Mercer-Studie "Value Pricing"
Die unbegründete Angst vor der Preiserhöhung
München (ots)
- Die Investitionsgüterindustrie hinkt beim Pricing anderen Branchen hinterher - Nur etwa sieben Prozent der Unternehmen betreiben systematisch ein wertorientiertes Pricing - Moderne Pricing-Ansätze können die Profitabilität der Investitionsgüterindustrie deutlich erhöhen
Obwohl sie die Notwendigkeit eines verbesserten Preisfindungsprozesses sehen, nutzen bisher nur etwa sieben Prozent der Hersteller von Investitionsgütern fortgeschrittene Pricing-Methoden. Dies zeigt eine aktuelle Studie von Mercer Management Consulting. Über Preiserhöhungen kann die Profitabilität wirkungsvoller verbessert werden als allein über Kostensenkungen oder Umsatzsteigerungen. Doch der Druck auf die Preise ist hoch und wächst weiter, weshalb viele Hersteller zögern, ihre Preise zu erhöhen. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass Preiserhöhungen einen weit geringeren Einfluss auf den Absatz haben, als viele Unternehmen befürchten. Für die Akzeptanz von Preiserhöhungen beim Kunden spielen innovative Pricing-Ansätze eine zentrale Rolle. Sie beruhen auf systematischen, durch Marktforschung unterlegten Modellen. Der Mercer-Ansatz "Value Pricing" ersetzt die traditionelle Preisfindung auf der Basis von Kosten und Aufwand beim Hersteller durch ein Pricing, das sich auf den für den Kunden geschaffenen Wert stützt. Es erlaubt, die Bedürfnisse des Kunden zu erkennen, um Angebote und Preise zum beiderseitigen Vorteil zu optimieren.
Mit vier Prozent vom Umsatz lag die Profitabilität der Investitionsgüterhersteller über die letzten zehn Jahre auf einem gefährlich niedrigen Niveau. Bisher versuchten die Unternehmen, ihre unbefriedigende Gewinnsituation vor allem über Kostensenkungen zu verbessern. Nach einer aktuellen Studie von Mercer Management Consulting nutzen heute 39 Prozent der europäischen Investitionsgüterhersteller Kostensenkungsprogramme. 36 Prozent versuchen, über höhere Absatzmengen günstigere Stückkosten zu erreichen. Ihre Preise optimieren 25 Prozent der Unternehmen, wobei aber lediglich sieben Prozent moderne Pricing-Instrumente einsetzen. Noch immer werden in der Investitionsgüterindustrie Preise vor allem nach Gefühl und Erfahrung festgelegt statt auf Basis strukturierter Kundenanalysen. Immer mehr Unternehmen erkennen jedoch das Profitpotenzial des Pricings. In der Mercer-Studie gaben sie an, dem Pricing künftig mehr Bedeutung einräumen zu wollen.
Der Druck auf die Preise wächst
"Die meisten Investitionsgüterhersteller sehen Preise als eine vom Markt vorgegebene Größe an, auf die sie nur wenig Einfluss nehmen können", sagt Branchenexperte und Mercer-Berater Thomas Kautzsch. "Doch bereits geringe Preiserhöhungen haben enorme Auswirkungen auf die Gewinnsituation." Bei der durchschnittlichen Umsatzmarge der Branche bringe eine einprozentige Preiserhöhung ein EBIT-Plus von 25 Prozent, während Fixkostensenkungen von einem Prozent den Vorsteuergewinn nur um zehn Prozent steigern, so Kautzsch. Zudem seien die Kostensenkungspotenziale in der Branche bereits weitgehend ausgereizt und in vielen Fällen nur über schmerzhafte Einschnitte beim Personal zu realisieren. Preismanagement ist deshalb in vielen Branchen zur Chefsache mit Top-Priorität avanciert.
Die Mercer-Studie zeigt, dass die Preise für klassische Investitionsgüter wie etwa Maschinen heute stark unter Druck sind - und dass dieser Druck in den nächsten Jahren weiter zunehmen wird. Die von den befragten Unternehmen am häufigsten genannten Faktoren für Preisdruck sind neben ausgereiften Technologien ohne Differenzierungsmöglichkeiten vor allem die Branchenkonsolidierung sowie die Konkurrenz durch Niedrigpreisanbieter. Dazu kommen eine wachsende Preistransparenz, der immer effizienter werdende Einkauf bei den Kunden, die geringer werdende Zahl an Kunden und schrumpfende Märkte.
Allein den 500 größten europäischen Investitionsgüterherstellern entgeht heute durch mangelhafte Preisgestaltung Mercer-Berechnungen zufolge in jedem Monat ein Profitpotenzial von einer Milliarde Euro. Mercer-Berater Kautzsch fasst zusammen: "Durch zu geringe Nutzung des Preishebels verschenken Unternehmen bis zu 25 Prozent ihres Profitpotenzials."
Vom traditionellen Pricing zum Value Pricing
Welche Pricing-Methode die richtige ist, hängt von der Situation des Unternehmens ab. "Die Spanne der Pricing-Ansätze ist sehr breit", erklärt Kautzsch. "Bei manchen Unternehmen müssen lediglich die Möglichkeiten für Preiserhöhungen möglichst optimal genutzt werden. Gegenüber Billiganbietern geht es für westliche Premiumanbieter aber auch oft darum, ihre Marktposition über Preise und Leistungsangebot grundsätzlich neu zu bestimmen. Die Kernfrage ist: Welche Leistungen für welche Kunden zu welchem Preis? Pricing-Ansätze können hier die individuell richtigen Antworten liefern und das Überleben des Unternehmens sichern helfen."
Der klassische Pricing-Ansatz der Investitionsgüterindustrie lautet Kosten plus Gewinnspanne gleich Verkaufspreis, der gegebenenfalls an das Preisniveau der Konkurrenz angeglichen wird. Die nächste Stufe ist das "Competitive Pricing". Diese Methode vergleicht durch intensive Marktforschung Konkurrenzangebote mit eigenen Angeboten. Erkannte Marktlücken werden systematisch mit kundenspezifischen Angeboten gefüllt und entsprechend der ermittelten Zahlungsbereitschaft der jeweiligen Kundengruppe bepreist. Das Competitive Pricing eignet sich vor allem für Märkte mit Standardprodukten und großen Volumina, in denen Kunden zu direkten Kostenvergleichen neigen, wie etwa bei Computern oder Standardwerkzeugen.
Erst neue Lösungen erlauben neue Preise
Wesentlich weiter geht der Value-Pricing-Ansatz, der sich vor allem für individuell angepasste Produkte und Leistungen eignet. Auch hier muss zunächst intensive Marktforschung betrieben werden. Value Pricing löst sich vom klassischen Listenpreis und versucht stattdessen, neue Gewinnmodelle zu finden - beispielsweise Zahlung nach Produktionsleistung oder Maschinenverfügbarkeit, Lizenzabgaben für neue Produktionsverfahren oder Gewinnbeteiligungen an vom Kunden erreichten Vorteilen. Beim Value Pricing zielt der Investitionsgüterhersteller also auf eine echte Lösungspartnerschaft mit seinem Kunden - und orientiert seine Preise an den für den Kunden erreichten ökonomischen Vorteilen.
Hat ein Unternehmen beispielsweise ein innovatives Fertigungsverfahren entwickelt, das sich klar von bestehenden Angeboten des Wettbewerbs differenziert, so kann dafür der Value-Pricing-Ansatz angewendet werden. Dies gilt umso mehr, je weniger transparent Personalkosten und Materialeinsatz sind. "Viele Unternehmen vergeben Profitpotenzial dadurch, dass sie Preise klassisch am 'Kosten plus Gewinn'-Ansatz orientieren. So ergeben sich teilweise Amortisationsdauern von weniger als sechs Monaten. Hier besteht eindeutig Preissteigerungspotenzial, da Pay-Back-Zeiten bis zu einem Jahr in der Regel problemlos durchsetzbar sind", so Sebastian Frankenberger, Mercer-Experte und Co-Autor der Studie. In Zahlen bedeutet dies, dass eine Maschine, die dem Kunden einen Wertbeitrag von 250.000 Euro liefert und die aktuell mit einem 25-prozentigen Aufschlagfaktor zu 125.000 Euro angeboten wird, ohne Probleme auch für 200.000 Euro angeboten werden kann. Dadurch läge der Gewinn pro Maschine nicht bei 25.000 Euro, sondern bei 100.000 Euro und für den Kunden wäre es immer noch ein gutes Geschäft.
Für das Funktionieren von Value Pricing muss auch der Vertrieb intensiv eingebunden werden. Um komplexe Lösungen verkaufen zu können, benötigt der Vertrieb detaillierte Argumentationshilfen, mit denen er die Kunden besser überzeugen kann. Aber auch die Incentive-Strukturen müssen an das neue Pricing-System angepasst werden. "Bisher hängen die Vertriebsprovisionen in der Investitionsgüterindustrie noch häufig vom Umsatz ab statt vom Ertrag", sagt Mercer-Berater Frankenberger. "Das verhindert die Durchsetzung kreativer Pricing-Ansätze."
Ängste vor Preiserhöhungen sind weit verbreitet
Neben solchen weit reichenden Pricing-Ansätzen müssen aber auch die Möglichkeiten klassischer Preiserhöhungen künftig systematisch ausgelotet und genutzt werden. "Weit verbreitet bei Investitionsgüterherstellern ist die Angst vor Umsatzrückgängen, die durch Preiserhöhungen entstehen könnten", sagt Mercer-Berater Sebastian Frankenberger. "Doch Daten über die Preisempfindlichkeit ihrer Kunden haben diese Unternehmen nur sehr selten." Er nennt das Beispiel eines US-Maschinenbauers, der den Preis seiner Servicestunden in mehreren Schritten innerhalb kurzer Zeit um 20 Prozent erhöhte und damit den Ergebnisbeitrag des Services verdoppelte, ohne überhaupt Umsatzeinbußen zu erleiden - die Kunden waren deutlich weniger preissensibel als ursprünglich erwartet. "Der Preis wird als Entscheidungskriterium häufig überschätzt", so Berater Frankenberger. "In der Realität bestimmen andere Kriterien wie Produkt-Performance, vorangegangene Erfahrungen, Image oder Servicequalität den Kauf."
Selbst leichte Umsatzeinbußen können und sollten jedoch akzeptiert werden, wenn die Profitabilität des Unternehmens dadurch angehoben werden kann, wie ein Rechenbeispiel zeigt: Bei einem durchschnittlich profitablen Investitionsgüterhersteller kann eine Preissteigerung um fünf Prozent einen Absatzrückgang von 10,6 Prozent nach sich ziehen, ohne dass dies die Profitabilität beeinträchtigt. Liegt der Absatzrückgang nur bei wenigen Prozent, wäre die Preissteigerung vorteilhaft.
Zehn Schritte auf dem Weg zum wertorientierten Pricing
1. Economics des Kunden verstehen
Basis jedes Pricings ist ein auf Fakten basierendes Kundenverständnis. Was treibt die Wirtschaftlichkeit des Kunden? Welche Rolle spielt das eigene Produkt in der Wertgenerierung des Kunden? Was macht dem Kunden Probleme?
2. Erkenntnisse in der eigenen Organisation kommunizieren
Das gewonnene Kundenverständnis muss in Verkauf, Marketing, Entwicklung und Service verstanden und in tägliches Handeln umgesetzt werden.
3. Preisgestaltung stärker differenzieren
Nicht alle Kunden sind gleich. Einige Kunden profitieren mehr von den eigenen Produkten, andere weniger. Deshalb können die einen mehr und die anderen weniger zahlen.
4. Wertorientierte Leistungsangebote schaffen
Das Angebot an den Kunden soll dessen Wirtschaftlichkeit verbessern und die von ihm als Probleme oder Ärgernisse wahrgenommenen Aspekte aus der Welt schaffen.
5. Preiselastizitäten analysieren
Pricing benötigt eine Faktenbasis. Die genaue Analyse der Kaufentscheidungskette und der Preiselastizität verschiedener Kundengruppen ist die Basis für jede fundierte Preisfindung.
6. Wertargumentationen aufbauen
Gegenüber dem Kunden muss, wo immer möglich, mit dem Wert des eigenen Angebotes für den Kunden argumentiert werden. So entsteht eine neue, gemeinsame Perspektive.
7. Alternative Gewinnmodelle schaffen
Der Verkauf von Maschinen und Anlagen ist nicht die einzige Art, Geld zu verdienen. Es gibt über 30 Gewinnmodelle, von denen sich viele auch für Investitionsgüterhersteller eignen.
8. Vertriebs-Incentives umstellen
Die Vertriebsprovisionen müssen in Zukunft primär am Gewinn ausgerichtet werden - und nicht wie bisher ausschließlich am Umsatz.
9. Profit-Controlling einführen
Detaillierte Profitabilitätsanalysen, etwa "Profit nach Kunde" oder "Deckungsbeitrag nach Verkäufer", ermöglichen eine zeitnahe, profitorientierte Absatzsteuerung.
10. Das Pricing in die nächste Ebene heben
Wenn alle Schritte funktionieren, ist es an der Zeit, die gewonnenen Erkenntnisse für die weitere Produktentwicklung zu nutzen.
Mercer Management Consulting, eine der führenden internationalen Unternehmensberatungen mit 190 Büros in 40 Ländern, ist Teil des Beratungszweigs von Marsh & McLennan Companies. Weltweit erwirtschaften 15.000 Mitarbeiter einen Umsatz von 3,6 Milliarden US-Dollar. Die Büros in München, Stuttgart, Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg, Hannover und Zürich tragen mit 545 Mitarbeitern zu diesem Erfolg bei.
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