, die 
Folgen für die Welt sein?
Auch am heutigen Nationalfeiertag bedrängen uns Fragen nach dem 
"Wie weiter", und zwar bezüglich der Wirtschaft. Die grösste 
Wirtschaftskrise seit dem 2. Weltkrieg hat angesichts der starken 
Exportabhängigkeit auch unser Land erfasst. Während Roger Federer 
dank seiner überlegenen sportlichen Leistung aber auch der 
gewinnenden Art, zu einem Imageträger der Schweiz in der Welt 
geworden ist, stellen sich uns auf der politischen und 
wirtschaftlichen Bühne zunehmend Hindernisse entgegen. Ja, unter 
diesem Druck werden Stimmen laut, die das Erfolgsmodell Schweiz und 
gewisse Besonderheiten nicht für überlebensfähig halten. Auch wir 
müssten uns quasi mit dem Durchschnitt, wie er hier in Europa 
vorherrscht, zufrieden geben. Der Druck auf die Schweiz als 
erfolgreiche Volkswirtschaft werde nicht aufzuhalten sein.
Die aktuelle Wirtschaftskrise bringt für viele Menschen in diesem 
Land eine grosse Belastung und Verunsicherung. Wir müssen diese 
Sorgen ernst nehmen. Es ist nachvollziehbar, dass die Unsicherheiten 
am Arbeitsmarkt, die Ängste um den Job, die pessimistische Sicht 
natürlich verstärken.
Denis de Rougemont hat einmal geschrieben "Der Zerfall einer 
Gesellschaft beginnt dann, wenn alle nur noch fragen, was wird 
geschehen, anstatt, was können wir tun." Ja, ich glaube ohne die 
Schwere der Krise zu verharmlosen, müssen wir uns wieder mehr danach 
fragen, was können wir allen Schwierigkeiten zum Trotz tun, welche 
Rezepte sind zukunftstauglich, um unser Land in einer guten 
Verfassung aus der Krise zu bringen. Und wir müssen uns fragen, was 
ist darüber hinaus wichtig, um den Zusammenhalt in unserem Land, um 
den wir beneidet werden, zu erhalten. Ja, wir sollten allen schweren 
Problemen zum Trotz unsere wirtschaftlichen, politischen und sozialen
Trümpfe nicht vergessen.
Zu diesen Trümpfen zählen die Grundwerte, welche die Schweiz 
zusammenhalten und für den wirtschaftlichen Erfolg verantwortlich 
sind. Sie müssen gerade in dieser schwierigen Zeit gepflegt werden. 
Vier Pfeiler haben meines Erachtens in der Vergangenheit das 
Fundament Schweiz gestärkt:
- Die Verbindung von Heimatliebe, Traditionen und Weltoffenheit.
- Das Milizsystem in Politik, Vereinen und Armee.
- Viel Freiraum für die Menschen, Platz für Eigenverantwortung und 
Respekt der Behörden gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern.
- Wirtschaftliche Globalität, gleichzeitig jedoch politische 
Neutralität.
Ich bin überzeugt davon, dass diese Werte auch Grundlage für die 
Zukunft sein werden. Um die Position mit Blick auf die weltweit 
wachsende Konkurrenz zu wahren, bedarf es jedoch stetiger 
Anstrengung. Selbstgefälligkeit, ja Überheblichkeit führen nur allzu 
rasch zu einer gefährlichen Erosion.
Handlungsbedarf, so meine ich, besteht in allen vier Bereichen. 
Die Welt ist zwar, wie Bill Gates zu Recht festhielt, technologisch 
zum Dorf geworden. Die Kulturen und Empfindungen der Menschen können 
deshalb aber nicht über einen Leisten geschlagen werden. Die 
Verankerung im Lokalen, die Pflege von Traditionen, nur sie geben 
letztlich uns allen eine Verankerung, ohne die auch in einer 
globalisierten Welt nicht auszukommen ist.
Auch die Wirtschaft kann sich nicht ohne Schaden von solchen breit
abgestützten Werten entfernen. Die Wirtschaft ist Teil der 
Gesellschaft. Wirtschaftliche Freiheit ist auch in Zukunft 
unabdingbar. Sie ist die Quelle unserer Wohlfahrt. Wirtschaftliche 
Freiheit bedarf in unserer direkten Demokratie aber breiter 
gesellschaftlicher Akzeptanz. Einzelne Exzesse haben diese Akzeptanz 
belastet und dem Ansehen von Teilen der Wirtschaft geschadet. Die 
eingeleiteten Korrekturen, zurück zu mehr Bescheidenheit und 
Nachvollziehbarkeit, insbesondere in der Entschädigungsfrage, sind 
daher mit Blick auf diese Freiheit unabdingbar. Für mich ist klar, 
Freiheit auch in der Wirtschaft ist langfristig nur gewährleistet, 
wenn diese nicht mit Zügellosigkeit gleichgesetzt wird. Ich bin 
überzeugt davon, dass es auch in Zukunft keine Alternative zur 
Marktwirtschaft geben wird. Nur sie vermag letztlich den 
wirtschaftlichen Erfolg und dadurch die Voraussetzung für den 
sozialen Ausgleich zu gewährleisten.
Der zweite Pfeiler, das Milizsystem, hat in den vergangenen Jahren
bereits erheblich gelitten. Persönliches Engagement in Politik, 
Vereinen oder Armee ist seit langem nicht mehr selbstverständlich. 
Eine Erosion dieses Milizsystems hätte letztlich aber eine 
grundlegend andere Schweiz zur Folge. Eine Schweiz, die, so meine 
ich, nicht mehr die gleiche Qualität, und vor allem nicht mehr jene 
einzigartige Bürgernähe hätte. Die Ermahnungen in Gottfried Kellers 
Novellen sind gerade heute mehr denn je berechtigt. Ja, wir dürfen 
nicht bei jeder Schwierigkeit einfach nach dem Staat rufen. Nur wenn 
genügend Kräfte aus den verschiedensten Berufen sich auch in Politik 
und Armee engagieren, bleiben die Brücken zwischen Gesellschaft, 
Politik, Wirtschaft und Armee tragfähig. Wir sind in unserem 
Kleinstaat auf den Erfahrungsschatz der Bürgerinnen und Bürger in all
diesen Institutionen angewiesen. Verkümmert das Engagement für die 
Gemeinschaft, so verkümmert immer mehr auch die Bürgernähe und 
letztlich die Freiheit.
Die Freiräume der Menschen in diesem Land, gepaart mit der 
Eigenverantwortung, sind allen gegenteiligen Bekenntnissen zum Trotz,
immer mehr durch eine an Perfektionismus orientierte 
Überreglementierung in Gefahr. Der Ehrgeiz, bei jeder 
Unvollkommenheit mit den Paragraphen zu Rande zu rücken, läuft aber 
letztlich Gefahr, den Sinn für eigenverantwortliches Handeln immer 
mehr auszuhöhlen. Von der Hundeprüfung für über Jahrzehnte untadelige
Hundehalter, bis hin zu staatlich anerkannten Kinderbetreuerinnen und
-betreuern, werden stets mehr kostentreibende, die 
Gestaltungsfreiheit und die familiäre Verantwortung einengende 
Vorschriften erlassen. Es ist an der Zeit, hier mehr Nein zu sagen. 
Denn, mit Überregulierung und Überwachung in allem und jedem rufen 
wir nicht Vertrauen, sondern höchstens Misstrauen zwischen Bürger und
Staat hervor. Die Gestaltungsfreiheit und die Innovationskraft der 
Menschen haben dieses Land stark gemacht, nicht dagegen eine alles 
und jedes bürokratisierende Dampfwalze.
Wirtschaftlicher Erfolg ist, wie wir alle seit Beginn dieses 
Jahres wissen, nicht für alle Zeiten in Stein gemeisselt. Die Stärke 
unserer Vorfahren, nämlich sich stets von Neuem veränderten 
Herausforderungen zu stellen, dürfen wir keinesfalls Preis geben. Aus
einem weltweiten Einbruch kann sich jedoch auch die exportabhängige 
Schweiz nicht heraushalten. Da jeder zweite Franken aus dem Export 
stammt, ist es offensichtlich, dass milliardenschwere 
Konjunkturprogramme nicht die nachhaltige Lösung sein können. 
Selbstverständlich haben Staat und Arbeitgeber die Pflicht, die 
Schwierigkeiten, die sich für die Menschen als Folge steigender 
Arbeitslosigkeit ergeben, mit gezielten Massnahmen abzufedern und so 
für die Gemeinschaft da zu sein. Die Schuldenspirale darf deshalb 
aber nicht in Gang gesetzt werden. Anstatt die Steuergelder für 
zukunftsträchtige Projekte ausgeben zu können, müsste nämlich dann 
ein stetig wachsender Anteil für den Schuldendienst verwendet werden.
Die Behörden tun daher gut daran, anstatt in konjunkturellen 
Aktionismus zu verfallen, sich auf eine langfristige Innovations- und
Wachstumspolitik und auf die Verantwortung gegenüber der kommenden 
Generation zu konzentrieren.
Ein hoher Stand in Bildung und Forschung, solide Finanzen und 
attraktive Steuern, Wettbewerb auf den Märkten sowie Flexibilität 
bezüglich der Beschäftigung und offene Märkte im Ausland sind in 
diesem Zusammenhang unersetzliche Pfeiler für eine wettbewerbsfähige 
Volkswirtschaft in der Zukunft. Mit der EU muss der bilaterale Weg 
weiter beschritten werden und ausserhalb Europas ist das Netzwerk der
Freihandelsabkommen weiter zu entwickeln. Wettbewerb darf nicht 
länger durch eine von den eigenen Problemen ablenkende Machtpolitik 
tangiert werden. Mit anderen Worten: bezüglich der Wahrung unserer 
Interessen als Finanzplatz, wie auch im Steuerstreit dürfen wir 
unsere direktdemokratisch legitimierte Ordnung nicht erodieren 
lassen.
Was die Angriffe auf unser erfolgreiches Steuersystem anbelangt, 
so viel: Wir sind steuerpolitisch souverän. Es gibt abgesehen von der
Zinsbesteuerung keine Vereinbarung mit der EU über die direkten 
Steuern. Es ist daher schlicht nicht akzeptabel, dass sich die EU in 
die Aufteilung der Steuerordnung zwischen Bund und Kantonen 
einmischt. Spezialregimes sind auch in Zukunft im Interesse der 
Standortattraktivität unseres Landes. Spezialregimes kennen auch 
EU-Staaten. Eine Preisgabe dieser Standortqualität hätte über die 
Steuerpolitik hinaus eine gefährliche, staatspolitische 
Präjudizwirkung, indem wir EU-Recht auch dort übernehmen müssten, wo 
keine bilateralen Verträge bestehen. Ich appelliere daher an den 
Bundesrat, standfest zu bleiben und zu unserer Souveränität zu 
stehen. Wir wissen, dass allein schon aufgrund der massiven 
Finanzprobleme einiger Staaten der Druck auf die Schweiz anhalten 
wird. Politik und Wirtschaft werden daher gefordert bleiben, hier 
gemeinsam Wege zur Wahrung unserer schweizerischen Interessen zu 
finden. Das ist unsere Pflicht.
Gerade am heutigen Nationalfeiertag tun wir gut daran, auch einen 
Blick auf die Geschichte zu werfen. Eine Lehre daraus ist zweifellos 
die, dass es sich immer wieder gelohnt hat, auch in schwierigen 
Zeiten zu unseren politischen und wirtschaftlichen Grundwerten zu 
stehen. Dazu gehört auch die Bereitschaft, der Gesellschaft zu dienen
und den regionalen und sozialen Ausgleich sicher zu stellen. Gerade 
Uster ist dafür mit der aufständischen Bewegung von 1830 ein 
Beispiel. Das durch Generationen vor uns gelegte starke Fundament 
sollte uns Verpflichtung genug sein, uns für eine wirtschaftlich 
starke, freiheitliche und die Solidarität wahrende Schweiz 
einzusetzen. Wir werden dann erfolgreich sein, wenn sich alle, KMU 
und Grossunternehmen und die Sozialpartner dieser Verantwortung 
stellen. Nur so wird uns die Schweiz auch in Zukunft ein von Dank und
Genugtuung geprägtes Heimatgefühl vermitteln.

Kontakt:

economiesuisse
044 421 35 35

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