Schweizerischer Nationalfonds / Fonds national suisse
SNF: Training für übergewichtige Kinder mit ersten Resultaten
Bern (ots)
Therapie der Eltern hilft Kindern beim Abnehmen
Immer mehr Kinder in der Schweiz leiden an Übergewicht. Wenn eine Therapie gegen kindliche Adipositas erfolgreich sein soll, muss sie jedoch bei den Eltern ansetzen. Dies zeigt eine vom Nationalfonds geförderte Studie aus Basel.
Fast jedes fünfte Kind in der Schweiz ist übergewichtig. In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Zahl der adipösen Kinder verfünffacht. Neben einer genetischen Disposition spielen vor allem Essverhalten, Umweltbedingungen und Bewegungsgewohnheiten eine entscheidende Rolle. Die Folgen für die Betroffenen sind gravierend. Unter Adipositas leidende Kinder fühlen sich stark in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt. Nur krebskranke Kinder schätzen ihre persönliche Situation noch schlechter ein. Dazu steigt bei adipösen Kindern das Risiko von orthopädischen Problemen, Schlafstörungen, Diabetes, Leberverfettung oder Krebs. Und diese Folgeerscheinungen verschlimmern sich mit dem Alter. Adipositas gilt bereits heute als grösster Kostenfaktor im Gesundheitswesen.
Erstmals wissenschaftlich evaluierte Behandlung In der Schweiz fehlt es bislang an wissenschaftlich evaluierten Behandlungsangeboten für adipöse Kinder. Zwar gibt es Empfehlungen von Kinderärzten, Psychologen und Ernährungsberatern. Die wissenschaftliche Überprüfung dieser Behandlungsangebote steht jedoch noch aus, sagt Psychologin Simone Munsch vom Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Basel. Munsch hat mit Binia Roth, die als Leitende Psychologin des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienstes Baselland mit adipösen Jugendlichen konfrontiert ist, ein spezielles Training für adipöse Kinder und ihren Eltern (TAKE) entwickelt. TAKE zielt auf Verhaltensänderungen in den Bereichen Essen, Ernährung und Bewegung ab.
Darüberhinaus werden psychologische Gesichtspunkte wie unrealistische Gewichtsziele, negative Einstellungen zur eigenen Person und zum eigenen Körper thematisiert. Die Eltern wurden miteinbezogen, weil Kinder ihre ungünstigen Essverhaltensmuster am Familientisch erlernen, wie heute aus verschiedenen Untersuchungen bekannt ist.
Über Zeitungsinserate und Vorträge gelang es den Psychologinnen, rund 180 betroffene Familien anzusprechen. Etwa ein Drittel war schliesslich bereit, an dem mit einigem Aufwand verbundenen Programm teilzunehmen. Sie absolvierten zehn wöchentliche und dann sechs monatliche Trainings von jeweils rund eineinhalb Stunden; auch erhielten sie regelmässige Übungen für zuhause. Ziel des vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützten Forschungsprojektes war es nicht nur, die Effizienz des Trainings zu testen. Es ging vor allem darum, herauszufinden, ob eine Therapieform, die Eltern und Kinder einschliesst, wirksamer ist als eine Behandlung, an der nur die Eltern teilnehmen. Um die beiden Ansätze vergleichen und bewerten zu können, wurden die Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip zwei Gruppen zugeteilt. In einer Gruppe wurden parallel die acht- bis zwölfjährigen Kinder und ihre Eltern behandelt, und die Kinder erhielten noch zusätzlich Sportunterricht. In der anderen Gruppe wurden nur die Eltern spezifisch behandelt.
Elterntraining ohne Kinder am effizientesten Ergebnis: Nach Abschluss des Trainings war das Übergewicht der Kinder beider Gruppen um bis zu sieben Prozent gesunken. Auch wenn es sich nach wenig anhört, liegen wir im Vergleich zu anderen Studien damit im Schnitt. Es gibt eben keine Wunderpille gegen Adipositas. Es braucht einen hohen Aufwand für wenig Ertrag, sagt Simone Munsch. Eine weitere Gewichtsabnahme sei jedoch langfristig tendentiell erkennbar, insbesondere bei den Kindern der Gruppe, in der nur die Eltern ein Training durchliefen. Diese Gruppe schnitt entgegen den Erwartungen der Wissenschaftlerinnen besser ab als die Eltern-Kinder-Gruppe. Für Simone Munsch und Binia Roth gibt es dafür allerdings eine plausible Erklärung: Die Eltern, die ohne Kinder teilgenommen haben, fühlten sich stärker in die Pflicht genommen. Es war von Anfang an klar, dass es alleine auf sie ankommt. Im Gegensatz dazu konnten die Eltern der anderen Gruppe die Verantwortung für die Verhaltensänderungen mit den Therapeutinnen der Kinder teilen.
Die Konsequenzen liegen für die Wissenschaftlerinnen auf der Hand: Künftige Therapien müssen auf der Basis dieser Erkenntnisse in erster Linie bei den Eltern ansetzen. In welchen Fällen der Einbezug der Kinder sinnvoll ist, sollte Gegenstand weiterer Forschungsprojekte sein.
Für weitere Informationen: Simone Munsch Institut für Psychologie Abt. für Klinische Psychologie und Psychotherapie Universität Basel Missionsstrasse 62a CH-4055 Basel Tel. +41 (0)61 267 06 57/58 E-Mail: simone.munsch@unibas.ch
Binia Roth Kinder- und Jugendpsychiatrischer Dienst Baselland Kantonsspital Bruderholz Personalhaus B CH-4101 Bruderholz Tel. +41 (0)61 425 56 56 E-Mail: binia.roth@kpd.ch