EICTA
Patentrichtlinie fördert Wirtschaftswachstum in Europa
Der europäische Dachverband für die Informations-, Kommunikations-und Verbraucherelektronikindustrie nimmt Stellung
Brüssel (ots)
Die europäische High-Tech-Industrie fordert die Bewahrung der langjährigen Patenterteilungspraxis für computerimplementierte Erfindungen, so wie vom EU Ministerrat vorgesehen. Die Branche sieht in dem Richtlinienentwurf des Europäischen Parlaments (aus erster Lesung) eine massive Bedrohung des Innovationsstandortes Europa. Die Richtlinie wird derzeit in der zweiten Lesung im europäischen Parlament behandelt und soll, nach dem derzeitigen Zeitplan, Anfang Juli verabschiedet werden.
In der aktuellen Diskussion befinden sich zwei konkurrierende Entwürfe, die im Kern die gleiche Idee verfolgen, jedoch sehr unterschiedliche - zum Teil dramatische - Auswirkungen zur Folge hätten: zum einen der Entwurf des Europäischen Parlaments aus dem Jahr 2003, zum anderen der Gemeinsame Standpunkt des Europäischen Rats, verabschiedet im März 2005.
Seit vielen Jahren werden in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union Patente für computerimplementierte Erfindungen vergeben. Der Begriff "computerimplementierte Erfindungen" umfasst technische Erfindungen, die über Software gesteuert oder umgesetzt werden, wie zum Beispiel die Messdatenverarbeitung bei Kernspintomographen oder Antiblockiersysteme im Auto. Dieser Status quo der Patenterteilungs- und Rechtsprechungspraxis hat sich sowohl für kleine und mittlere wie für große Unternehmen in der Vergangenheit bewährt.
Die Europäische Kommission strebt mit ihrem Entwurf eine europaweite Harmonisierung der national bestehenden Rechtssysteme zur Patentvergabe an und will somit nachhaltig zu mehr Einheitlichkeit und Rechtsklarheit beitragen, was nicht zuletzt zu einer Reduktion der Kosten und des administrativen Aufwands für Entwickler und Patentanmelder führen würde. Ziel ist es, den Innovationsstandort Europa und seine High-Tech-Unternehmen nachhaltig zu stärken.
Rund zwei Drittel der patentierten Erfindungen der europäischen High-Tech-Industrie basieren auf Software. Viele dieser Innovationen sind heute für den Verbraucher auf den ersten Blick gar nicht sichtbar. Es ist zum Beispiel Software zu verdanken, dass die Verweildauer eines Patienten in einem Kernspintomographen erheblich reduziert werden konnte. Dies bedeutet, dass die Untersuchung für den Patienten nicht nur angenehmer ist, sondern dass wesentlich mehr Patienten untersucht werden können. Die Möglichkeit derartige Innovationen patentieren zu lassen, gewährleistet Technologietransfer und Wissensaustausch zwischen Unternehmen und insbesondere auch bei Kooperationen mit Universitäten.
Nur die Ratsversion gewährleistet eine Beibehaltung der bislang bewährten Praxis High-Tech-Unternehmen aus allen Branchen unterstützen den Gemeinsamen Standpunkt des Europäischen Rats, da nur dieser den Status quo der Patenterteilungs- und Rechtssprechungspraxis erhält. Das bedeutet:
Förderung von Innovationen und Investitionen in Europa Ein einheitlicher und praktikabler Rechtsstandard, der europäische Unternehmen in die Lage versetzt, Gewinn aus ihren Investitionen in Forschung und Entwicklung zu ziehen, fördert die Innovations- und Investitionsbereitschaft von High-Tech-Unternehmen und sichert somit Arbeitsplätze in Europa.
Rechtssicherheit besonders wichtig für kleine und mittelständische Unternehmen
Kleine und mittelständische Unternehmen können oft nur über den Nachweis vorhandener Patente notwendiges Wagnis- und Beteiligungskapital gewinnen. Patente sorgen in vielen Fällen für gesicherte Zahlungsströme aus Lizenzvergaben, die es kleinen und mittelständischen Unternehmen erst ermöglichen, in weitere Forschungs- und Entwicklungsprogramme zu investieren. Der positive Einfluss eines Patentportfolios auf die Kreditwürdigkeit und damit der Zugang zu Fremdkapital wird insbesondere im Zuge der Verschärfung der Eigenkapitalvorschriften (Basel II) bis 2006 noch zunehmen. Darüber hinaus beruht der Erfolg eines kleinen oder mittelständischen Unternehmens oftmals auf einer hochinnovativen Erfindung, die es aus dem Kreis der internationalen Wettbewerber heraushebt. Solche Erfindungen gilt es im Sinne dieser Unternehmen und ihrer Arbeitnehmer zu schützen.
Keine Patente für reine Software
Die Richtlinie schließt Patente für reine Software definitiv aus. Es geht ausschließlich um technische Erfindungen, die über Software ausgedrückt, gesteuert und umgesetzt werden. Damit unterscheidet sich der europäische Ansatz deutlich von der Patentpraxis in den USA.
Chancengleichheit im internationalen Wettbewerb
Europäische Unternehmen - große wie kleine - stehen im internationalen Wettbewerb. Eine Einschränkung bezüglich der Patentierbarkeit von computerimplementierten Erfindungen in Europa würde zu einer massiven Benachteiligung gegenüber internationaler Konkurrenz führen. Die Richtlinie in Form des Ratsvorschlags sorgt für adäquate Wettbewerbsbedingungen.
Ergänzung zum Urheberschutz
Patente und Urheberrecht ergänzen sich und sind nicht deckungsgleich. Das Urheberrecht schützt nur den konkreten Ausdruck der kreativen Leistung (beispielsweise den Quell- und Objektcode) vor einer 1:1 Kopie. Das Patent schützt dagegen die in der computerimplementierten Erfindung liegende technische Lösung einer Funktionalität vor einer Nachahmung. Die Richtlinie sorgt für einen ganzheitlichen Schutz des geistigen Eigentums.
Der Entwurf des Europäischen Parlaments von 2003 hingegen sieht vor, dass keine Patente mehr möglich sind für Erfindungen, die mit Hilfe eines programmierbaren Prozessors implementiert werden. Dass bedeutet eine dramatische Veränderung der bisherigen 20jährigen Patenterteilungspraxis. Insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen würde damit die Geschäftsgrundlage entzogen, da sie ohne den Schutz ihrer Innovationen im internationalen Wettbewerb nicht mehr bestehen könnten.
Weitere Informationen zur aktuellen Diskussion sowie den Standpunkt der europäischen High-Tech-Industrie unter
www.patents4innovation.com
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