Schweizerischer Nationalfonds / Fonds national suisse
Schweizerischer Nationalfonds: Ökonomische Analyse der Wohnort-Wahl mit Daten des Haushalt-Panels
Bern (ots)
Steueranreize werden überschätzt
Steueranreize beeinflussen das Wanderungsverhalten der breiten Bevölkerung kaum. Dies belegt eine vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützte Studie der Universität St. Gallen.
Der Arbeitsplatz und die allgemeine Wohn- und Lebensqualität einer Region sind für das Wanderungsverhalten der breiten Bevölkerung ungleich bedeutsamer als Steueranreize. Dies belegt die Studie: «The influence of taxes on migration: evidence from Switzerland» der beiden St. Galler Forscher Thomas Liebig und Alfonso Sousa-Poza.
Ausgangslage für die beiden Wirtschaftswissenschafter waren dabei die insbesondere in nordeuropäischen Hochsteuer-Ländern (Finnland, Schweden, Norwegen, Dänemark, Niederlande und Belgien) beobachtbaren Versuche, mittels Steueranreizen hochqualifizierte Migranten anzulocken. Untersuchungen zur Wirksamkeit einer solchen Strategie waren unter anderem wegen der unterschiedlichen Kulturen, Zuwanderungspolitiken und weiterer variierender Einflüsse auf internationaler Ebene kaum möglich. Untersuchungen auf nationaler Ebene sind als Alternative zwar möglich, aber innerhalb der einzelnen EU-Länder unterscheiden sich die Steuersätze kaum voneinander.
Schweiz als ideale Datenbasis Anders - und für den Forschungszweck ideal - präsentiert sich die Situation in der Schweiz: Einerseits gibt es kaum ein Land auf der Welt, wo das Steuersystem derart von regionaler Autonomie geprägt ist. Zudem variiert die Steuerbelastung auf kleinem Raum extrem: Eine unverheiratete Einzelperson bezahlte im Jahr 2000 auf ein Jahres-Einkommen von 100'000 Franken in der Gemeinde Freienbach (SZ) rund 9000 Franken Kantons- und Gemeindesteuern, während dasselbe Einkommen in La-Chaux-de-Fonds (NE) mit 22'800 Franken versteuert wurde.
Die These der beiden Forscher: Falls nicht einmal in der kleinräumigen Schweiz, wo das Pendeln gut möglich ist, die Wahl des Wohnorts durch Steueranreize beeinflusst wird, dürfte dies im internationalen Kontext erst recht nicht der Fall sein.
Die Studie basiert auf den ersten drei Befragungen des Schweizer Haushalt-Panels der Jahre 1999-2001. Die Daten wurden in Form von Telefon-Interviews bei ursprünglich rund 5000 für die Schweiz repräsentativen Haushalten erhoben und liefern Resultate zu rund 13000 Personen.
Besonders relevant waren dabei Informationen über Einkommen, gezahlte Steuern und über die Begründung von Umzugsentscheiden innerhalb der Schweiz. Damit liegen erstmals umfangreiche gesamtschweizerische Daten zu Migration, Steuerbelastung und den Migrationsmotiven auf individueller Basis vor.
Ausnahme Schumacher bestätigt die Regel Das Hauptergebnis: Die Wohnortwahl wird nicht wesentlich durch Steueranreize beeinflusst. «Entscheidender für den Umzugsentscheid sind Faktoren wie der Arbeitsplatz, die familiäre Situation oder lokale Anreize wie gute Bildungsinstitutionen oder eine schöne Gegend», erklärt Thomas Liebig. «Besonders der starke Einfluss des Immobilienmarktes war überraschend.» Eine höhere Steuerlast hatte hingegen keinen messbaren Einfluss auf das Wanderungsverhalten. Auch bei der Angabe der Gründe für die Wohnortwahl seien niedrige Steuern kaum je erwähnt worden, und wenn, dann nie an erster Stelle.
Schlussfolgerung: Das Ergebnis der Studie lässt für die Anreiz- Strategie der oben erwähnten Länder wenig Optimismus zu. Dass es immer wieder prominente Fälle von «Steueroptimierern» (beispielsweise Michael Schumacher) gibt, tut dabei der Aussage über das Migrationsverhalten der breiten Masse gemäss Thomas Liebig keinen Abbruch.
Die vom Schweizerischen Nationalfonds im Rahmen des Schwerpunktprogramms Zukunft Schweiz unterstützte Studie wurde im August im Cambridge Journal of Economics publiziert.
Eine auf der Schweizerischen Volkszählung beruhende, weiterführende Studie derselben Autoren (Taxation, Ethnic Ties and the Location Choice of Highly Skilled Immigrants; OECD Social,Employment and Migration Working Papers, Nr. 25) konnte aufgrund der breiteren Datenbasis zwar einen Einfluss der Steuerlast auf das Migrationsverhalten vor allem bei Hochqualifizierten - nachweisen, dieser ist jedoch eher gering.
Diese Studie ergab zudem, dass der Steuerwettbewerb eher auf intrakantonaler Ebene als auf interkantonaler Ebene zum Tragen kommt. Mit anderen Worten: Zuerst wird eine Region bzw. ein Kanton im Hinblick auf den Arbeitsplatz und die generelle regionale Attraktivität bestimmt. Steuerüberlegungen spielen erst bei der Wahl innerhalb dieses Raumes eine Rolle.
Für weitere Informationen: Dr. Thomas Liebig Non-Member Economies and International Migration Division Directorate for Employment, Labour and Social Affairs OECD 2, rue André-Pascal, F-75775 Paris Cedex 16 Tel: +33-1 45 24 90 68 Fax: +33-1 45 24 76 04 E-Mail: Thomas.Liebig@oecd.org
PD Dr. Alfonso Sousa-Poza Forschungsinstitut für Arbeit und Arbeitsrecht (FAA-HSG) Universität St. Gallen Guisanstrasse 92 CH-9010 St. Gallen Tel. +41 (0)71 224 28 02 E-Mail: alfonso.sousa-poza.unisg.ch