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Schweizerischer Nationalfonds / Fonds national suisse

SNF: Geld und Glaube

Bern (ots)

Vorschläge für eine neue Kirchenfinanzierung
Noch ist in der Schweiz wenig Widerstand gegen die verschiedenen 
Modelle der Kirchenfinanzierung auszumachen. Doch der 
Legitimationsdruck wächst in einer zunehmend pluralistischen 
Gesellschaft. Eine vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützte und
nun als Buch vorliegende Studie vergleicht die Finanzierungssysteme 
der reformierten Kirchen in verschiedenen Kantonen und zeigt Wege 
auf, wie diese Systeme neu zu gestalten wären.
Die Studie des Theologen und Wirtschaftsethikers Stefan Streiff 
hat die Finanzierungskonzepte vor allem der reformierten Kirchen der 
Kantone Basel-Stadt, Bern, Neuenburg und Waadt unter die Lupe 
genommen und sie auf ihre theologische und gesellschaftliche 
Legitimität hin überprüft.
Haupteinnahmequelle für die meisten reformierten Kirchen in der 
Schweiz ist die Kirchensteuer. In vielen Kantonen leistet überdies 
die öffentliche Hand einen erheblichen Beitrag ans Budget - es 
fliessen also Steuergelder von der Staats- zur Kirchenkasse. Die 
übrigen Einnahmequellen (Spenden, Gebühren für kirchliche Handlungen,
Vermögensbewirtschaftung, Fundraising) sind dagegen vergleichsweise 
spärlich. Doch zeigen sich von Kanton zu Kanton erhebliche 
Unterschiede.
Freiwillige Steuer, Zwangsabgabe, subventionierter Service Public
Die reformierte Kirche Basel-Stadt bestreitet ihren Haushalt zu über 
80 Prozent aus der Kirchensteuer, die sie überdies - das ist 
einzigartig in der Schweiz - selber eintreibt. Diese Steuer ist ein 
einkommensabhängiger Mitgliederbeitrag und bringt die Kirche kaum in 
die Abhängigkeit des Staates; aus theologischer Sicht ist sie zudem 
gut legitimierbar. Problematisch ist allenfalls, dass sie den 
Charakter einer Zwangsabgabe hat, der man sich aber durch 
Kirchenaustritt entziehen kann. Ein allfälliger Mitgliederschwund hat
für die Kirche also finanzielle Konsequenzen. In Basel-Stadt ist 
diese Bedrohung inzwischen schon real: Vor vierzig Jahren war noch 
über die Hälfte der Bevölkerung reformiert, heute ist es noch ein 
Fünftel. Im Gegenzug wuchs die Gruppe der Konfessionslosen von vier 
auf über 40 Prozent.
Auch die reformierte Kirche Neuenburgs finanziert sich zur 
Hauptsache aus der Kirchensteuer. Dort ist die Bezahlung aber 
freiwillig. Aus theologischer Sicht ist das zu begrüssen, doch die 
Kirche bezahlt teuer für das schöne Prinzip: Nur 40 Prozent der in 
Rechnung gestellten Kirchensteuern werden effektiv bezahlt.
Staatliche Subventionen sind ein Auslaufmodell
Andernorts sind staatliche Subventionen an die Kirche das wichtigste 
Einkommen. Im Kanton Bern, wo die traditionelle Nähe von Staat und 
Kirche bis heute besteht, gelten Pfarrer als Staatsbeamte, deren Lohn
vom Kanton bestritten wird. Im Kanton Waadt gibt es überhaupt keine 
Kirchensteuer. Stattdessen bezieht die reformierte Kirche fast vier 
Fünftel ihrer Einnahmen aus der Staatskasse - die Kirche zählt damit 
gewissermassen zum Service public.
Solche Subventionen beruhen oft auf - impliziten oder expliziten -
Verträgen, die im Zuge der Verstaatlichung kirchlicher Güter zu 
Zeiten der Reformation abgeschlossen wurden. Die juristische 
Gültigkeit solcher Verträge ist aus heutiger Sicht unklar. Und aus 
theologischer Sicht stellt sich die Frage, ob die Kirche sich dadurch
nicht in eine unerwünschte Abhängigkeit vom Staat begibt.
Überdies finanzieren so Steuerzahlerinnen und Steuerzahler - 
Agnostiker wie Angehörige anderer Religionen - die christliche Kirche
mit. Letztere geniesst im Vergleich mit anderen 
Glaubensgemeinschaften also eine staatliche Vorzugsbehandlung. Das 
widerspricht den pluralistischen Tendenzen in der Gesellschaft. In 
Europa ist diese Finanzierungsform deshalb im Grossen und Ganzen auf 
dem Rückzug.
Grundsätzlich, schlägt der Autor vor, sollten ungebundene 
Subventionen für die Kirche vermieden und ersetzt werden durch 
vertraglich vereinbarte Zahlungen für gesellschaftliche Leistungen, 
welche die Kirche erbringt.
Mandats- statt Kirchensteuer
In 20 Kantonen müssen juristische Personen Kirchensteuern bezahlen. 
Das Bundesgericht hat diese Praxis mehrfach gutgeheissen mit dem 
Hinweis, dass die Kirche Aufgaben übernehme, die im 
gesamtgesellschaftlichen Interesse lägen.
Dennoch bleibt die Kirchensteuerpflicht juristischer Personen 
umstritten. Zum ersten, weil die Kirche mancherorts frei ist, diese 
Einnahmen für kultische oder diakonische Zwecke einzusetzen. Zum 
zweiten, weil juristische Personen der Kirche weder bei- noch aus ihr
austreten können. Und zum dritten, weil auch Unternehmen, die 
nicht-reformierten (also auch jüdischen, muslimischen und 
agnostischen) Personen gehören, Steuern an christliche Kirchen 
bezahlen müssen.
Der Autor der Studie schlägt vor, die Kirchensteuer für 
juristische Personen umzugestalten zu einer Steuer für 
gesellschaftliche Zwecke. Deren Einnahmen stünden den Kirchen zur 
Verfügung, aber auch anderen Organisationen, die soziale Aufgaben 
übernehmen. In Italien und Spanien ist das Modell der sogenannten 
Mandatssteuer - allerdings unter erheblich anderen Voraussetzungen - 
bereits realisiert. Die Steuerpflichtigen können dort wählen, ob ihre
Abgaben der Kirche, dem staatlichen Sozialdienst, einer sozial 
engagierten Nonprofit-Organisation oder - in Italien - einer andern 
religiösen Gemeinschaft zukommen.
Publikation
Stefan Streiff: Kirchenfinanzen in der pluralistischen Gesellschaft. 
Die Einnahmen reformierter Kirchen in der Schweiz aus theologischer 
Perspektive. Schulthess Verlag, Zürich u.a. 2008.
Der Text dieser Medienmitteilung steht auf der Website des 
Schweizerischen Nationalfonds zur Verfügung: http://www.snf.ch > 
Medien > Medienmitteilungen

Kontakt:

Dr. theol. Stefan Streiff
Binzenstrasse 16
CH-8044 Gockhausen
Tel.: +41 44 882 39 55
Handy: +41 76 565 39 56
E-Mail: stefan.streiff@sunrise.ch

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