Schweiz. Gesundheitsobservatorium
Schweizerisches Gesundheitsobservatorium - Psychische Erkrankungen werden massiv unterschätzt
Neuenburg (ots)
Eine Studie des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums belegt: Jeder zweite Schweizer leidet einmal im Leben an einer psychischen Störung, jeder zehnte begeht einen Suizidversuch. Obwohl psychische Erkrankungen häufig vorkommen, sind sie weit gehend tabu. Viele Menschen erdulden die Krankheit, anstatt sie zu behandeln. Dies führt nicht nur zu unnötigem Leid, sondern auch zu hohen Mehrkosten im Gesundheitswesen.
Psychische Störungen sind keineswegs harmloser als körperliche Erkrankungen; sie haben erhebliche Konsequenzen für die betroffenen Personen und ökonomische Folgen für die Gesellschaft. Und sie sind häufig: Etwa die Hälfte aller Menschen ist ein- oder mehrmals im Leben selber von ernsthaften Störungen betroffen. Doch nur ein kleiner Teil der Erkrankten nimmt professionelle Hilfe in Anspruch. Und noch weniger tun dies rechtzeitig. Die untersuchten Daten lassen überdies vermuten, dass die Hilfesuchenden bei der ersten Untersuchung nur zum Teil adäquat behandelt werden. Dies zeigt sich vor allem in den hohen Suizidraten, aber auch in den häufigen Nachfolgeuntersuchungen.
Psychische Störungen sind äusserst vielfältig und verfügen über ein breites Spektrum von Symptomen. Am häufigsten sind Depressionen, Angststörungen und Substanzstörungen, die durch Drogen oder Alkohol ausgelöst werden. Diese Störungen werden oft nur als körperliche Begleitkrankheiten wahrgenommen und behandelt. Psychogene Krankheiten wie Rückenschmerzen, Herz-Kreislaufleiden und Magen-Darm-Beschwerden haben massive zusätzliche Beeinträchtigungen für die Betroffenen zur Folge.
Tabu und Unwissen
Die immense Bedeutung psychischer Beschwerden lässt sich an dem damit verbundenen Schweigen ablesen. Dieses steht in erheblichem Kontrast zu der Häufigkeit der Krankheiten. "Je schlimmer die psychische Krankheit ist, desto grösser ist das Tabu", sagt Peter C. Meyer, Leiter des Gesundheitsobservatoriums. "Dabei gilt zu bedenken, dass fast jeder Mensch mit psychischen Erkrankungen in Berührung kommt, sei es als Familienmitglied, Freund oder Arbeitskollege."
Dieser Tabuisierung entspricht das nach wie vor hohe Mass an Unwissen über psychische Erkrankungen, besonders was die Symptome und Behandlungsmöglichkeiten betrifft. Es gibt derzeit keinen anderen Gesundheitsbereich, welcher in ähnlichem Masse durch so viele Vorurteile geprägt ist. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Daten macht Peter C. Meyer deutlich: "Es muss eine wichtige gesundheitspolitische Aufgabe werden, den Menschen handlungsrelevantes Wissen zu vermitteln, um mit psychischen Krankheiten besser umgehen zu können. Nur so können die Störungen rechtzeitig erkannt werden und präventive Massnahmen zum Greifen kommen."
Studie: Vladeta Ajdacic-Gross, Martin Graf: Bestandesaufnahme und Daten zur psychiatrischen Epidemiologie; Arbeitsdokument 2, Schweizerisches Gesundheitsobservatorium; Zusammenfassung auf www.obsan.ch
Kontakt:
Peter C. Meyer
Leiter Schweizerisches Gesundheitsobservatorium
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