FAW: Gemüse und Früchte sind so gesund wie früher
(ots)Der Mineralstoff- und Vitamingehalt von Früchten und Gemüse hat in den letzten fünfzig Jahren in den meisten Fällen nicht abgenommen. Entgegen vielzitierter Auffassungen ist Obst und Gemüse also nicht weniger gesund als früher. Dies zeigt eine Studie von Agroscope FAW Wädenswil, der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung und der Fachstelle Gemüse des Strickhofs.
Der Natriumanteil in Stangenbohnen sei auf nahezu Null gesunken, und Karotten würden 75 Prozent weniger Magnesium enthalten als in den 40er Jahren, behauptete die «Welt am Sonntag» am 28. 03. 01. Das «Hörzu-Special» (Nr. 1/97) berichtete, Äpfel enthielten 80 Prozent weniger Vitamin C. Solche und ähnliche Meldungen haben in letzter Zeit Furore gemacht. Die angeblichen Gehaltsabnahmen wurden mit der Intensivierung der Landwirtschaft und ausgelaugten Böden in Verbindung gebracht.
Die Diskussion ausgelöst hatte eine wissenschaftliche Publikation, die 1997 im British Food Journal erschienen ist. Die Autorin Anne-Marie Mayer verglich Gehalte von acht Mineralstoffen in 20 Früchte- und 20 Gemüsearten. Abgesehen von Phosphor stellte sie bei allen anderen Mineralstoffen eine Verminderung fest. Mayer folgerte, dass eine mangelnde Versorgung des Menschen zu befürchten sei.
Fachleute entwarnen Ob sich ein solcher Rückgang tatsächlich nachweisen lässt, haben nun Fachleute der Eidg. Forschungsanstalt Agroscope FAW Wädenswil, der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung und der Fachstelle Gemüse des Strickhofs überprüft. Denn die Produkte der Landwirtschaft spielen eine wichtige Rolle bei der Versorgung mit lebensnotwendigen Nährstoffen. Wäre die These bestätigt worden, hätte sich das auch auf die Kampagne «5 am Tag» ausgewirkt, die den Gemüse- und Früchtekonsum steigern soll.
Die Forscher wählten die sieben wichtigsten Frischgemüse und die fünf wichtigsten Obstarten aus, basierend auf dem jährlichen Pro Kopf-Verbrauch in der Schweiz sowie dem Anteil an der Inlandproduktion. Bei Tomaten, Karotten, Zwiebeln, Kopfsalat, Gurken, Eisbergsalat, Äpfel, Birnen, Erdbeeren, Zwetschgen und Kirschen verglichen sie den Gehalt von 9 Mineralstoffen, 11 Vitaminen und der Trockensubstanz. Dazu analysierten sie ältere und aktuelle Ausgaben von drei Datenbanken (McCance and Widdowsons 1960 und 2002; Souci, Fachmann, Kraut 1979 und 2000; Geigy 1953 und 1981).
Bei 16 der 20 untersuchten Nährstoffe stellten die Forscher keine signifikante Veränderung fest. Das sind vier Fünftel aller analysierten Mineralstoffe und Vitamine. Die Datenbankrecherche zeigte einzig, dass heutiges Gemüse 22 Prozent weniger Vitamin C, 30 Prozent weniger Vitamin B2, 28 Prozent weniger Magnesium und 57 Prozent weniger Kupfer enthält. Beim Obst wiesen die Forscher 3 Prozent weniger Magnesium nach, hingegen 168 Prozent mehr Folsäure und 19 Prozent mehr Vitamin C.
Bedarf des Menschen gedeckt «Unsere Früchte und Gemüse sind heute genauso wertvoll, wie sie es früher waren», sagt Esther Infanger von der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung zu diesen Ergebnissen. Denn Gemüse und Obst müssen in einer vielseitigen Ernährung nur einen Teil des gesamten Vitamin- und Mineralstoffbedarfs abdecken. Gemüse sind wichtig für die Mineralstoffe Kalium, Eisen, Kupfer, Mangan und die Vitamine A, K, B6, Folsäure, Biotin, Niacin und C. Früchte benötigen wir vor allem für die Zufuhr von Kalium, Kupfer, Vitamin K und Vitamin C.
Gemüse sind also wichtige Kupfer- und Vitamin C-Lieferanten. Dennoch beunruhigen die nachgewiesenen Rückgänge Infanger nicht: «Wenn wir uns gesund ernähren, also im Sinn der Lebensmittelpyramide ausgewogen essen, nehmen wir ohnehin mehr Kupfer und Vitamin C auf, als wir benötigen», erklärt sie. «Sollten Gemüse tatsächlich weniger dieser Stoffe enthalten, sind die Auswirkungen auf die Gesundheit vernachlässigbar.» Dass man sich ausgewogen und abwechslungsreich ernährt, ist viel entscheidender, als der exakte Gehalt an Nährstoffen in einzelnen Nahrungsmitteln.
Fortschritte in der Analytik Ernst Höhn von Agroscope FAW Wädenswil bezweifelt zudem den starken Rückgang beim Kupfer: «Weil Kupfer im Gemüse nur in sehr geringen Mengen vorhanden ist und damit im Bereich der Nachweisgrenze liegt, können die Angaben in den Datenbanken fehlerhaft sein.» In den letzten fünfzig Jahren hat sich die Analytik enorm weiterentwickelt. Dies betrifft insbesondere Magnesium und Folsäure. Der Vergleich zu früheren Jahrzehnten wird dadurch schwierig und schränkt die Aussagekraft ein.
Unverändert problematisch ist es, eine repräsentative Stichprobe für solche Vergleiche zu entnehmen. Denn Obst und Gemüse sind lebende Pflanzengewebe, die Reife- und Alterungsvorgängen unterworfen sind, welche den Vitamingehalt, speziell jenen von Vitamin C, beeinflussen. Weil es schwierig ist, Reife und Alter genau zu bestimmen, sind Gehaltsangaben oft Momentaufnahmen. Untersuchungen der FAW zeigen zudem, dass etwa Mineralstoff- und Carotingehalte bei Karotten stark sortenabhängig sind. Darum erstaunt es nicht, dass die Datenbanken zum Teil markante Unterschiede bei den Gehaltsangaben einzelner Gemüse- und Obstarten aufweisen.
Veränderungen in der Produktion In den letzten fünfzig Jahren hat sich die Gemüse- und Obstproduktion in der Schweiz grundlegend gewandelt. Im Gemüsebau stiegen die Erträge um 69 Prozent an, im Obstbau um 33 Prozent. Gleichzeitig verwenden die Landwirte deutlich weniger Dünger pro kg produziertes Gemüse und Obst, um das Grundwasser zu entlasten. «Die Schweiz hatte lange Zeit eher mit überdüngten als mit ausgelaugten Böden zu kämpfen», erklärt Ernst Höhn.
Im Obstbau setzten sich seit den 50er Jahren Niederstammanlagen durch, in denen die Früchte besser besonnt werden und dadurch mehr Mineralstoffe und Vitamin C enthalten. Auch in der Lagerung wirkten sich die Entwicklungen positiv auf die Vitamingehalte aus. Äpfel, die in einem CA-Lager in kontrollierter Atmosphäre gelagert werden, enthalten noch nach fünf Monaten praktisch gleichviel Vitamin C wie bei der Ernte; im Kühllager hingegen nur noch 30 Prozent. Seit 1995 werden in der Schweiz über 95 Prozent der Äpfel und Birnen auf diese vitaminschonende Art gelagert.
Auch hat sich das Sortiment von Gemüse- und Obstarten verändert. Dies führte zu einem vielseitigeren Angebot und kam Konsumentenwünschen entgegen. Wie sich die einzelnen Produktionsschritte von der Saat bis auf den Teller auf Mineralstoff- und Vitamingehalte auswirken, wird Agroscope FAW Wädenswil weiter untersuchen.
Fachpublikation, Bilder Diesen Text sowie Bilder dazu können Sie von unserer Website herunterladen: www.faw.ch/medien/pm21_01_04/lebensmittel.htm. Dort finden Sie ebenfalls die beiden wissenschaftlichen Artikel, auf denen diese Medienmitteilung basiert.
Weitere Auskünfte Dr. Ernst Höhn Leiter Früchte- und Gemüsetechnologie Agroscope FAW Wädenswil Tel. 01 783 63 66 Natel 079 681 18 53 Ernst.Hoehn@faw.admin.ch
Esther Infanger Dipl. Ernährungsberaterin SVDE Schweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE Tel. 031 385 00 00 e.infanger@sge-ssn.ch
Walter Koch Gartenbau-Ing. HTL Strickhof Fachstelle Gemüse Tel. 052 354 98 15 walter.koch@vd.zh.ch
Kathrine Schwab Medienverantwortliche Agroscope FAW Wädenswil Tel. 01 783 62 72 Natel 079 593 89 85 Kathrine.Schwab@faw.admin.ch