Appell 150 von Universitätsdozent/innen und Wissenschafter/innen für politische Entscheide, welche Ergebnisse der Forschung in der Migrations und Integrationspolitik respektieren
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Genf (ots)
Hinweis: Die Unterschriftenliste kann im pdf-Format unter www.newsaktuell.ch/d/story.htx?nr=100479743 kostenlos heruntergeladen werden.
Die politischen Instanzen des Bundes stehen gegenwärtig vor ausserordentlich wichtigen Entscheiden im Bereich der Migrations- und Asylpolitik der Schweiz. Die unterzeichneten Universitätsdozent/innen und Wissenschafter/innen sind beunruhigt darüber, dass die politischen Behörden die Ergebnisse der Forschung, welche die Eidgenossenschaft selber finanziert hat, nicht oder nur ungenügend zur Kenntnis nehmen. Verschiedene bereits getroffene oder vorgeschlagene Massnahmen widersprechen diesen, wenn sie nicht sogar ganz im Gegensatz dazu stehen.
Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 39, Migration und interkulturelle Beziehungen, haben beispielsweise Forscherinnen und Forscher aus verschiedenen Disziplinen über Jahre hinweg für die Politik wie für die Öffentlichkeit höchst aktuelle Themen untersucht. Sie haben gezeigt, dass die Schweiz bereits seit langer Zeit ein Einwanderungsland geworden ist, welches einen grossen Teil seiner Innovationsfähigkeit in der Wirtschaft wie in der Wissenschaft Migrantinnen und Migranten verdankt. Die Forschungsergebnisse legen u.a.die folgenden, für die aktuelle Diskussion relevanten Schlussfolgerungen nahe. Die erste steht in offenem Widerspruch zu Entscheiden, wie sie gegenwärtig von Bundesrat und Parlament angestrebt werden, die zweite findet eine teilweise Antwort in den Abstimmungsvorlagen vom 26. September 2004:
1). Die Politik sollte vermeiden, mit dem Inkrafttreten der bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der Europäischen Union, die lange Zeit durch begrenzte und diskriminierende Arbeits- und Aufenthaltsbewilligungen geförderte Segregation nun auf aussereuropäische Migranten und Migrantinnen zu übertragen. Der Entwurf zum neuen Gesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer, welches gegenwärtig von den eidgenössischen Räten beraten wird wird, könnte zu einem beispiellosen Bruch zwischen inner- und aussereuropäischer Migration führen. welcher die Möglichkeiten des legalen Aufenthalts in der Schweiz für Angehörige von Nicht-EU Staaten drastisch einschränkt. Dies wird die Zahl der Schwarzaufenthalter unweigerlich ansteigen lassen. Dieselben Auswirkungen werden von der verschärften Asylgesetzgebung ausgehen. Diese Gesetzesbestimmungen fördern den sozialen Zusammenhalt nicht und schaffen Hindernisse für eine erfolgreiche Integration.
2.) Der Zugang zur schweizerischen Staatsbürgerschaft ist zu erleichtern, um die notwendige Übereinstimmung zwischen ökonomischer und sozialer Partizipation auf der einen und politischer Partizipation auf der andern Seite herzustellen. Der gesellschaftliche Realitätssinn hat die schweizerischen Behörden ermutigt, erneut Verfassungsbestimmungen für die erleichterte Einbürgerung von Kindern und Jugendlichen der zweiten und dritten Ausländergeneration vorzuschlagen, die am 26. September dem Volk zur Abstimmung unterbreitet werden. Diese Bestimmungen stellen eine Hoffnung für die Demokratie und den sozialen Zusammenhalt des Landes dar, falls sie von Volk und Ständen angenommen werden. Es mag bedauert werden, dass sich die Argumente zugunsten der Verfassungsänderungen nicht stärker auf die Ergebnisse der Forschung stützen, die zeigen, dass Jugendliche, welche die schweizerische Staatsangehörigkeit erhalten, im beruflichen und sozialen Leben stärker integriert sind.
Die Situation ist in einem Ausmass beunruhigend, dass die unterzeichneten Wissenschafter/innen ihre übliche Zurückhaltung ablegen und die Frage nach der Beziehung von Wissenschaftlicher und Politik stellen. Sie fordern die Parlamentarier/innen im Nationalrat und Ständerat, den Bundesrat und alle Bewohner/innen dieses Landes auf, bei ihren Entscheiden unbegründeten Bedrohungsszenarien zu widerstehen, welche Diskriminierung und Angst verstärken; auf die Ungleichbehandlung von Ausländergruppen zu verzichten, welche durch die neuen Gesetzesbestimmungen über Niederlassung, Aufenthalt sowie Asyl verstärkt wird; alle jene Massnahmen zu unterstützen, die der Integration förderlich sind und am 26. September den neuen Verfassungsbestimmungen zuzustimmen, die den Zugang zum staatsbürgerlichen Leben für junge Ausländerinnen und Ausländer erleichtern werden.In den Debatten und bei den Entscheiden über die Migrations- und Ausländerpolitik, geht es um die Zukunft von uns allen: Schweizer/innen und Ausländer/innen.
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E-Mail: Claudio.bolzman@ies.unige.ch