Mercer-Analyse zum Detailhandel: Vom Kiosk zum Convenience-Store - Erfolgsstrategien in der Schweiz
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Zürich (ots)
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- Mehr als eine Million Kunden kaufen täglich in einem Schweizer Kiosk ein - Impulskäufe bringen Händlern hohe Margen - Detailhandel verschenkt enormes Marktpotenzial - Sortiment und Service sind die Schlüssel zum Erfolg - Besseres Kundenverständnis und optimale Logistik gefordert
Das Convenience-Segment ist aus Detailhandelssicht ein sehr attraktiver Markt. Kioske, Tankstellenshops und andere Kleinstverkaufsstellen bieten neben Tabak und Presse ein Basissortiment an Lebensmitteln sowie Waren des täglichen Gebrauchs und bedienen damit die spontane Nachfrage des Kunden. Da die Preissensitivität bei Impulskäufen weitaus geringer ist als im klassischen Detailhandel, ist das Margenpotenzial viel höher. Im internationalen Vergleich ist der Schweizer Convenience-Markt jedoch noch unterentwickelt. Obwohl die Nachfrage in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist, sollten Sortimente und Services noch mehr an die Bedürfnisse der Kunden angepasst werden. Dies ist das Ergebnis der jüngsten Mercer-Analyse "Zukunft Kiosk: Convenience-Strategien in der Schweiz". Wollen die Convenience-Anbieter ihre Chancen nutzen, müssen sie mit lokal massgeschneiderten Sortimenten agieren und ihre Services optimieren. Voraussetzung dafür sind ein fundiertes Kundenverständnis und perfekte Logistikprozesse.
Convenience-Angebote sind in der Schweiz in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden. Ursächlich dafür ist der demografische Wandel. 36 Prozent aller Privathaushalte sind heute Einzelpersonenhaushalte. Ehepaare ohne Kinder machen 27 Prozent aus. Lediglich 28 Prozent sind traditionelle Haushalte, also Elternpaare mit Kindern. "Schrumpfende Haushaltsgrössen, der steigende Anteil berufstätiger Frauen, aber auch die zunehmende Mobilität erhöhen die Nachfrage nach Fertigmahlzeiten, Quick-Service-Angeboten und anderen Impulskäufen", sagt Nordal Cavadini, Autor der Mercer-Analyse.
Für Detailhändler ist der Convenience-Markt ein lukratives Segment. "Impulskäufe folgen anderen Gesetzen als geplante Vorratskäufe", erklärt James Bacos, Handelsexperte von Mercer. "Die Preissensitivität und Vergleichbarkeit im Wettbewerb sind in vielen Warenbereichen um einiges geringer als im klassischen Einzelhandel." Dafür allerdings haben Sortimentsgestaltung, Schnelligkeit beim Service und Freundlichkeit des Verkaufspersonals eine höhere Bedeutung. "Wird dieses Spiel beherrscht, winken überdurchschnittliche Margen", so Bacos.
Grosses Potenzial liegt brach
Der Gesamtumsatz im Schweizer Convenience-Markt beläuft sich pro Jahr auf rund drei Milliarden Schweizer Franken. Davon entfallen etwa 1,6 Milliarden auf Kioske und 1,4 Milliarden auf Tankstellenshops sowie andere Kleinstverkaufsstellen. An Läden mangelt es nicht. Es gibt in der Schweiz heute insgesamt 2.000 Kioske, von denen allein rund 1.200 zum Konsumgüterhersteller Valora gehören. Hinzu kommen 1.160 Tankstellenshops und 100 Kleinstverkaufsstellen wie die Aperto- oder Avec-Ladenformate. Im internationalen Vergleich liegen die Convenience-Erfolge in der Schweiz aus wirtschaftlicher Sicht nur im Mittelfeld. Mit Ausnahme der Tankstellenshops ist es den Convenience-Stores bislang kaum gelungen, einen aus Kundensicht wahrnehmbaren Zusatznutzen gegenüber Supermärkten, Bäckereien oder Drogerien zu vermitteln. Heute ist der Einkauf in einem Kiosk nur ein zufälliger Spontankauf, während der Einkauf im Supermarkt ein gezielter Vorratskauf ist.
Die extrem hohe Detailhandelsdichte nimmt den Kiosken und anderen Kleinstverkaufsstellen den Vorteil der Erreichbarkeit gegenüber den Supermärkten. Zudem verhindern die Ladenschlusszeiten in vielen Kantonen eine längere oder sogar durchgehende Öffnung. Die Kioske und Kleinstverkaufsstellen haben aber auch mit hausgemachten Problemen zu kämpfen. Anders als in Japan, Grossbritannien und in den USA haben sie ihre Sortimente und Services bislang zu wenig auf die Impulskäufe der Kunden ausgerichtet. Dabei ist die Spontannachfrage für Detailhändler besonders attraktiv, denn sie bietet die Chance, sich gleichzeitig vom Wettbewerb abzuheben, Kunden zufrieden zu stellen und überdurchschnittliche Margen zu erzielen. Der Grossteil des Umsatzes wird nach wie vor in den Segmenten Tabak und Presse generiert. Beide Bereiche verlieren aber kontinuierlich an Bedeutung. Daneben sind nur einfache Dienstleistungen wie Lotto/Toto, Telekommunikation und Süsswaren im Angebot. "Noch scheuen sich die Kioske, neue Convenience-Ideen konsequent umzusetzen. Damit lassen sie ein äusserst gewinnbringendes Potenzial fast schon fahrlässig brachliegen, denn täglich besuchen mehr als eine Million Kunden einen Schweizer Kiosk", erklärt Cavadini. "Durch ungewöhnliche Sortimente und Services hingegen können sich Kioske deutlich gegenüber anderen Handelsformaten differenzieren. Geschickt gehandhabt, winkt überdurchschnittlicher Profit."
Sortimente und Services am Kunden ausrichten
Welches Potenzial eine optimale Convenience-Strategie in sich birgt, zeigt das Erfolgsbeispiel 7-Eleven in Japan. Die Ladenkette zählt weltweit zu den grössten und profitabelsten Convenience-Anbietern. Allein in Japan verfügt 7-Eleven über fast 11.000 Läden, davon 1.400 in Tokio, und verzeichnete 2004 einen Umsatz von umgerechnet 27 Milliarden Schweizer Franken. In den letzten Jahren wurden Sortimente und Services konsequent auf die Kundenbedürfnisse ausgerichtet, die in einzelnen Stadt- und Landesteilen sehr unterschiedlich sind. Rund 40 bis 50 Prozent seines Umsatzes erzielt der Convenience-Anbieter mit hochwertigen und variantenreichen Fertiggerichten, die dreimal am Tag angeliefert werden. "7-Eleven verfügt über sehr professionelle IT- und Prognosesysteme", erklärt Mercer-Experte Bacos. "Im Gegensatz zu anderen Shops sind die Fertiggerichte nie ausverkauft. Das Unternehmen weiss durch hervorragende Abverkaufsprognosen, was der Kunde wann, wo und in welcher Menge benötigt." Darüber hinaus bietet 7-Eleven zahlreiche Services wie Post-, Mobilfunk- und Finanzdienstleistungen. Das ist einer der entscheidenden Unterschiede zur Schweiz.
Schlüsselfaktoren für den Erfolg
Die Mercer-Analyse ergibt Erfolgsfaktoren, mit denen auch Schweizer Anbieter vom enormen Convenience-Potenzial stärker profitieren können. Das reicht von lokal massgeschneiderten Handelssortimenten und Quick-Service-Gastronomieangeboten über stärkere Serviceorientierung und umfassende Dienstleistungen bis hin zu einer margenorientierten Preisgestaltung. Das Warenangebot muss kundengerecht gestaltet und optimal auf die begrenzten Verkaufsflächen verteilt werden. Bei der Weiterentwicklung des Services ist Kreativität gefordert. Personalschulungen müssen intensiviert werden und die Mitarbeiter kundenorientierter sein. Bei Eckartikeln sind wettbewerbsfähige Preise ein Muss.
Die Convenience-Anbieter müssen bei der Logistik eine Komplexität beherrschen, die anspruchsvoller ist als in anderen Handelsformaten. "Bei den kleinen Lager- und Verkaufsflächen sowie einem mehrfach am Tag wechselnden Sortimentsbedarf müssen die Belieferungszyklen sehr kurz sein", so Cavadini. Neben Valora (Deutschschweiz/Tessin) und Naville (Romandie) können ausländische Unternehmen wie Lekkerland seit Oktober 2005 leicht Fuss fassen. Sie bringen grosse internationale Erfahrung mit und beliefern neben Tankstellenshops und Autobahnraststätten auch Kioske, die nicht filialisiert sind.
Chancen nutzen
In den Schweizer Convenience-Markt ist im letzten Jahr Bewegung gekommen, besonders durch Coop, der die eigenständige Expansion der Pronto-Shops forciert. Bereits ein Fünftel der rund 150 Pronto-Shops belegen unabhängig von Tankstellenstandorten die hoch frequentierten Lagen in Städten und Tourismusorten. Sie bieten täglich zwischen 6 und 22 Uhr ein Sortiment von mehr als 2.000 Artikeln an. Weitere Bewegung kam Mitte 2005 in den Markt. Migros und Valora haben ein Joint Venture gegründet. Es vereint die K-Fresh- und K-Snack- sowie die Aperto-Läden von Valora und die Tankstellenshops von Migros in dem Ladenformat Avec. Unter diesem Label sollen bis 2007 an rund 140 Standorten auf jeweils 200 Quadratmetern Frischeprodukte, Food- und Nonfood-Artikel von Migros sowie Presse, Tabak, Alkohol, Markenwaren und Glücksspiele von Valora angeboten werden. Eine Kaffeebar soll die Shopgestaltung abrunden. Autozubehör oder Zusatzservices wie Billettverkauf kommen abhängig vom Standort hinzu. Wegweisend für die Strategie von Migros und Valora ist der neue Shop im Hauptbahnhof Zürich, den es seit Oktober 2005 gibt. Er ist täglich von 6 bis 24 Uhr geöffnet.
"Noch ist nicht absehbar, wie erfolgreich diese Vorstösse sein werden. Es gibt zwar deutliche Fortschritte. Aber verglichen mit den Erfolgen in Japan, den USA und Grossbritannien liegt noch ein weiter Weg vor den Unternehmen", so Mercer-Experte Bacos. "Wer dem Begriff 'Convenience' wirklich gerecht wird, also seine Kunden konsequent mit den richtigen Produkten zur richtigen Tageszeit und zu vertretbaren Preisen und Kosten bedient, wird nicht nur zu den Gewinnern gehören, sondern kann sogar den Markt dominieren."
Fünf Erfolgsfaktoren für Convenience-Anbieter
1. Massgeschneiderte Handelssortimente
Verkaufsstellenlayouts und Sortimente müssen auf der Ebene der Kundenentscheidung, also je Verkaufsstelle und Kaufanlass, und sogar abhängig vom Tagesverlauf zusammengestellt werden. Darüber hinaus gilt es, die verschiedenen Angebotskomponenten, Warengruppen und Artikel optimal auf die sehr kleinen Verkaufsflächen zu verteilen und permanent zu verbessern.
2. Quick-Service-Gastronomie
Im Gastronomiebereich ist das Angebot lokal anzupassen, vor allem wegen der grossen regionalen Nachfrageunterschiede. Anbietern, denen es gelingt, regionale Kundenbedürfnisse gezielt abzudecken, werden schnell erfolgreich sein. 7-Eleven in Japan macht es vor. In jeder Region werden unterschiedliche Menüs zu unterschiedlichen Tageszeiten angeboten.
3. Umfassendes Dienstleistungsangebot
Erfolgreiche Convenience-Anbieter sind für viele Kunden erster Anlaufpunkt für bestimmte Services. Hier ist Kreativität gefordert, die über die Vermarktung von Lotto/Toto-Tippscheinen und Telefonkarten hinausgeht. Im japanischen C-Store "Family Mart" etwa steht ein Terminal, das unter anderem Bankservices, Reisebürodienstleistungen und Downloads bietet.
4. Serviceorientierung
Convenience ist gleich Service und erfordert gut geschultes und effizient eingesetztes Personal. Schnelligkeit und Freundlichkeit sind Grundvoraussetzungen. Eine starke Mitarbeiterbindung ist wesentlich wichtiger als in den klassischen Detailhandelsformaten.
5. Margenorientierte Preisgestaltung
Impulskäufer sind deutlich weniger preissensitiv als Vorratskäufer. Die Preise können daher höher sein, und überdurchschnittliche Margen sind leicht zu erzielen. Vorsicht ist bei den Eckartikeln wie Zigaretten oder Kaffee geboten. Deren Preise müssen wettbewerbsfähig bleiben. Eigenmarken bei Lebensmitteln und Waren des täglichen Gebrauchs wie M-Budget (Migros) oder Prix Garantie (Coop) sind in Convenience-Stores nicht notwendig.
Mercer Management Consulting ist Teil von Mercer Inc., New York, einer der führenden internationalen Unternehmensberatungen mit 160 Büros in 40 Ländern. Weltweit erwirtschaften 15.000 Mitarbeiter einen Umsatz von 3,1 Milliarden US-Dollar. Die Büros in Zürich, München, Stuttgart, Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg und Hannover tragen mit rund 520 Mitarbeitern zu diesem Erfolg bei.
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