Newton Investment Management: Börsen ignorieren positive Konjunktursignale
Frankfurt am Main (ots)
Trotz der sich abzeichnenden Konjunkturerholung sorgen die jüngsten Turbulenzen an den globalen Aktienmärkten weltweit für Besorgnis. Peter Hensman, Investment Strategist beim britischen Investmenthaus Newton, einer Asset-Management-Tochter von Mellon Global Investments, zur aktuellen Situation an den Börsen und den Auswirkungen auf Märkte und Unternehmen.
Die jüngsten Turbulenzen am Kapitalmarkt traten zeitgleich mit einer Reihe von positiven ökonomischen Signalen auf. Eine ungewohnte Situation, denn in den vergangenen Jahren haben sich die Aktienmärkte weltweit parallel zum Wirtschaftswachstum entwickelt - scheinbar der simplen Gleichung folgend, dass Wachstum zu höheren Gewinnen und steigenden Aktienpreisen führt. Diesmal deuten zwar einige Indikatoren eine kurzzeitige Erholung an. Danach rechnet Peter Hensman, Investment Strategist beim britischen Investmenthaus Newton, jedoch mit einem erneuten Einbruch an den Kapitalmärkten. Hensman zur aktuellen Marktsituation und ihren Auswirkungen auf Länder und Unternehmen:
Märkte
In den USA bereiten nach Ansicht Hensmans zu hohe Bewertungen und Zweifel an den Bilanzen Sorgen. Halte zudem der Aufschwung der amerikanischen Konjunktur nicht oder nicht im erwarteten Ausmass an, werde sich dies aufgrund der Katalysatorfunktion der US-Wirtschaft negativ auf andere Volkswirtschaften auswirken. Die Vormachtstellung des US-Dollars sei bereits nicht mehr unumstritten. Vor allem Euro und Pfund Sterling hätten durch die Dollarschwäche eine Aufwertung erfahren, die mittelfristig fortbestehen werde.
In Europa ist ein Aufschwung in Sicht. Hensman: "Sinkende Inflationsraten und die Stärkung des Euro sind Vorboten der Konjunkturerholung in Europa." Eine weitere Euro-Rallye könne aber den Export belasten. Insbesondere die deutsche Wirtschaft stehe noch unter Druck. Hier könnten sich der defizitäre Staatshaushalt und das niedrige Verbrauchervertrauen negativ auswirken. In Grossbritannien dagegen würden die sinkenden Verbraucherausgaben durch die Stabilisierung der Unternehmen ausgeglichen. Die Aussichten der britischen Wirtschaft sind nach Ansicht des Investment-Strategen solide. Allerdings könnte sich die Turbulenzen an den Aktienmärkten negativ auf den britischen Staatshaushalt auswirken. 2000/2001 generierte Grossbritannien 11,4 Milliarden Pfund Sterling aus Stamp Duty und Kapitalertragssteuern. Das sind drei Prozent seiner Gesamteinnahmen. 1996/97 waren es nur 3,6 Milliarden Pfund Sterling. Hensman: "Die zusätzlichen Steuereinnahmen haben Defizite im Staatshaushalt ausgeglichen. Wenn die mittlerweile budgetierten Einnahmen nun durch die Turbulenzen an den Kapitalmärkten wegfallen, muss die britische Regierung auf andere Finanzierungsmöglichkeiten zurückgreifen oder Einsparungen vornehmen." Ein Problem, das nicht nur Grossbritannien betreffe. Denn insbesondere zur Finanzierung ausufernder Sozialsysteme hätten auch andere Industrienationen auf den fortgesetzten Aufschwung der Aktienmärkte gesetzt.
"Die Emerging Markets leiden stark unter der schwankenden Risikobereitschaft der Investoren", so Hensman. Ängste bei den Anlegern schüre beispielsweise die hohe Verschuldung der lateinamerikanischen Schwellenländer. Der schwache Dollar beinträchtige vielfach die Wettbewerbsfähigkeit. Die Wachstumserwartungen der Volkswirtschaften seien entscheidend mit der globalen Konjunkturerholung verknüpft. Hensman: "Derzeit am viel versprechendsten ist Asien. Im internationalen Vergleich konnten die asiatischen Länder am erfolgreichsten ihre Binnennachfrage steigern. Sinkende Wachstumserwartungen werden hier voraussichtlich durch niedrige Zinsen ausgeglichen."
Unternehmen
Die Bilanzierungsskandale bei Enron, Xerox und Co haben das Vertrauen der Anleger nachhaltig erschüttert. Die Unregelmässigkeiten in der Buchführung mit zu hoch angesetzten Gewinnen haben zur rasanten Abwertung der betroffenen Unternehmen geführt. Und die Vertrauenskrise hat noch weitergehende Konsequenzen. Hensman: "Es ist für Unternehmen ohnehin schon viel schwieriger geworden, an der Börse Kapital zu generieren. Die bedeutende Anzahl der Börsengänge, die für die letzten Monate geplant war, aber nicht durchgeführt wurde, belegt dies. Eine Entwicklung, die sich fortsetzen wird." Eine Reihe dieser Unternehmen habe auf die anhaltende Investitionsbereitschaft an der Börse gesetzt, um ihre noch in Boom-Zeiten angehäuften Schulden abzuzahlen. Auch die Liquidität bereits börsennotierter Unternehmen sei gefährdet, beispielsweise wenn sie dem Trend folgend Wandelanleihen zur Unternehmensfinanzierung genutzt haben. "Mit sinkenden Aktienkursen wird eine Umwandlung in Aktien unwahrscheinlicher, so dass durch die Anleihen den Unternehmen mittelfristig eher Kapital entzogen als zugeführt wird", sagt Hensman.
Risiken bergen ausserdem Gehaltsstrukturen und Pensionsverpflichtungen gegenüber Arbeitnehmern. Die zusätzliche Entlohnung durch Aktienoptionen sei bei fallenden Kursen kaum mehr interessant. Entweder müssten Unternehmen die Grundgehälter erhöhen, um gleichbleibend hohe Löhne zu gewährleisten, oder ihren Angestellten zum Teil massive Lohneinbussen zumuten. Wahrscheinlich seien beide Massnahmen. Zudem sind bei einem Andauern des Bärenmarktes Pensionszusagen gefährdet.
Fazit
Wie stark sich die schlechte Performance der Aktienmärkte letztendlich auf die Weltwirtschaft auswirken wird, ist unklar. Nach Meinung Hensmans kann eine nachhaltige Erholung der Aktienmärkte nur auf Basis einer dauerhaften Verbesserung der Unternehmensgewinne erfolgen. Aufgrund der zahlreichen negativen Einflussfaktoren werde vorerst jeder Aufschwung schleppend verlaufen.
Um die schädlichen Auswirkungen der Kurseinbrüche zu begrenzen, werden die Zentralbanken die Zinsen niedrig halten. Hensman: "Eine zu frühe Anhebung der Zinsen wird der Konjunktur mehr schaden als eine zu späte. Gleichzeitig gilt es aber, die Gefahr einer Deflation im Auge zu behalten. Wir sind daher der Ansicht, dass die aktuellen ökonomischen Rahmendaten - niedriges Wachstum, niedrige Inflation, niedrige Zinsen - mittelfristig fortbestehen werden."
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