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Angestellte Schweiz

Frühjahrstagung der Angestellten Schweiz vom 24. April 2009 in Bern - Arbeit in einer alternden Gesellschaft - eine Herausforderung für uns alle!

Zürich (ots)

Auch die gegenwärtige Krise ändert nichts daran: In
der Schweiz wird es immer mehr ältere und immer weniger jüngere 
arbeitende Menschen geben. Dies stellt die Arbeitswelt und den 
Arbeitsmarkt vor neue Herausforderungen. Die Bedeutung von älteren 
Mitarbeitenden wird klar zunehmen. Was heisst das für die 
Angestellten und für die Unternehmen? Wie ist demzufolge die 
Arbeitswelt der Zukunft zu gestalten?
Lösungsansätze zeigten an der Frühjahrstagung der Angestellten 
Schweiz vom 24. April ExpertInnen auf, die sich schon seit längerem 
mit diesem Thema auseinandergesetzt haben: Professorin Colette Peter,
Dozentin und Projektleiterin Hochschule Luzern (Soziale Arbeit), 
Stefan Studer, Geschäftsführer Angestellte Schweiz und Renato Merz, 
Personalchef ABB Schweiz.
Arbeitsqualität und Perspektiven in der späten Berufsphase
"Wie lassen sich in Unternehmen die Folgen der demografischen 
Alterung bewältigen, so dass die Interessen und Bedürfnisse der 
Arbeitnehmenden berücksichtigt werden?" Diese Frage stellte 
Professorin Colette Peter zu Beginn ihres Referats. Sie hat im 
Auftrag der Angestellten Schweiz verschiedene wissenschaftlichen 
Studien und Fachbeiträge zum Thema ausgewertet sowie 
Best-Practice-Beispiele zusammengestellt. Ziel für die Angestellten 
Schweiz war es, fortschrittliche und stringente Positionen für die 
beruflichen Perspektiven älterer Mitarbeitender zu entwickeln (siehe 
dazu das nächste Kapitel).
In der Schweiz ist die Erwerbsquote der 55- bis 64-Jährigen in den
letzten zwölf Jahren von 63,5% auf 68,4% gestiegen. Sie ist im 
internationalen Vergleich hoch - in den 27 EU-Ländern lag sie im 
Schnitt im Jahr 2007 nur bei 44,7%. Angesichts der hohen Erwerbsquote
der über 55-Jährigen erstaunt es nicht, dass die Arbeitnehmenden in 
der Schweiz auch spät in Rente gehen; 2007 lag der Wert bei 
durchschnittlich 63,5 Jahren. Allerdings ist er seit 2001 um 0,4 
Jahre gesunken. Als Gründe für einen vorzeitigen Berufsaustritt 
identifizierte Colette Peter freiwilligen Rücktritt (30%), Entlassung
(27%), Gesundheit (23%), schlechte Motivation oder schlechte 
Arbeitsbedingungen (15%) und Arbeitsunfähigkeit.
Die landläufige Meinung, dass das Leistungsvermögen im Alter 
abnimmt, wurde von der Studie nicht bestätigt - im Gegenteil: "Die 
Leistungsdifferenzen innerhalb einer Altersgruppe sind meist grösser 
als zwischen den Altersgruppen", stellte Colette Peter fest. Das 
bedeute aber nicht, dass sich die einzelnen Faktoren der 
Leistungsfähigkeit nicht änderten. Nähmen die einen ab, wie z. B. die
körperliche Leistungsfähigkeit, die geistige Beweglichkeit oder das 
Kurzzeitgedächtnis, nähmen andere zu, wie beispielsweise die 
Berufserfahrung, die Urteilsfähigkeit, die Besonnenheit, die 
Kooperationsfähigkeit oder die Konfliktfähigkeit. Somit kompensierten
sich die Leistungsfaktoren gegenseitig; die Leistungsfähigkeit bleibe
gleich. Es gebe gemäss der Studie aber auch einige Faktoren, die sich
nicht ändern mit dem Alter. So bleibe beispielsweise die Kreativität 
erhalten, aber auch das physische und psychische Durchhaltevermögen.
Um die Arbeitsfähigkeit der (älteren) Mitarbeitenden zu erhalten, 
empfahl Colette Peter den Unternehmen auf Folgendes zu achten:
-	Die individuellen Ausgangsbedingungen sind zu berücksichtigen
-	Die Leistungsanforderungen und das Leistungsvermögen sind 
abzustimmen
-	Alle Altersgruppen sind zu berücksichtigen
-	Die Solidarität unter den Generationen im Unternehmen ist zu 
fördern
Positionen der Angestellten Schweiz für eine altersgerechte 
Arbeitswelt
Der Geschäftsführer der Angestellten Schweiz, Stefan Studer, stellte 
fünf Elemente zur Förderung der Arbeitsqualität und der beruflichen 
Perspektiven vor. Das erste ist die betriebliche 
Gesundheitsförderung. "Gesundheit und Wohlbefinden bestimmen 
wesentlich die Qualität der späteren Berufsphase und üben einen 
entscheidenden Einfluss auf die Dauer der Berufstätigkeit aus", sagte
Stefan Studer. Die betriebliche Gesundheitsförderung müsse daher 
generationenübergreifend sein und die Arbeitnehmenden müssten sich 
aktiv daran beteiligen. Als geeignete Massnahmen sieht Studer die 
optimale Gestaltung der Arbeitsplätze, gesundheitsfördernde Angebote 
wie Ruheräume oder Fitnessmöglichkeiten sowie ein 
Gesundheitsmanagement in Form von Gesundheitschecks oder einer 
Gesundheitsberatung.
Das zweite Element ist die Arbeitszeitgestaltung und Erholung. 
Erholungsmöglichkeiten und die Anpassung der Arbeitszeiten erhöhen 
die Motivation und die Bereitschaft, länger im Arbeitsprozess zu 
bleiben, davon ist Stefan Studer überzeugt. Auch hier schlägt er 
einen generationenübergreifenden Ansatz vor. Älteren Mitarbeitenden 
müsse zudem ein stufenweiser Rückzug aus dem Erwerbsleben ermöglicht 
werden. Dies könne erreicht werden durch ein flexibles Rentenalter, 
einen gleitenden Berufsausstieg und Altersteilzeitarbeit. Sabbaticals
wiederum seien eine gute Massnahme, um die Erholung zu fördern.
"Gute Arbeitsbedingungen und eine optimale Arbeitsumgebung fördern
die Motivation, das Leistungsvermögen und die Gesundheit der älteren 
Arbeitnehmenden." Mit diesen Worten leitete Stefan Studer über zum 
dritten Element, dem Arbeitsinhalt und -umfeld. Arbeitsinhalte 
müssten bedarfsgerecht angepasst und individuelle Ressourcen und 
Bedürfnisse berücksichtigt werden. Die Flexibilität sei 
generationenübergreifend zu fördern. Konkret heisse dies für ältere 
Mitarbeitende z. B. eine Bogenkarriere oder einen Funktionswechsel 
gegen Ende der Karriere. Älteren Mitarbeitenden sollen auch gezielt 
für sie geeignete und ihrem Leistungsvermögen angepasste Aufgaben 
zugewiesen werden, wie Coaching oder Beratung älterer Kunden.
Das vierte Element betrifft die Qualifikation. Sie ist, gemäss 
Stefan Studer, der Schlüsselfaktor zur Erhaltung von Berufschancen 
und für berufliche Perspektiven auch noch in der späteren 
Berufsphase. "Systematische Weiterbildungen verhindern einen 
Leistungsabfall", das ist für Studer klar. Darum seien die 
Weiterbildungsbereitschaft und die Weiterbildungsangebote zu fördern.
Altersspezifische Lernstrategien und Lernbedürfnisse seien zu 
berücksichtigen. Wie kann man das umsetzen? Indem man im Unternehmen 
Anreize schafft und die Bereitschaft der Angestellten zur 
Weiterbildung fördert, z. B. durch Weiterbildungsgutscheine als 
Altersgeschenk oder Mitsprache bei der Entwicklung von Kursangeboten.
Ein förderndes Lernklima kann in einem Unternehmen installiert 
werden, indem man die Weiterbildung ohne Altergrenzen fördert, den 
Wissensaustausch zwischen Jüngeren und Älteren unterstützt oder 
Lernzirkel einrichtet.
Das letzte Element ist die Unternehmens- und Personalpolitik. 
"Eine aufgeschlossene Betriebskultur und Neuorientierung der 
Personalpolitik bilden die Grundlage, damit das Potenzial der älteren
Mitarbeitenden erschlossen werden kann". Davon ist Stefan Studer 
überzeugt. Informationsdefizite müssten deshalb geschlossen werden 
und es brauche regelmässige "altersspezifische" Analysen. 
Führungskräfte und Personalverantwortliche seien durch Schulung zu 
sensibilisieren.
"Von diesen Massnahmen profitieren alle, der Arbeitnehmende, das 
Unternehmen und der Staat", sagte Stefan Studer zum Abschluss seines 
Referats. Der Angestellte gewinnt eine höhere Zufriedenheit und 
Wertschätzung und es eröffnen sich ihm neue Berufsperspektiven. Das 
Unternehmen kann das Potenzial der älteren Arbeitnehmer besser 
erschliessen und besser auf die Wünsche älterer Kunden eingehen. Der 
Sozialstaat schliesslich wird durch den längeren Verbleib der 
Arbeitnehmenden in der Erwerbsarbeit entlastet.
Einbindung des Demografiewandels in ein Gesamtpersonalkonzept
ABB-Angestellte sind treu: 25% der Mitarbeitenden sind seit mehr als 
20 Jahren bei ABB Schweiz tätig, knapp 20% sogar seit über 25 Jahren 
(in wechselnden Funktionen). Auf der anderen Seite arbeiten bei ABB 
aber auch viele junge Leute. So sind je ca. 14% der Mitarbeitenden 
zwischen 25 und 29, zwischen 30 und 34 oder zwischen 35 und 39. "Das 
soll auch so sein", sagte Renato Merz, der Personalchef von ABB 
Schweiz. "Wir achten darauf, dass unsere Mitarbeitenden ungeachtet 
ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, ihrer Religion und ihres Alters 
die gleichen Chancen haben."
Angesichts der demografischen Entwicklung hat ABB im Rahmen eines 
Gesamtpersonalkonzepts spezifisch eine Personalpolitik für die 
Generation ab 45/50 entwickelt. Dazu gehört eine Politik für die 
Generation 50 plus ebenso wie ein Gesundheitsmanagement, 
Arbeitszeitmodelle oder die berufliche Vorsorge. Die Ziele der 
Politik für die Generation 50 plus formulierte Renato Merz so: 
"Unternehmen sichern ihre Attraktivität gegenüber älteren 
Mitarbeitenden, ältere Mitarbeitende erhalten ihre Attraktivität im 
und für ein Unternehmen." Wichtig für diese Generation sei, die 
Arbeitsmarktfähigkeit zu erhalten, denn je besser diese sei, desto 
besser seien die Arbeitsmarktchancen. Aber auch die Gesundheit 
gewinne mit zunehmendem Alter an Bedeutung. "Eine wichtige 
Voraussetzung, um die physische und psychische Gesundheit zu 
erhalten, ist ein Gleichgewicht zwischen der anspruchsvollen 
Belastung und der Zeit für sich selbst, die Familie und das weitere 
soziale Umfeld", gab sich Renato Merz überzeugt. Erreicht werden 
könne dies für ältere Angestellte durch individuelle Arbeitszeit- und
Altersteilzeitmodelle. Im Zusammenhang mit dem Rücktritt aus dem 
Erwerbsleben schliesslich seien flexible Modelle anzubieten, um den 
individuellen Bedürfnissen der Mitarbeitenden Rechnung zu tragen.
Um eine Verjüngung des oberen Kaders zu erreichen, ohne auf die 
Erfahrungen der älteren Kadermitarbeiter verzichten zu müssen, hatte 
ABB eine brillante Idee: Mitarbeitende des oberen Kaders scheiden im 
Alter von 60 Jahren aus ihrer Funktion aus und treten in die 
"Consenec" über, ein Beratungsunternehmen von ABB, Alstom und 
Bombardier. Dort sind sie bis zur Pensionierung als Senior Consultant
tätig. Das Arbeitspensum kann dabei individuell festgelegt werden. 
Dies erlaubt einen Ausstieg aus dem Berufsleben in Schritten.
Aber auch für die anderen Mitarbeitenden ist gesorgt: Das Seminar 
"57 plus" bereitet Mitarbeitende im 57. Lebensjahr auf den sich 
nähernden Berufsausstieg vor. Zum Seminar gehören u. a. eine 
Standortbestimmung, ein Fachtag und ein Projekttag.
"Mitarbeitende ab 45, die nicht in einen formellen 
Entwicklungsprozess integriert sind, weisen häufig ein Defizit an 
Förderung und Weiterbildung auf." Mit diesen Worte leitete Renato 
Merz über zur Antwort von ABB auf diese Problemstellung, das Programm
"Route 45 plus". Dieses sensibilisiert die Mitarbeitenden für die 
Bedeutung der persönlichen Entwicklung über alle beruflichen 
Lebensphasen hinweg. Es soll ihr Selbstbewusstsein und ihre 
Motivation stärken und ihre Leistungsfähigkeit erhalten. Das 
Unternehmen soll auf der anderen Seite das Potenzial älterer 
Angestellter als Leistungsträger der Organisation ausschöpfen können.
Und schliesslich soll mit "Route 45 plus" sichergestellt werden, dass
Wissen richtig aufgebaut, erhalten und transferiert wird.
Die Angestellten Schweiz sind die stärkste 
Arbeitnehmerorganisation der Branchen Maschinen-, Elektro- und 
Metallindustrie (MEM) und Chemie/Pharma. Rund 25 000 Angestellte sind
Mitglied. Angestellte Schweiz entstand aus dem Zusammenschluss der 
beiden Verbände Angestellte Schweiz VSAM (MEM, gegründet 1918) und 
VSAC (Chemie, gegründet 1993).

Kontakt:

Hansjörg Schmid, Leiter Kommunikation, Natel 076 443 40 40

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