Urteil im Sorgerechtsprozess in Australien: Jamie und Melissa dürfen zur Mutter zurückkehren
Zürich (ots)
Von einem Journalisten, der den Gerichtsverhandlungen beiwohnte, haben wir mit Erleichterung vernommen, dass heute am 30.6.06 ein Entscheid zugunsten der eindeutigen Willensäusserungen der beiden Kinder gefallen ist. Das Schicksal der beiden im Januar 2005 zwangsmässig nach Australien zurück geführten Kinder hat die schweizerische Öffentlichkeit intensiv beschäftigt. Vielen blieb die rein formaljuristische Handhabung eines internationalen Abkommens durch unsere Gerichte, unter Missachtung des Kindeswohles und ohne Rücksicht auf mögliche schädigende Folgen für die weitere Entwicklung der betroffenen Kinder unverständlich.
Die beiden Kinder waren von den Zürcher Richtern von einer unbescholtenen und erziehungsfähigen Mutter getrennt und vorsorglich in einem Kinderheim untergebracht. Ziel war es, Jamie und Melissa jederzeit nach Australien rückführen zu können. Dieser Aufenthalt im Heim dauerte schliesslich über ein Jahr, bevor sie auf listige Art und Weise ausgeschafft wurden. Die einzige und wichtigste Bezugsperson der beiden Kinder war stets ihre Mutter. Ihr drohte bei einer gemeinsamen Rückkehr nach Australien eine unbedingte mehrjährige Gefängnisstrafe, weil sie für ihre Flucht in ihr Heimatland gefälschte Papiere verwendet hatte.
Die beiden Kinder wurden jedoch nicht - wie die Presseverlautbarungen der schweizerischen Instanzen fälschlicherweise suggeriert hatten - in die Obhut des Vaters überführt. Stattdessen mussten die australischen Kinderschutzbehörden die Kinder in einer deutsch sprechenden Pflegefamilie fremdplatzieren, weil für sie eine Unterbringung beim Vater vor Abschluss eines sorgfältig getroffenen Sorgerechtsentscheides nicht angezeigt war. Das gerichtliche Verfahren in Australien zog sich jedoch über 1 1/2 Jahre hin. Und die Kinder mussten deswegen mehrmals ihre Pflegefamilie wechseln. Die ganze Zeit über wurden sie therapeutisch begleitet.
Der Wunsch der Kinder blieb unumstösslich: Zur Mutter heimkehren zu dürfen. Nun hat das zuständige westaustralische Familiengericht die Kindesinteressen und den Kindeswillen, wie es die UNO-Kindesrechtskonvention fordert, ins Zentrum gestellt. Das Sorgerecht wurde der Mutter zugeteilt und eine Rückkehr in die Schweiz angeordnet. Dem Vater wurde ein Kontakt- und Besuchsrecht eingeräumt.
Während der langen Phase der Trennung hatten Jamie und Melissa die Möglichkeit, zweimal wöchentlich mit ihrer Mutter zu telefonieren. Seit Dezember 2005 konnten sie zudem per Webcam kommunizieren. Wir hoffen, dass sie sich nach ihrer Rückkehr zur Mutter seelisch wieder erholen. Die erforderliche fachliche Unterstützung hier in der Schweiz ist für Mutter und Kinder sichergestellt.
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Mit diesem Entscheid findet ein unsäglicher Leidensweg von unschuldig betroffenen Kindern ein Ende. In ihrem Kinderleben sind die insgesamt 2 1/2 jährige Zwangstrennung und die damit verbundenen Fremdbetreuung zu einer unverantwortlich langen und tief greifenden psychischen Belastung geworden. Der vermeintliche Kindesschutzgedanke des internationalen Entführungsabkommens hatte sich in eine psychische Folter verwandelt. Die beiden Kinder wurden Opfer einer die Kinderrechte missachtenden Rechtshandhabung in der Schweiz. Für einen Rechtstaat, der sich dem humanitären Gedankengut verpflichtet fühlt und sich selbst als engagierter und beispielhafter Mitgarant der Menschenrechte rühmt, ist das ein mehr als unwürdiger Fall. Die Frage nach der Verantwortlichkeit der beteiligten Instanzen stellt sich überdeutlich und kann nicht mit juristischen Formalzwängen entschuldigt werden. Das Recht, auch das Kindesrecht, und das damit verbundene Primat des Kindeswohles, müssen in einem Rechtsstaat dem Schutz des Schwächsten dienen und nicht dem Primat der Rechtsdurchsetzung, unter Inkaufnahme von langjährigen psychischen Leiden bei schutzbedürftigen Kindern.
Der Bundesrat hat im Februar dieses Jahres den Expertenbericht für eine kindergerechtere Handhabung des Haager Abkommens bei Fällen internationaler Kindesentführungen entgegengenommen und will dem Parlament noch in diesem Jahr eine entsprechende Gesetzesvorlage unterbreiten. Die menschliche Tragik in diesem Kinderschicksal hat wenigstens soviel öffentliche Betroffenheit ausgelöst, dass in Zukunft das Kindeswohl in der gerichtlichen Umsetzung des internationalen Abkommens in der Schweiz endlich im Zentrum stehen wird.
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