NAB Regionalstudie 2017 «Fachkräftemangel im Aargau - Betroffenheit und Strategien» // Jedes vierte Aargauer KMU leidet akut unter Fachkräftemangel
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Aarau (ots)
Der Kanton Aargau bietet Unternehmen gute Rahmenbedingungen und kann im Standortqualitäts-Ranking den Rang 3 vorerst verteidigen. Wie die NAB Regionalstudie zeigt, haben Aargauer Unternehmer zum Teil aber erhebliche Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Fachkräften: 60 Prozent haben Mühe geeignete Kandidaten zu finden, gut ein Viertel sind akut vom Fachkräftemangel betroffen. Der Strukturwandel vom traditionellen Industriestandort hin zu Spitzenindustrie und Dienstleistungen dürfte die Anforderungen an die Ausbildung der Arbeitnehmer erhöhen. Das Bildungsniveau liegt allerdings weiterhin unter dem Landesmittel. Zudem ist es für Kanton und Unternehmen eine Herausforderung, das eigene Potenzial besser zu nutzen, pendeln doch 42'000 hochqualifizierte Arbeitskräfte in andere Kantone zur Arbeit.
Standortqualität: Aargau verteidigt vorerst den 3. Platz Der Kanton Aargau bietet Unternehmen grundsätzlich gute Rahmenbedingungen. Wie im Vorjahr belegt er im Standortqualitätsranking hinter Zug und Zürich den dritten Rang. Bei der Unternehmens-besteuerung dürfte sich allerdings bald etwas ändern. Die «Steuervorlage 17» befindet sich aktuell in der Vernehmlassung. Der Aargau ist heute bei den Unternehmenssteuern im vorderen Mittelfeld positioniert. Wegen des in Schieflage geratenen Kantonshaushalts möchte der Regierungsrat jedoch auch an der Einnahmeseite schrauben: Der Kantonssteuerfuss soll ab 2019 um 5 Prozent erhöht werden. Angesichts der in zahlreichen Kantonen erwarteten Reduktionen der ordentlichen Unternehmens-steuersätze würde der Kanton ohne Begleitmassnahmen im Wettbewerb um Unternehmen zurückfallen und an Standortqualität einbüssen.
60 Prozent der Aargauer KMU haben Mühe bei der Kandidatensuche «Die Mitarbeitenden und ihre Qualifikationen sind für die Aargauer KMU der wichtigste Faktor für ihren Erfolg. 25 Prozent aller Aargauer KMU sind akut vom Fachkräftemangel betroffen», sagt Roland Herrmann, CEO der NAB. 60 Prozent der rekrutierenden Aargauer KMU haben Schwierigkeiten, geeignete Kandidaten zu finden. Roland Herrmann macht diese Entwicklung Sorgen: «Alle Akteure im Aargau sind gefordert - ich denke an Unternehmen, Bildungsinstitutionen, Berufsberatung - Kandidatinnen und Kandidaten zu motivieren, sich für eine Karriere in vom Fachkräftemangel betroffenen Bereichen zu entscheiden.» Der Fachkräftemangel ist im Bereich Bau und Industrie ausgeprägter als bei Dienstleistungsbetrieben. Mangelware sind insbesondere Kandidaten mit fachtechnischen Fähigkeiten sowie Führungs- und Projektmanagement-Kompetenz. Momentan werden überproportional viele Arbeitskräfte für technische Berufe sowie Produktionsberufe in Industrie und Gewerbe gesucht: Ein Drittel der offenen Stellen im Kanton sind in diesen Bereichen, was aber auch an der hohen Bedeutung der verarbeitenden Industrie im Aargau liegt.
So sichern KMU heute ihren Bedarf an Fachkräften Die Strategien zur Deckung des Fachkräftebedarfs sind vielfältig. Je nach Region, Branche oder Grösse sind die KMU mit spezifischen Herausforderungen konfrontiert. Als wichtigste Massnahme steht auch bei den Aargauer KMU die Entwicklung des Humankapitals im Vordergrund: Rund 80 Prozent der KMU unterstützen die Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitenden, 53 Prozent bilden Lernende aus und über 50 Prozent bieten attraktivere Arbeitsbedingungen. Die Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland steht nicht im Vordergrund. Im Zurzibiet und Fricktal spielen aber Grenzgänger eine bedeutende Rolle. Dank dem erweiterten Arbeitsmarkt im Ausland bekunden KMU aus Grenzregionen weniger häufig Rekrutierungsprobleme.
Bildungsstand liegt unter dem Landesmittel Das Arbeitskräftepotenzial spielt eine zentrale Rolle bei der Deckung des Fachkräftebedarfs. Hochqualifizierte sind im Aargau untervertreten. Insgesamt dominiert im Industrie-und Hightech-Kanton Aargau die berufliche Grundbildung (z.B. Berufslehre), die von den Aargauer KMU als zentraler Faktor für die hiesige Standortattraktivität geschätzt wird. Der Bildungsstand steigt zwar im Kanton Aargau wie in der ganzen Schweiz, dennoch besteht eine deutliche Lücke zum Landesmittel - und der Abstand vergrössert sich gar. Der Aargau fällt bei den Hochschulabschlüssen weiter zurück, und dies nicht nur bei den Universitäten, sondern auch bei den Fach- und pädagogischen Hochschulen. Auch die Maturitätsquote liegt deutlich unter dem Schweizer Durchschnitt. Die Berufsmaturität erfreut sich hingegen steigender Popularität und liegt über dem Landesdurchschnitt. Es bleibt zu hoffen, dass sich dies in den kommenden Jahren in einer höheren Zahl von Abschlüssen an Fach- und pädagogischen Hochschulen sowie Universitäten niederschlägt.
Der Aargau «verliert» 42'000 Hochqualifizierte an Nachbarkantone Als ausgeprägter Pendlerkanton und auch dank der hohen Attraktivität als Wohnkanton ist der Aargau ein deutlicher «Nettoexporteur» von Arbeitskräften: Die Zahl der Wegpendler (107'468) ist rund doppelt so hoch wie die Zahl der Zupendler (53'714). Bei den Hochqualifizierten ist der Nettoabfluss besonders drastisch: Rund 37 Prozent der Aargauer Erwerbsbevölkerung mit tertiärem Abschluss verlassen den Kanton und stehen dem Aargauer Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Somit bleibt es für Kanton und Unternehmen eine Herausforderung, das Angebot an Qualifikationen bestmöglich zu nutzen.
Herausforderungen durch demografischen Wandel und Digitalisierung Der Aargau wird sich der demografischen Alterung und Stagnation der Erwerbsbevölkerung nicht entziehen können, die den Fachkräftemangel verschärft.
In den kommenden fünf Jahren werden im Aargau rund 40'000 Personen das gesetzliche Pensionierungsalter erreichen. Die Beschäftigung von Mitarbeitenden im Rentenalter ist eine Möglichkeit, das Arbeitskräftepotenzial älterer Fachkräfte besser zu nutzen. Weiteres Potenzial liegt in der Reintegration von Nichterwerbspersonen. Zurzeit sind rund 15% der Personen im erwerbsfähigen Alter im Kanton Aargau nicht im Arbeitsmarkt integriert, weder als Erwerbstätige noch als Arbeitssuchende. In der Mehrheit handelt es sich dabei um Frauen - Verbesserungen bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie könnten einen Beitrag leisten, die Partizipation am Arbeitsmarkt zu erhöhen.
Hingegen könnten durch die Automatisierung Engpässe beim Fachkräftebedarf reduziert werden. Gleichzeitig wird die Digitalisierung viele Berufe stark verändern und den Bedarf an Fachkräften in gewissen Sektoren steigern. Aargauer Unternehmen, Bildungsinstitutionen, Arbeitsämter und Berufsberatung sind gefordert, geeignete Kandidaten für eine Karriere in vom Fachkräftemangel betroffenen Bereichen zu motivieren. weitere Informationen
Bild: Sara Carnazzi Weber, Verfasserin der NAB Regionalstudie, Roland Herrmann, CEO NAB Die Medienmitteilung finden Sie im Internet unter www.nab.ch/mediemitteilungen Die Studie steht als pdf-Datei zum Herunterladen auf www.nab.ch/regionalstudie zur Verfügung.
Kontakt:
Roland Teuscher, Mediensprecher, Telefon 062 838 86 53, E-Mail:
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