Schweizerischer Nationalfonds / Fonds national suisse
SNF: Bild des Monats Juli 2009: Die erste Karte der Eidgenossenschaft neu interpretiert
Bern (ots)
- Hinweis: Bildmaterial wird über Keystone durch Photopress verbreitet und steht zum kostenlosen Download bereit unter: http://www.presseportal.ch/de/pm/100002863 -
Als die Rigi in Jerusalem stand
Die erste kartographische Darstellung der Eidgenossenschaft von 1480 verfolgt das Ziel, das noch junge politische Gebilde im europäischen Mächtekonzert zu etablieren. Zu diesem Zweck wird der Bund mit einer heilsgeschichtlichen Bedeutung aufgeladen, wie ein im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunkts «Mediality» durchgeführtes Forschungsprojekt zeigt.
Im Jahre 1480 zeichnet Albrecht von Bonstetten, Dekan des Klosters Einsiedeln, die erste Karte der Eidgenossenschaft. Auf den ersten Blick zeigt sie wenig: drei von einem Streifen Land und einem blauen Meeresband umgebene Berge. Beschriftet ist die Karte mit den vier Himmelrichtungen (Oriens, Meridies, Occidens, Septentrio), den acht damals die Eidgenossenschaft bildenden Orten (Uri, Schwyz, Unterwalden, Luzern, Glarus, Zürich, Zug, Bern) sowie der Rigi (Regina mons).
Die Wissenschaft hat Bonstettens spätmittelalterliche Karte, die in seiner Beschreibung der Eidgenossenschaft erschien («Superioris Germaniae Confoederationis Descriptio»), lange Zeit wenig beachtet. Auch wenn die Orte aus heutiger Sicht geographisch korrekt wiedergegeben sind, so schien die Aussagekraft der Karte doch gering zu sein. Die Darstellung wirkt an der modernen Kartographie gemessen reichlich unbeholfen.
Junges politisches Gebilde legitimieren Im Rahmen des vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützten Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) «Mediality» hat Martina Stercken von der Universität Zürich die Karte und deren Entstehungskontext neu interpretiert. Die Historikerin zeigt, wie der Dekan von Einsiedeln das heterogene Gebilde der Eidgenossenschaft, die kurz zuvor in den Burgunderkriegen einen spektakulären Erfolg errungen hatte, als politisch einheitlichen Raum in Szene setzt und etabliert, ja ihr einen Platz in der Welt- und Heilsordnung gibt.
Zu diesem Zweck knüpft Bonstetten an die Tradition der hoch- und spätmittelalterlichen Weltkarten (mappae mundi) an. Diese stellen die bewohnte Welt als Kreis dar, dessen Mitte Jerusalem bildet, das Zentrum der Christenheit. Indem Bonstetten Jerusalem durch die dreigipflige Rigi, die Königin der Berge, und die Welt durch die Eidgenossenschaft ersetzt, verleiht er letzterer eine heilsgeschichtliche Dimension: Ihre Existenz ist offenbar gottgewollt.
Europäischen Machthabern gewidmet Bonstetten richtete seine heilsgeschichtliche Deutung an die auswärtigen Mächte. Er widmete seine Landesbeschreibung zum Beispiel dem König von Frankreich, um diesem die Eidgenossenschaft als politische Grösse zu präsentieren. Eine deutsche Version der Karte entstand erst 1485 auf Druck der eidgenössischen Orte, die über das nach aussen vermittelte Bild ihres Bundes informiert sein wollten.
Die neue Interpretation der Karte verdankt sich kulturwissenschaftlichen und mediengeschichtlichen Forschungsansätzen, wie sie im NFS Mediality gepflegt werden. Dabei steht nicht länger die Frage nach der «Präzision» kartographischer Darstellungen im Vordergrund, sondern vielmehr diejenige nach deren medialen Strategien bei der Herstellung und Inszenierung politischer Räume.
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Kontakt:
PD Dr. Martina Stercken
Universität Zürich
Historisches Seminar
Rämistrasse 69
8001 Zürich
Tel.: 044 634 51 16
E-Mail: stercken@hist.uzh.ch
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