Integrationsbuero: Freihandelsabkommen Schweiz Europäische Union Sitzung des Gemischten Ausschusses in Brüssel
Bern (ots)
In Brüssel hat am Donnerstag die 50. Sitzung des Gemischten Ausschusses zum Freihandelsabkommen Schweiz Europäische Union von 1972 stattgefunden. Im Zentrum der Diskussion standen handelspolitische Massnahmen betreffend Ursprungsfragen (euromed) sowie die Revision des EU-Zollkodex (24h-Regel). Betreffend die Steuergesetze einzelner Kantone bekräftigte die Schweiz ihre Haltung, dass aus ihrer Sicht kein Bezug zum Freihandelsabkommen bestehe. Der Gemischte Ausschuss hat am Donnerstag beschlossen, im Rahmen des Freihandelsabkommens das sogenannte euromed-Protokoll (Ursprungsregeln) zu übernehmen. Die Inkraftsetzung dieses neuen Protokolls Nr. 3 erfolgt per 1. Januar 2006. Dadurch werden die Voraussetzungen für eine Ausdehnung der sogenannten paneuropäischen Kumulation von 1997 auf die Mittelmeer-Anrainerstaaten geschaffen.
Durch diesen Schritt vereinfacht sich die Verarbeitung von Produkten für die Industrie im Mittelmeerraum insbesondere im Textilbereich: Werden Produkte in euromed-Ländern weiterverarbeitet, verlieren sie ihre Ursprungseigenschaft nicht mehr, d.h. die verarbeiteten Produkte können neu unter den Partnerstaaten des Freihandelsabkommens zollfrei oder zollbegünstigt gehandelt werden, sofern alle betroffenen Staaten untereinander das euromed- Protokoll anwenden.
Textilhandel mit China
Gegenstand des Treffens waren auch die von der EU eingeführten Beschränkungen im Textilhandel mit China, welche auch die Schweizer Textilindustrie als Zulieferantin betreffen. Als Lösung der so entstandenen Exportbeschränkungen für Textilvorprodukte aus der Schweiz in die EU wurde die Möglichkeit vorgebracht, eine Erhöhung der Wertlimite für Inputs aus Nicht-EU-Ländern im Veredelungsverkehr EU-China (bisher auf 14% beschränkt) zu vereinbaren.
Lösungsansatz für 24h-Regel
Weiteres Thema war der Beschluss der EU, mit einer Änderung ihres Zollkodex die Sicherheit der grenzüberschreitenden Warenflüsse zu verbessern. Dies soll u.a. durch die Einführung einer Voranmeldepflicht für Waren im Import, Export und Transit (sog. 24h- Regel) geschehen. In Bezug auf die Schweiz würde die Einführung einer solchen Regelung den Warenverkehr und Warentransit stark behindern.
Die Schweiz und die EU sind bestrebt, für das gemeinsame Sicherheitsanliegen der EU auf Expertenebene eine Lösung zu suchen, welche keine zusätzlichen Hemmnisse für den Handel Schweiz-EU schafft. Zur Diskussion steht insbesondere die gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit der Bestimmungen im Bereich der Risikoanalyse im Warenverkehr. Dadurch könnten die Voraussetzung geschaffen werden, auf die Einführung einer Voranmeldepflicht im Verhältnis Schweiz-EG bei gleichzeitiger Beibehaltung der Sicherheitsstandards zu verzichten .
Keine Vertragverletzung durch Steuergesetze
An der Sitzung wurde auch die Frage der Kompatibilität von Steuergesetzen in einzelnen Kantonen mit dem Freihandelsabkommen diskutiert. Die Schweizer Delegation verwies auf das Antwortschreiben vom 29. November 2005 auf eine entsprechende Anfrage der EU-Kommission. Sie unterstrich die dort dargelegte Haltung: Aufgrund der Angaben der EU-Kommission ist nicht ersichtlich, wie die kantonalen Praktiken der Unternehmensbesteuerung den vom Abkommen abgedeckten Warenhandel beeinflussen könnten. Eine Verletzung des Freihandelsabkommen ist nicht festzustellen.
Die EU-Seite hat gegenüber der Schweizer Delegation weitere Präzisierungen ihrer Bedenken gemacht. Diese werden nun seitens der Schweiz in Bezug auf folgende Punkte hin geprüft werden: Es muss dargelegt werden, welche unternehmenssteuerlichen Bestimmungen der kantonalen Steuergesetze kritisiert werden, inwiefern diese staatliche Beihilfen darstellen, wie diese Beihilfen den Wettbewerb verfälschen und in welchem Ausmass sie den Warenverkehr beeinträchtigen, sowie schliesslich welches die Kriterien für die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit von Beihilfen mit dem guten Funktionieren des Freihandelsabkommens sind.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Schweiz mit der EU keinen Vertrag abgeschlossen hat, welcher die für juristische Personen geltenden Besteuerungsregeln in der Schweiz oder der Gemeinschaft betrifft. Das Freihandelsabkommen regelt ausschliesslich den Handel mit bestimmten Waren. Bei dessen Abschluss haben die Schweiz und die EG in keiner Weise eine Rechtsharmonisierung beabsichtigt, weder in Bezug auf Waren, noch im Bereich des Wettbewerbs oder der staatlichen Beihilfen.
Exportsteigerung bei landwirtschaftlichen Verarbeitungsprodukten
In Bezug auf das im Rahmen der Bilateralen II revidierte Protokoll Nr. 2 (landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte) des Freihandelsabkommens, welches seit dem 1. Februar 2005 angewandt wird, zeigten sich beide Parteien anlässlich der Sitzung mit den ersten Erfahrung zufrieden. Die Exportvolumen haben beidseitig zugenommen.
Gleichzeitig hat der Gemischte Ausschuss verschiedene nötige Anpassungen angesprochen. Insbesondere müssen die Referenzpreise, die für die Berechnung der Einfuhrzölle und der Ausfuhrbeiträge der landwirtschaftlichen Verarbeitungsprodukte massgebend sind, an die Preisentwicklung auf den Märkten angepasst werden.
Fragen der Stromversorgung.
In Bezug auf den Elektrizitätsbereich haben beide Seiten die Absicht bekräftigt, im nächsten Jahr Verhandlungen aufzunehmen. Gegenstand eines Abkommens sind die Regelung des grenzüberschreitenden Stromtransits zur Garantie der Versorgungssicherheit, der gegenseitige Marktzugang sowie die Anerkennung der Herkunftsnachweise für Strom aus erneuerbaren Energiequellen.
Weitere Themen waren die von der EU 2002 eingeführten Überwachungsmassnahmen im Stahlbereich sowie die schweizerische Sondersteuer auf Alcopops (süsse Mischgetränke auf der Basis von Spirituosen).
Die Schweizer Delegation wurde von Botschafter Bernhard Marfurt, Chef der Schweizerischen EU-Mission, geleitet. Der Delegation der EU stand Richard Wright, Direktor Generaldirektion Aussenbeziehungen, vor.
Brüssel, 15. Dezember 2005
Auskunft: Pascale Baeriswyl, Mission der Schweiz bei der EU; Tel. 0032 473 98 34 20 Adrian Sollberger, Integrationsbüro EDA/EVD; Tel. 0041 31 322 26 40